Leitsatz (amtlich)

Billigt der Gläubiger einem notleidenden Schuldner im Rahmen eines gegenseitigen Vertragsverhältnisses eine Preiserhöhung zu, so entsteht daraus für den Schuldner kein steuerbefreiter Sanierungsgewinn.

 

Orientierungssatz

1. NV: Ein Prozeßbeteiligter ist nicht gehindert, gleichzeitig als gesetzlicher Vertreter eines anderen Prozeßbeteiligten aufzutreten. In einem vom gesetzlichen Vertreter der Personengesellschaft angestrengten Klageverfahren gegen einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid kann und muß erforderlichenfalls auch der Vertreter (als Gesellschafter) gemäß § 60 Abs. 3 FGO beigeladen werden, sofern sich nicht ergibt, daß er die Klage auch in eigenem Namen erhoben hat (vgl. BFH-Urteil vom 26.3.1980 I R 87/79).

2. NV: Ist nach Erhebung der Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid durch eine Personengesellschaft über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden, so verbleibt die Prozeßführung bei der Personengesellschaft. Die Personengesellschaft, die durch die Konkurseröffnung aufgelöst worden ist, wird nunmehr durch sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren vertreten (vgl. BFH-Rechtsprechung).

3. NV: Ist eine in Konkurs geratene GmbH aufgelöst und danach im Handelsregister gelöscht worden, so hindert dies nicht ihren rechtlichen Fortbestand im Hinblick auf ihre Beteiligung an einem steuerlichen Rechtsmittelverfahren (vgl. Rechtsprechung: BFH, BayObLG). Das FG hatte im Streitfall für die GmbH einen Prozeßpfleger bestellt. Dieser konnte dem Prozeßbevollmächtigten wirksam Prozeßvollmacht erteilen.

4. NV: Geht während eines gerichtlichen Verfahrens die behördliche Zuständigkeit auf ein anderes FA über, so wird das andere FA Beteiligter des Verfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.1971 I R 5/69).

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 66; FGO § 60 Abs. 3, § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 63 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ein Bauunternehmen. Sie führte Arbeiten vor allem für zwei Hauptauftraggeber durch. Ende 1969 geriet sie in finanzielle Schwierigkeiten. Sie machte in diesem Zusammenhang ihre Hauptauftraggeber darauf aufmerksam, daß die mit ihnen vereinbarten Festpreise für die zum Teil bereits ausgeführten Bauarbeiten wegen zwischenzeitlich eingetretener Preissteigerungen bei Löhnen und Material nicht auskömmlich seien und daß sie Konkurs anmelden müsse, wenn ihr nicht eine Preiserhöhung zugebilligt würde. Die beiden Auftraggeber stimmten daraufhin im Juni 1970 Preiserhöhungen von insgesamt 4 950 000 DM zu.

Die Klägerin sah in der Mehrleistung ihrer Auftraggeber einen steuerfreien Sanierungsgewinn. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nach einer Betriebsprüfung nicht, sondern berücksichtigte die Leistungen in der Gewinnfeststellung 1970 als steuerpflichtigen Ertrag. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

++/ Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, Klage zum Finanzgericht (FG); Prozeßbevollmächtigter war der Steuerberater X. Nach Einreichung der Klage wurde im Jahre 1977 über das Vermögen der Klägerin das Konkursverfahren eröffnet. Die Komplementär-GmbH fiel ebenfalls in Konkurs; dieses Verfahren wurde in der Folge mangels Masse eingestellt. Die GmbH ist inzwischen im Handelsregister gelöscht worden. Kommanditisten waren im Streitjahr die Z-GmbH und die bereits im April 1970 ausgeschiedene A-GmbH.

Nach Konkurseröffnung bestellten sich die Rechtsanwälte B und C zu Prozeßbevollmächtigten der Klägerin; sie stützten sich dabei auf eine von der Z-GmbH als früherer Kommanditistin ausgestellte Vollmacht. Der Vorsitzende des FG-Senats veranlaßte, daß die Rechtsanwälte eine Untervollmacht des bisherigen Prozeßbevollmächtigten vorlegten. Zusätzlich bestellte er für die Komplementär-GmbH einen Prozeßpfleger; die Rechtsanwälte B und C brachten daraufhin auch eine Prozeßvollmacht des Pflegers bei.

In der Folge lud das FG die Komplementär-GmbH und die früheren Kommanditisten, die Z-GmbH sowie die A-GmbH, gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bei. Danach wies es die Klage ab.

Mit der von den Rechtsanwälten B und C für die Klägerin eingelegten Revision wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.

Während des Revisionsverfahrens ist das bisher beteiligte FA D aufgeteilt worden. Die Zuständigkeit ist auf das neu gebildete FA D II übergegangen. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. /++

 

Entscheidungsgründe

++/ Die Revision ist zulässig; sie ist von den Prozeßbevollmächtigten wirksam für die Klägerin erhoben worden.

