Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhung der Zahl der Gesellschafter bei Todesfall durch Erben-Kommanditisten

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt, enthält die im Gesellschaftsvertrag einer Personalhandelsgesellschaft enthaltene Klausel, dass die nach dem Tode eines Gesellschafters als Kommanditisten eintretenden Erben ihre Gesellschaftsrechte nur durch einen gemeinsamen Vertreter wahrnehmen dürfen (Vertreterklausel), für die Erbenkommanditisten das Verbot; die Gesellschafterrechte persönlich wahrzunehmen und das Gebot, die Rechte (durch den Vertreter) einheitlich auszuüben.
  2. Die Vertreterklausel nimmt den Kommanditisten jedoch nicht das Recht, gesellschaftliche Ansprüche gegen die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter einzuklagen, wenn das im Gesellschaftsvertrag nicht besonders bestimmt worden ist.
 

Normenkette

BGB § 719 Abs. 1, § 717 Abs. 1; HGB § 166; BGB § 665

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 2. Dezember 1964 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die beiden Beklagten, ihr Bruder Wilhelm I. jun. und ihr Vater Wilhelm I. sen. haben im Jahre 1938 eine offene Handelsgesellschaft gegründet. Wilhelm I. jun. ist am 3. September 1957 gestorben. Seine Erben, die Ehefrau Luise und die beiden Töchter - Renate I. und die Klägerin - sind auf Grund einer Nachfolgeklausel, die der Gesellschaftsvertrag enthält, an seiner Stelle als Kommanditisten in die Gesellschaft eingetreten. Im Jahre 1962 ist auch Wilhelm I. sen. gestorben. Persönlich haftende Gesellschafter sind seither nur noch die Beklagten.

Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin geltend, ihrem Privatkonto hätten die Beklagten in den Jahren 1958 bis 1961 zu niedrige Gewinnanteile gutgeschrieben. Das beruhe einmal darauf, daß die Beklagten zu hohe Tätigkeitsvergütungen bezogen hätten; sie hätten sich in der Zeit vom 1. April 1959 bis zum 31. Dezember 1961 je 13.200,- DM mehr auszahlen lassen, als ihnen vertraglich zugestanden habe. Zum anderen hätten sie von 1958 bis 1961 die Vorabvergütung, die ihrer Mutter ausgezahlt worden sei, fehlerhaft auf den Gewinnanteil aller drei Kommanditisten angerechnet; nach dem Gesellschaftsvertrag habe hiermit nur der Gewinnanteil der Mutter belastet werden dürfen. Aus diesen beiden Gründen hält die Klägerin ihr Privatkonto um 14.887,46 DM für verkürzt. Sie verlangt, daß dies berichtigt wird. Hilfsweise stützt sie diesen Anspruch auf zwei weitere Grunde: Die Vorabvergütung, die ihre Mutter erhalten habe, sei höher gewesen, als ihr zugestanden habe. Außerdem sei das Kapitalkonto von Wilhelm I. sen. zum Nachteil der übrigen Gesellschafter für Rückstellungen nicht belastet worden, die die Gesellschaft für die Instandhaltung eines Grundstücks und zur Erneuerung von Maschinen, die sie von ihm gepachtet habe, vorgenommen habe.

Die Beklagten wenden in erster Linie ein, die Klägerin sei nicht befugt, ihre Beanstandungen persönlich durch Klage geltend zu machen. Dazu berufen sie sich auf § 17 des Gesellschaftsvertrages. Nach dieser Bestimmung "haben die Kommanditisten die ihnen zustehenden Rechte durch einen gemeinsamen, möglichst zu ihrem Kreis gehörigen Vertreter ... ausüben zu lassen." Im übrigen vertreten die Beklagten die Ansicht, das Privatkonto der Klägerin sei gesellschaftsvertragsgemäß berechnet.

Die Klägerin verlangt, die Beklagten zu verurteilen, ihrem Privatkonto einen Betrag von 14.887,46 DM gutzubringen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, die die Beklagten zurückzuweisen beantragen, verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das angefochtene Urteil kann nach dem derzeitigen Prozeßstand nicht aufrechterhalten werden.