Die Klägerin hat durch die Konkurseröffnung nicht ihr auf § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO beruhendes Klagerecht gegenüber dem ihre Gesellschafter betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid verloren. Sie handelte bei der Wahrnehmung dieses Rechts in Prozeßstandschaft für ihre Gesellschafter (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15), da sie nicht eigene, sondern Vermögensinteressen ihrer Gesellschafter wahrnahm. Hierauf erstreckt sich das Verwaltungsrecht und Verfügungsrecht des Konkursverwalters nicht. Die Prozeßführung verbleibt infolgedessen der Personengesellschaft, die durch die Konkurseröffnung allerdings aufgelöst worden ist und nunmehr durch sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren vertreten wird (BFH-Urteile vom 21. Juni 1979 IV R 131/74, BFHE 128, 322, BStBl II 1979, 780; vom 21. Januar 1982 IV R 146/78, BFHE 135, 386, BStBl II 1982, 506). Da das anhängige Verfahren nicht die Konkursmasse betrifft, ist es auch nicht entsprechend den § 155 FGO, § 240 der Zivilprozeßordnung (ZPO) durch die Konkurseröffnung unterbrochen worden.

Den Prozeßbevollmächtigten ist wirksam Prozeßvollmacht erteilt worden. Gesellschafter der Klägerin waren zuletzt die Komplementär-GmbH und die Z-GmbH; diese sind die Liquidatoren der Klägerin. Die Komplementär-GmbH war allerdings selbst in Konkurs geraten, aufgelöst und danach wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden. Dies hindert aber nicht ihren rechtlichen Fortbestand im Hinblick auf ihre Beteiligung an einem steuerlichen Rechtsmittelverfahren (BFH-Urteil vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 2. Februar 1984 3 Z 192/83, Der Betrieb 1984, 870). Das FG hat von der im Urteil in BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587 aufgezeigten Möglichkeit Gebrauch gemacht und für die Komplementär-GmbH einen Prozeßpfleger bestellt. Dieser hat den Prozeßbevollmächtigten Vollmacht erteilt. Es kann davon ausgegangen werden, daß dies nicht nur für die zum Prozeß beigeladene Komplementär-GmbH, sondern auch mit Wirkung für die Klägerin geschehen ist; seitens der als Kommanditistin beteiligten GmbH ist ebenfalls Vollmacht erteilt worden. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob die Prozeßbevollmächtigten auch aufgrund der Untervollmacht des früher bestellten Prozeßbevollmächtigten X zur Einlegung der Revision befugt waren.

Nach Änderung der behördlichen Zuständigkeit ist nunmehr das FA D II Beteiligter des Verfahrens (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1971 I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). /++

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

++/ Zu Unrecht rügt die Klägerin, sie sei im Prozeß vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen (§ 119 Nr. 4 FGO). Ihre gesetzlichen Vertreter in diesem Verfahren waren die verbliebenen Gesellschafter der KG, nämlich die Komplementär-GmbH und die Z-GmbH. Diese waren nicht, wie die Klägerin meint, von einer Tätigkeit für sie dadurch gehindert, daß sie in eigener Person gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Rechtsstreit beigeladen worden sind. Ob es der Beiladung bedurfte, kann dahinstehen. Ein Prozeßbeteiligter ist jedenfalls nicht gehindert, gleichzeitig als gesetzlicher Vertreter eines anderen Prozeßbeteiligten aufzutreten. Deshalb kann und muß in einem vom gesetzlichen Vertreter der Personengesellschaft angestrengten Klageverfahren gegen einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid erforderlichenfalls auch der Vertreter gemäß § 60 Abs. 3 FGO beigeladen werden, sofern sich nicht ergibt, daß er die Klage auch in eigenem Namen erhoben hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1980 I R 87/79, BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586). /++

Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Zubilligung einer höheren Gegenleistung im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages keine steuerbegünstigte Sanierungsmaßnahme darstellt.

a) Seit dem Körperschaftsteuerreformgesetz vom 31.August 1976 (BGBl I 1976, 2597, BStBl I 1976, 445) ist in § 3 Nr.66 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen, daß Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck einer Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, steuerfrei sind. Eine gleichlautende Regelung enthielt zuvor § 11 Nr.4 des Körperschaftsteuergesetzes in der auch im Streitjahr geltenden Fassung. Diese Regelung war analog auch im Einkommensteuerrecht anzuwenden (BFH-Urteile vom 4.August 1961 VI 35/61 U, BFHE 73, 685, BStBl III 1961, 516; vom 25.Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122; vom 27.September 1968 VI R 41/66, BFHE 94, 186, BStBl II 1969, 102). Hiervon geht auch der Senat aus.