I.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es zunächst darauf an, ob die Klägerin durch die Vertreterklausel des § 17 des Gesellschaftsvertrages gehindert ist, die mit der Klage beanspruchten Rechte selbst gerichtlich geltend zu machen. Diese Frage ist - in teilweiser Abweichung von der Ansicht des Berufungsgerichts - zu verneinen.

l.

Bestimmen die Gesellschafter einer Personalhandelsgesellschaft im Gesellschaftsvertrag, daß beim Tode eines von ihnen die Erben als Kommanditisten in die Gesellschaft eintreten sollen, so nehmen sie die Möglichkeit in Kauf, daß sich hierdurch die Zahl der Gesellschafter um eine nicht vorhersehbare, unter Umständen große Zahl von Erben-Kommanditisten erhöht. Diese werden dem Unternehmen oft fremd gegenüberstehen. Interessen und Ansprüche ohne ausreichende Sachkenntnis zu verfolgen suchen, aber kapitalmäßig möglicherweise nur gering beteiligt sein. Würde sich jeder von ihnen wegen seiner Rechte selbständig mit den geschäftsführenden Gesellschaftern auseinandersetzen, so könnte das leicht die Geschäftsführung behindern und in mancherlei Hinsicht den Geschäftsgang erschweren. Mit wachsender Gesellschafterzahl steigt regelmäßig die Zahl unterschiedlicher Meinungen und Interessen; Entscheidungen und Auseinandersetzungen, bei denen die Kommanditisten ein Mitspracherecht haben, werden in der Gesellschaft schwieriger.

Vor diesen Nachteilen die Geschäftsführung möglichst zu verschonen, ist das wesentliche praktische Bedürfnis, das einer Vertragsbestimmung zugrundeliegt, die die Erben-Kommanditisten auf einen gemeinsamen Vertreter verweist. Daraus ergibt sich zugleich, daß sich die gewollte Wirkung einer solchen "Vertreterklausel" regelmäßig nicht darin erschöpft, den Kommanditisten lediglich zu verbieten, ihre Rechte persönlich auszuüben. Dieses Verbot hätte zwar für die geschäftsführenden Gesellschafter immerhin den Vorteil, daß sie es nicht mit einer Vielzahl von Kommanditisten, sondern nur mit einer Person zu tun haben. Der einzelne Kommanditist wäre aber nicht gehindert, dem Vertreter von Fall zu Fall selbständig nach eigenem Ermessen Weisungen zu geben. Der Vertreter seinerseits wäre gehalten, die Einzel-Weisungen in der Gesellschaft zur Geltung zu bringen. Das könnte ihn selbst in Schwierigkeiten bringen; denn er müßte dann unter Umständen in derselben Sache unterschiedliche Auffassungen der Kommanditisten vertreten. Vor allen wäre aber die unerwünschte Vervielfältigung von Gesellschafterinteressen und -meinungen in der Gesellschaft nicht vermieden und den geschäftsführenden Gesellschaftern deshalb letzten Endes wenig geholfen. Als gewolltes Instrument, die Verwaltung der Gesellschaft zu vereinfachen, wird deshalb der Zweck der Vertreterklausel nur dann voll erreicht, wenn die Kommanditisten in der Gesellschaft nur mit einer einheitlichen Auffassung in Erscheinung treten können und dazu vorweg untereinander klären müssen, in welcher Weise ihr Vertreter ihre Rechte und Interessen in der Gesellschaft wahrnehmen soll. Inhalt der Vertreterklausel ist infolgedessen, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt, im Zweifel nicht nur das Verbot, die Kommanditistenrechte persönlich wahrzunehmen, sondern auch das Gebot, die Rechte (durch den Vertreter) einheitlich ausüben zu lassen.

2.

Gegen die rechtliche Zulässigkeit einer Vertreterklausel dieses Inhalts bestehen keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken.

a)

Zweifellos schränkt die Klausel die Rechte ein, die den Kommanditisten von Gesetzes wegen zustünden. Interessen Dritter werden aber hiervon nicht berührt. Das Innenverhältnis der Gesellschaft kann in einer vom Gesetz abweichenden Weise ausgestaltet werden. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der gemäß §§ 161 Abs. 2, 109 Halbs. 1 HGB auch für die Rechtsverhältnisse von Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft gilt. Deshalb kann es entgegen der Ansicht der Revision für die Zulässigkeit der Klausel nicht auf die mehr oder minder große Zahl von Kommanditisten ankommen, für die die Klausel wirksam wird. In jedem Falle ist es vielmehr allein Sache der Gesellschafter zu entscheiden, ob eine solche Regelung für ihre Gesellschaft zweckmäßig ist und in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden soll. Der persönlichen Zustimmung der Erben bedarf es nicht; sie sind an das im Gesellschaftsvertrag erklärte Einverständnis ihres Erblassers gebunden, dessen Gesellschaftsanteil sie mit allen Rechten und Pflichten übernommen haben. Ob eine Vertreterklausel in Einzelfällen unentziehbare Rechte der Kommanditisten betreffen kann und insoweit unwirksam ist, braucht hier nicht erörtert zu werden.

b)

Allgemeine Grundsätze werden auch durch die Auswirkungen, die eine Vertreterklausel auf die innergesellschaftlichen Rechtsverhältnisse hat, nicht verletzt.

Die Ernennung des Vertreters hat zur Folge, daß zwischen den Kommanditisten ein besonderes gesellschaftsähnliches Verhältnis entsteht. Dieses wird durch den gemeinschaftlichen Zweck bestimmt, die Kommanditistenrechte durch den Vertreter wahrnehmen zu lassen, und richtet sich nach Regeln der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft. Wesentlicher Gegenstand des Gesellschaftsverhältnisses ist die Beschlußfassung, wie der Vertreter allgemein oder für den Einzelfall anzuweisen ist, die Rechte in der Kommanditgesellschaft wahrzunehmen. Wie die Weisungen zustandekommen - durch Einheits- oder Mehrheitsbeschluß - , ist eine Frage der Auslegung des Gesellschaftsvertrages oder der besonderen Regelung durch die Kommanditisten.

Der Vertreter steht zu den Kommanditisten, wenn er nicht zu ihrem Kreis gehört, in einem Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis.

An die Weisungen ist er, wie aus § 665 BGB folgt, gebunden. Wird ein Kommanditist zum Vertreter gewählt, so ergibt sich seine Bindung an Kommanditistenbeschlüsse, an denen er selbst mitzuwirken hat, aus den Pflichten, die ihm dieses Gesellschaftsverhältnis auferlegt. In beiden Fällen bleibt der Vertreter von den Kommanditisten abhängig; er kann auch durch Beschluß wieder abberufen werden. Der Kommanditgesellschaft gegenüber handelt er im Namen und in Vollmacht der einzelnen Kommanditisten. Vertreter der Kommanditistengruppe als solcher kann er aus Rechtsgründen nicht sein. Die Kommanditisten behalten ihre Kommanditanteile, die Gruppe ist nicht Träger der Kommanditistenrechte. Sie kann es auch nicht dadurch werden, daß ihr die Kommanditisten alle oder einzelne Mitgliedschaftsrechte übertragen. Die Abtretung einzelner Mitgliedschaftsrechte wäre - wenn man von einigen übertragbaren Rechten absieht - gemäß § 717 Abs. 1 BGB unzulässig. Dem Übergang der gesamten Mitgliedschaft stünde § 719 Abs. 1 BGB entgegen; außerdem würde das auf die Mitgliedschaft der Kommanditistengruppe in der Kommanditgesellschaft hinauslaufen. Eine solche Mitgliedschaft wäre rechtlich nicht möglich, weil eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht Mitglied einer anderen Personengesellschaft sein kann (A. Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 3. Aufl. S. 18 m.w.N.).