b) Zur Sanierung eines notleidenden Unternehmens können seine Gläubiger in unterschiedlicher Weise beitragen. Sie können auf ihnen zustehende Forderungen verzichten, die Erfüllung von Ansprüchen stunden, Zuschüsse gewähren, eigene Ansprüche aus schwebenden Verträgen herabsetzen oder die eigenen Leistungen aus solchen Verträgen erhöhen. Aus allen diesen Maßnahmen, auch der zinslosen Stundung, können sich früher oder später Vermögensmehrungen für den Schuldner ergeben. Begünstigt ist nach dem Gesetz jedoch allein der Erlaß bereits zugunsten des Gläubigers bestehender Ansprüche. Die Rechtsprechung hat daher den Erlaß bereits aufgelaufener Zinsen, nicht aber die Ermäßigung des Zinssatzes für die Zukunft als steuerbegünstigte Sanierungsmaßnahme angesehen (Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 21.Dezember 1937 I 326/37, RStBl 1938, 239) und dazu auch nicht die Aufhebung eines für den Steuerpflichtigen nachteiligen Lieferungsvertrags gerechnet (RFH-Urteil vom 10.Dezember 1930 VI A 793/30, RStBl 1931, 195). Demgemäß wird auch in der Gewährung eines Zuschusses keine steuerbegünstigte Sanierungsmaßnahme gesehen (Steuck, Betriebsberater --BB-- 1964, 387; Langel, Steuerberater-Jahrbuch 1977/78, 321, 332; Ströfer, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1982, 231, 249; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 3 EStG Anm.450; anderer Ansicht Ott, BB 1969, 705). Zwar mag die durch solche Maßnahmen bewirkte Gewinnerhöhung nicht auf eine entsprechende steuerliche Leistungsfähigkeit hindeuten (Ströfer, StuW 1982, 246). Dies gilt aber nicht mit der gleichen Gewißheit wie für den Schulderlaß als die typische Maßnahme zur Abwehr der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung und damit des Konkurses des Leistungspflichtigen. Die steuerliche Begünstigung des Schulderlasses kann daher nicht auf weitere Stützungsmaßnahmen der Gläubiger ausgedehnt werden. In dieser auf sachlichen Gründen beruhenden Differenzierung liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wie die Klägerin meint.

c) Im Streitfall haben die Gläubiger der Klägerin keinen Schulderlaß gewährt; ihnen stand kein selbständiges Forderungsrecht zu, das Gegenstand eines Erlaßvertrags i.S. von § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hätte sein können.

Zwischen ihnen und der Klägerin bestanden beiderseits noch nicht erfüllte Werkverträge, d.h. auf gegenseitige Leistungen gerichtete Schuldverhältnisse. Diese Schuldverhältnisse sind im Streitjahr durch besondere Verträge inhaltlich abgeändert worden (§ 305 BGB). Dabei ist es nicht zu einer Herabsetzung der von der Klägerin geschuldeten Sachleistung, sondern zur Erhöhung der ihr zustehenden Geldleistung gekommen; die Gläubiger haben mithin nicht auf Ansprüche verzichtet, sondern zusätzliche Pflichten übernommen. Anders als beim Erlaß eines selbständigen Anspruchs ist hierdurch auch nicht bereits eine endgültige Vermögensvermehrung bei der Klägerin eingetreten. Sie hing vielmehr davon ab, daß die Klägerin die ihr obliegenden Leistungen in vollem Umfang erbrachte und dadurch den uneingeschränkten Anspruch auf die Gegenleistung erlangte.

Ob und in welchem Umfang die Klägerin bei Abschluß des Änderungsvertrags bereits Anzahlungen erhalten hatte, ist unerheblich. Diese Vorauszahlungen waren auf die der Klägerin zustehende Vergütung anzurechnen; sie sind von den Vertragsparteien der Klägerin nicht erlassen worden. Die insoweit von der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge ist unbeachtlich, da es auf diese Frage für die Entscheidung nicht ankommt (§ 115 Abs.2 Nr.3 FGO). Ebenso ist durch den Vertrag nicht auf künftige Schadensersatzforderungen verzichtet worden, die nach Meinung der Klägerin bei der drohenden Einstellung der Bauarbeiten für ihre Vertragspartner entstanden wären; solche Forderungen sollten durch den Änderungsvertrag gerade abgewendet werden. Ob der Erlaß erst künftig entstehender Forderungen überhaupt zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen kann (dazu RFH-Urteil in RStBl 1938, 239), braucht daher nicht entschieden zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61054

BStBl II 1985, 365

BFHE 143, 267

BFHE 1985, 267

BB 1985, 1179-1180 (LT)

DB 1985, 1322-1322 (LT)

DStR 1985, 417-417 (ST)

HFR 1985, 308-309 (ST)

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