Die Bindung der Kommanditisten an das Gebot zur einheitlichen Ausübung der Rechte wirkt sich auf andere Weise aus: Die Kommanditisten sind nur mit der Maßgabe, zur Bevollmächtigung des Vertreters befugt, daß sie die Vertretungsmacht auf die einheitliche Ausübung der Mitgliedschaftsrechte beschränken. Der Kommanditgesellschaft gegenüber sind alle Rechtshandlungen des Vertreters der Kommanditgesellschaft unbeachtlich, mit denen gleiche Kommanditistenrechte nicht in gleicher Weise geltend gemacht werden. Im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Kommanditisten sind alle Weisungen an den Vertreter für diesen unverbindlich, denen kein wirksamer Beschluß zur einheitlichen Wahrnehmung der Rechte zugrunde liegt; selbständige Weisungen einzelner Kommanditisten sind für den Vertreter ohne rechtliche Wirkung.

Daraus ergibt sich, daß die Mitgliedschaftsrechte der Kommanditisten zwar eingeschränkt werden. Sie bleiben aber, ohne ganz oder teilweise abgespalten zu werden, der Substanz nach voll in der Hand der einzelnen Kommanditisten. Die bloße Beschränkung des Ausübungsrechts liegt in den Grenzen, in denen das - von besonderen Ausnahmefällen abgesehen - gesellschaftsrechtlich zulässig ist.

c)

Die Annahme der Revision, die Vertreterklausel sei unzulässig, weil die Kommanditisten rechtlos gestellt werden könnten, wenn sie sich auf keinen Vertreter einigen können, ist unbegründet.

Weil die Kommanditisten ihre Rechte nur durch einen Vertreter, der von ihnen allen beauftragt sein muß, wahrnehmen können, hat jeder Kommanditist auf Grund des Gesellschaftsvertrages gegen die Mit-Kommanditisten einen Rechtsanspruch, bei der Ernennung des Vertreters mitzuwirken. Sind die anderen Kommanditisten hierzu nicht bereit oder kommt eine Einigung auf eine bestimmte Person nicht zustande, so kann er selbst einen geeigneten Vertreter benennen und auf die Zustimmung der anderen Kommanditisten klagen. Können diese keine beachtlichen Bedenken gegen dessen Person vorbringen oder keine objektiv geeignetere Person vorschlagen, dann muß eine Klage Erfolg haben; die Zustimmung der anderen Kommanditisten wird dann durch das rechtskräftige Urteil ersetzt.

d)

Bedenke .gegen die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertreterklauseln sind nach alledem nicht begründet. Gegen die Wirksamkeit von Klauseln, die nur Kommanditisten betreffen, wird auch - soweit ersichtlich - im Schrifttum nichts eingewandt (Hueck ZfH 125, 1 ff; Weipert in RGRK-HGB 2. Aufl. Anm. 21 zu § 177 HGB; Schlegelberger/Geßler 4. Aufl. Anm. 8 zu § 177 HGB; Baumbach/Duden 17. Aufl. Anm. 1 zu § 166 HGB). Die umstrittene Frage, ob die Rechte persönlich haftender Gesellschafter durch eine Vertreterklausel gebunden werden können, hat eine andere Problematik und braucht daher hier nicht erörtert zu werden.

3.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, daß es sich nicht um die Auswirkung der Vertreterklausel auf die allgemeinen Stimm-, Mitverwaltungs- und Kontrollrechte der Kommanditisten und auf den normalen Geschäftsgang der Gesellschaft handelt, sondern das Recht der Klägerin zur persönlichen Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte im Prozeßfall bestritten wir. Das Berufungsgericht hat grundsätzlich angenommen, daß sich die Vertreterklausel auch auf das Prozeßführungsrecht der Kommanditisten erstreckt. Dies bedarf aber einer näheren Prüfung.

Zu einer Entrechtung der Klägerin hinsichtlich ihrer Rechte könnte es allerdings entgegen der Ansicht der Revision nicht führen, wenn sich die Klägerin im Prozeßfall auf einen Vertreter verweisen lassen müßte. Der Vertreter selbst darf es nicht ablehnen, die Ansprüche zu erheben und notfalls Klage zu erheben, sofern ihn die Kommanditisten nach Beschlußfassung dazu anweisen. Weigert er sich dennoch, so macht er sich schadensersatzpflichtig; unter Umständen kann er abberufen und ein anderer Vertreter bestellt werden. Schwieriger ist es, wenn ein Beschluß der Kommanditisten nicht zustandekommt. Auch dieses Hindernis ist aber nicht schlechthin unüberwindbar. Nach dem Zweck des Zusammenschlusses ist jeder Kommanditist verpflichtet, seinen Mit-Kommanditisten dazu zu verhelfen, berechtigte Ansprüche gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaftern durchzusetzen. Weigert sich ein Kommanditist in einem solchen Falle, einer Weisung an den Vertreter zuzustimmen, dann ist das ein Verstoß gegen diese Verpflichtung und das Treueverhältnis, das die Kommanditisten miteinander verbindet. Sein Widerspruch wäre daher unbeachtlich, seine Zustimmung könnte im Wege der Klage erzwungen werden. Besteht der Anspruch, dessen Durchsetzung der beklagte Kommanditist seine Stimme verweigert hat, dann ist diese Klage begründet. Mit Rechtskraft des Urteils gilt seine Zustimmung als erklärt. Der Vertreter ist dann gehalten, die Ansprüche - notfalls in einem weiteren Prozeß mit der Gesellschaft oder den geschäftsführenden Gesellschaftern - geltend zu machen. Wird die Klage gegen den (oder die) sich weigernden Kommanditisten dagegen abgewiesen, weil der Anspruch in Wahrheit nicht besteht und die Weigerung infolgedessen nicht pflichtwidrig war, dann entsteht dem Kommanditisten, der sich des Anspruchs berühmte, kein Nachteil, wenn er nun nicht gegen die Gesellschaft, oder die geschäftsführenden Gesellschafter klagen kann.

Die Möglichkeit, die Vertreterklausel auf das Prozeßführungsrecht der Kommanditisten zu erstrecken, kann daher aus dem Gesichtspunkt der "Entrechtung" nicht ausgeschlossen werden. Bei der Prüfung der Frage, ob die Klausel in einer Kommanditgesellschaft so weit auszudehnen ist, darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß es für die Kommanditisten unter Umständen so schwer sein kann, die auftretenden Schwierigkeiten mit rechtlichen Mitteln zu überwinden, daß dies die Grenze des Zumutbaren übersteigen würde. Eine große Erschwerung ist es schon allein, daß es möglicherweise zweier Prozesse bedarf, um einen Anspruch durchzusetzen: den Prozeß gegen widersprechende Mit-Kommanditisten und den weiteren gegen die Gesellschaft. Im Rechtsstreit gegen die widersprechenden Kommanditisten kann der klagende Kommanditist aus prozessualen Gründen der Gesellschaft den Streit nicht verkünden. Da er somit eine Interventionswirkung, die den zweiten Prozeß erleichtern könnte, nicht erzielen kann, hat er ein volles doppeltes Prozeßrisiko. Vor allem kann aber der Streit der Kommanditisten, ob Ansprüche berechtigt sind und geltend gemacht werden sollen, noch zu weitergehenden Schwierigkeiten führen, wenn ein Mit-Kommanditist das Vertreteramt innehat - eine Regelung, die häufig vorkommt und den Kommanditisten im vorliegenden Gesellschaftsvertrag nahegelegt worden ist. Widerspricht auch der Kommanditisten-Vertreter und muß er erst im Prozeßwege gezwungen werden, seinen Widerspruch aufzugeben, dann kann es schon zweifelhaft sein, ob er dann überhaupt noch als weiter vertretungsbefugt angesehen werden kann. Es ließe sich immerhin die Ansicht vertreten, daß an seine -Stelle ein anderer Vertreter treten muß oder der den Anspruch erhebende Kommanditist ausnahmsweise berechtigt ist, selbst den Prozeß gegen die Gesellschaft zu führen. Nimmt man aber an, der Interessenwiderstreit stehe der weiteren Amtsausübung des Kommanditisten-Vertreters nicht entgegen, dann käme dieser in die mißliche Lage, im Namen seines Mit-Kommanditisten einen Prozeß gegen die Gesellschaft zu führen, den er selbst mißbilligt; die Befürchtung, daß er diesen Rechtsstreit nicht mit der gebotenen Loyalität führen würde, läge nahe. Nach alledem können hinsichtlich der Prozeßführüng eine große Zahl von rechtlichen Unklarheiten und praktischen Schwierigkeiten auftreten, die einem Kommanditisten Unzumutbares aufbürden; auch die Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft können hierdurch vor Situationen gestellt werden, die mit dem Sinn der Vertreterklausel, die Dinge zu vereinfachen, nicht vereinbar sind. Deshalb kann einer Vertreterklausel nicht ohne weiteres der Sinn beigemessen werden, auch die persönliche Prozeßführungsbefugnis der Kommanditisten auszuschließen. Diese Auswirkungen kann sie vielmehr nur dann haben, wenn das im Gesellschaftsvertrag besonders bestimmt ist und die unzumutbaren Unklarheiten und Schwierigkeiten durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung beseitigt sind, die hinreichend klarstellt, wie das Prozeßführungsrecht des Kommanditisten in Konfliktsfällen der aufgezeigten Art gestaltet sein soll. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine solche

Regelung, dann bleibt das persönliche Prozeßführungsrecht der Kommanditisten uneingeschränkt erhalten; die Klausel kann sich dann nur auf die übrigen Kommanditistenrechte erstrecken.

Im vorliegenden Falle ist die Vertreterklausel nur ganz allgemein gehalten; über das Prozeßführungsrecht der Kommanditisten enthält sie nichts. Die Klägerin ist daher in vollem Umfange berechtigt, die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.

II.

Der Anspruch der Klägerin auf Berichtigung des Privatkontos muß daher in vollem Umfange sachlich-rechtlich nachgeprüft werden.

1.

Die Klägerin leitet ihre Ansicht, ihr Privatkonto sei zu Unrecht verkürzt, zu einem Teil daraus her, daß die Beklagten eine zu hohe Tätigkeitsvergütung bezogen hätten. Jeder der beiden Beklagten hatte zunächst - auch nach Ansicht der Klägerin zu Recht - eine Vergütung von 1.000,--DM monatlich erhalten. Seit dem 1. April 1959 haben sie stattdessen je 1.400,--DM monatlich entnommen. Dazu haben sie sich zunächst darauf berufen, der Gesellschafter Wilhelm I. sen. habe das angeordnet und gemäß § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags auch wirksam anordnen können. Diese Ansicht ist nicht richtig. Nach jener Vertragsbestimmung war Wilhelm I. sen. zwar befugt, selbständig alle Handlungen der Geschäftsführung vorzunehmen, und zwar auch solche, die über den gewöhnlichen Umfang des Geschäftsbetriebes hinausgingen. Die Neufestsetzung des Geschäftsführergehalts ist aber keine Geschäftsführungsmaßnahme, sondern eine Änderung des Gesellschaftsvertrages. Eine solche Änderung bedurfte, wie sich aus § 19 des Vertrages ergibt, eines einstimmigen Beschlusses aller Gesellschafter. Deshalb konnte Wilhelm I. sen. die Vergütung nicht einseitig erhöhen. Ebensowenig waren die Beklagten nach dessen Tod allein dazu berechtigt.

In der Gesellschafterversammlung vom 1. März 1963 ist allerdings ein Beschluß gefaßt worden, der die Gehaltserhöhung für Vergangenheit und Zukunft bestätigen sollte. Dieser Beschluß ist mit den Stimmen der beiden Beklagten und der Kommanditistin Luise I. (die auch Vollmacht der Kommanditistin Renate I. hatte) gefaßt worden, nachdem die Beklagten ein persönliches Stimmrecht der anwesenden Klägerin abgelehnt und erklärt hatten, sie betrachteten Luise I. als Vertreterin der Kommanditistengruppe. Ob die Klägerin dem zugestimmt hat und der Beschluß wirksam war, hat das Berufungsgericht dahingestellt sein lassen. Es meint, die Klägerin müsse sich jedenfalls nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob sie zugestimmt habe und der Beschluß wirksam sei; denn sie habe selbst (im Verlaufe des Prozesses) die Auffassung bekundet, die monatliche Vergütung von 1.400,--DM sei angemessen.

Dem kann nicht gefolgt werden. Ein Gesellschafter ist in seiner Entschließung, ob er einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zustimmen will, grundsätzlich frei. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen ist er, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (BGHZ 44, 40, 41 m.w.N.), unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treupflicht gehalten, sich mit einer Vertragsänderung einverstanden zu erklären; im wesentlichen kommt das nur in Betracht, wenn es für eine verständige Weiterverfolgung des Vertragszwecks dringend geboten ist, den Vertrag an veränderte Verhältnisse anzupassen. Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß solche Voraussetzungen gegeben wären. Die Äußerung der Klägerin, die Erhöhung der Vergütungen sei im Hinblick auf die allgemeine Entwicklung angemessen, muß nicht ohne weiteres bedeuten, daß sie diese auch im Gesellschaftsinteresse für geboten gehalten hätte. Jedenfalls könnte ihr unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich einer Gesellschafterentschließung widersetzen würde, mit der die übrigen Gesellschafter ihr gesellschaftliches Grundrecht, über eine Vertragsänderung (selbst oder durch einen Vertreter) verantwortlich mit zu entscheiden, übergangen haben sollten. Es kommt daher darauf an, ob der Gesellschafterbeschluß vom 1. März 1963 wirksam zustandegekommen ist. Die Klägerin hat bestritten, der Erhöhung der Vergütungen zugestimmt zu haben. Das Versammlungsprotokoll enthält über ihre Zustimmung nichts. Der Beschluß könnte daher nur wirksam sein, wenn die Klägerin es widerspruchslos hingenommen hätte, daß die Beklagten die Witwe Luise I. als Kommanditisten-Vertreterin behandelt haben und diese in dieser Eigenschaft der Erhöhung zugestimmt hat. Das Schweigen der Klägerin wäre unter diesen Umständen möglicherweise als Bevollmächtigung von Luise I. anzusehen. In dieser Hinsicht enthält das angefochtene Urteil aber keine Feststellungen. Der Protokollinhalt läßt keine hinreichenden Schlüsse zu. Es bedarf daher noch einer tatrichterlichen Aufklärung dieser Vorgänge, bevor abschließend festgestellt werden kann, ob die Gesellschafter die Gehaltserhöhung wirksam beschlossen haben oder die Klägerin die Höhe der Gehälter und die sich daraus ergebende Verkürzung ihres Privatkontos zu Recht beanstandet.

2.

Die Klägerin hält ihr Privatkonto ferner deshalb für unrechtmäßig verkürzt, weil die Beklagten mit der Vorwegvergütung, die Luise I. nach dem Gesellschaftsvertrag zustand und gezahlt worden ist, nicht nur deren Privatkonto, sondern anteilmäßig die Privatkonten aller drei Kommanditisten belastet haben. Das Berufungsgericht hat demgegenüber diese Art der Verrechnung gebilligt. Der Gesellschaftsvertrag besage zwar nicht ausdrücklich, daß so verfahren werden solle. Im Wege der Auslegung ergebe sieh aber, daß die Erben eines persönlich haftenden Gesellschafters weitgehend als einheitlicher Gesellschafterstamm zu behandeln seien und daher auch die Vorwegvergütung von Luise I. zu Lasten der Gewinnanteile aller drei Erben-Kommanditisten habe gehen sollen. Das ist eine Vertragsauslegung, die möglich ist Das Revisionsgericht ist deshalb an sie gebunden. Indem die Revision jener Bestimmung einen anderen Sinn beilegen möchte, versucht sie, ohne Rechtsfehler darzutun, ihre eigene, nicht zwingende Auslegung an die Stelle derjenigen zu setzen, die der Tatrichter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände vorgenommen hat. Das ist revisionsrechtlich unzulässig.

3.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin ihren Klaganspruch auch nicht darauf stützen, daß die Kommanditistin Luise I. eine zu hohe Vorabvergütung erhalten habe. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte die zu den Erben gehörende Witwe eines verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters berechtigt sein, sich die Hälfte der dem Verstorbenen zugestandenen Vergütung auszahlen zu lassen. Da Wilhelm I. jun. zuletzt eine monatliche Vergütung von 1.000,--DM erhalten hat, wäre das ein Betrag von 500,--DM gewesen. Tatsächlich hat Luise I. aber seit einem Gesellschafterbeschluß vom 23. Dezember 1958 700,--DM erhalten. Ob dieser Gesellschafterbeschluß wirksam geworden ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Es hat die Erhöhung unabhängig davon für gerechtfertigt gehalten, weil die Geschäftsführergehälter der Beklagten auf 1.400,--DM monatlich heraufgesetzt worden seien und der Gesellschaftsvertrag dahin ausgelegt werden müsse, daß die Vergütung Luise I. ohne weiteres im selben Verhältnis angehoben werde, wenn die Gesellschafter bei steigenden Lebenshaltungskosten die Geschäftsführergehälter erhöhen.

Soweit das Berufungsgericht den Gesellschaftsvertrag dahin auslegt, daß die Witwenvergütung automatisch an die Geschäftsführergehälter gekoppelt sei, ist das Revisionsgericht gebunden, da die Auslegung möglich ist und auf keinem Rechtsfehler beruht. Da aber noch ungeklärt ist, ob die Geschäftsführergehälter am 1. März 1963 rechtswirksam heraufgesetzt worden sind, kann auch noch nicht abschließend festgestellt werden, welchen Vergütungsanspruch Luise I. aus diesem Gesellschafterbeschluß mittelbar herleiten kann. Sollte sich ergeben, daß jener Beschluß wirksam zustandegekommen ist, dann ist auch der Vergütungsanspruch Luise I. in Höhe von 700,--DM begründet gewesen. Stellt sich aber im weiteren Verfahren heraus, daß die Geschäftsführergehälter der Beklagten nicht rechtswirksam angehoben worden sind, dann muß sich das Berufungsgericht noch mit der bisher nicht erörterten Frage befassen, ob und für welchen Zeitraum Luise I. auf Grund des Gesellschafterbeschlusses vom 23. Dezember 1958 einen monatlichen Vergütungsanspruch von 700,--DM erworben hat.

4.

Sollte sich ergeben, daß die Klägerin ihren Anspruch auf Berichtigung ihres Privatkontos nicht oder nur zum Teil darauf stützen kann, daß die Beklagten und Luise I. zu hohe Vergütungen bezogen haben, so kommt es noch darauf an, ob sich die Klägerin darauf berufen kann, das Privatkonto Wilhelm I. sen. sei zu Unrecht mit Pachtrückstellungen nicht belastet, ihr Konto dagegen dementsprechend zu hoch belastet worden. Mit dieser Frage hat sich das Berufungsgericht bisher nicht befaßt. Dies muß gegebenenfalls nachgeholt werden.

III.

Das angefochtene Urteil läßt sich daher nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht aufrechterhalten.

Auf die Revision der Klägerin muß es aufgehoben werden. Damit der Rechtsstreit abschließend entschieden werden kann, müssen zunächst die oben erörterten tatrichterlichen Feststellungen getroffen werden. Hierzu ist die Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision bleibt dem Berufungsgericht überlassen, weil sie vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt.

 

Unterschriften

Dr. Kuhn

Liesecke

Dr. Bukow

Fleck

Stimpel

 

Fundstellen

BGHZ, 291

NJW 1967, 1908

NJW 1967, 826

DNotZ 1967, 762

MDR 1967, 286

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