Leitsatz (amtlich)

Die Frage, in welchem Verhältnis der in RM gezahlte Einkaufspreis für eine eingeführte Ware bei der Festsetzung einer nach der Währungsumstellung entstandenen Umsatzausgleichsteuerschuld umzurechnen ist, hat weder das Währungsgesetz noch das Währungsumstellungsgesetz unmittelbar geregelt. Nach dem Sinn der Währungsumstellungs-Regelung ist der tatsächlich gezahlte RM-Preis für die Berechnung allein maßgebend. Er ist im Verhältnis 10:1 in DM umzurechnen.

 

Normenkette

Währungsgesetz § 2; II. Teil des Währungsumstellungsgesetzes; Umsatzausgleichsteuer-Ordnung § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) führte in der Zeit vom 24. Juni bis 15. Juli 1948 über das Zollamt insgesamt 357,223 kg rohe, trockene Rindshäute der Tarif-Nummer 153 des Gebrauchszolltarifs (zollfrei) in 29 Teilposten ein. Den Erwerbspreis von insgesamt 180 530 RM gab sie in den Erklärungen zur Umsatzausgleichsteuer (§ 11 Absatz 1 der Umsatzausgleichsteuer-Ordnung vom 23. März 1939, Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 615) in voller Höhe in DM an. Demgemäß berechnete das Zollamt die Umsatzausgleichsteuer auf insgesamt 5415,90 DM und belastete damit das Aufschubkonto der Bfin. Auf deren Antrag vom 15. Juli 1948 verfügte das Zollamt unter dem 6. August 1948 die Erstattung (Gutschrift) von 9/10 des belasteten Betrages mit 4875,35 DM, da der Oberfinanzpräsident inzwischen die Umstellung solcher Beträge im Verhältnis 10:1 angeordnet hatte. Nachdem die dieser Anordnung zugrunde liegende Rechtsauffassung fallen gelassen worden war, forderte das Zollamt mit Zollbescheid vom 24. Oktober 1949 von der Bfin. die Nachzahlung der gutgeschriebenen 4 875,35 DM.

Der Einspruch der Bfin. hiergegen, begründet mit der nach einem Jahr nicht mehr rückforderbaren Vergütung des Unterschiedes an ihre Kunden und dem Abzug von 3 % Umsatzausgleichsteuer vom Erwerbspreis nur in RM bei der Verrechnung mit der Außenhandelskasse in Frankfurt am Main, wurde vom Hauptzollamt mit Einspruchsbescheid vom 21. November 1949 zurückgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Die Berufung wurde wie folgt begründet:

1. Nach der Reichsabgabenordnung (AO) sei es nicht möglich, einen geänderten Bescheid noch einmal zu ändern, indem man den ersten Bescheid wiederherstellt.

2. Die Umsatzausgleichsteuer sei nach dem in RM gezahlten Erwerbspreis, also unter Umstellung des Rechnungsbetrages im Verhältnis 1:10 zu erheben, da der Wert hier nicht Berechnungsgrundlage sei.

Wegen des übrigen Vorbringens der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 16. Januar 1950 Bezug genommen.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück.

Formell erklärte es, die Rücknahme des Erstattungsbescheides und die Wiederherstellung der ersten Steuerforderung nach Änderung der ursprünglichen Rechtsauffassung des Oberfinanzpräsidenten als Aufsichtsbehörde gemäß § 94 Absatz 1 Ziffer 1 in Verbindung mit § 223 AO für zulässig, wie auch der Reichsfinanzhof in seinem Urteil vom 13. Oktober 1939 V z 79/38 (Slg. Bd. 47 S. 294) entschieden habe.

Materiell sei die Forderung berechtigt, weil es sich hier nicht um die Umstellung einer Reichsmark forderung, sondern darum handle, daß bei der nach dem 21. Juni 1948 entstandenen Umsatzausgleichsteuerschuld an Stelle der in den rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Bfin. verwendeten Rechnungseinheit RM die Rechnungseinheit DM getreten sei. In dem diese Entscheidung tragenden Abschnitt der Urteilsgründe (dort S. 8) begründet das Finanzgericht die Richtigkeit seiner Berechnung nach vollem DM-Preis aus dem Wortlaut des § 4 Absatz 1 Satz 3 der Umsatzausgleichsteuer-Ordnung in Verbindung mit § 2 Absatz 1 des Militärregierungsgesetzes (MilRegG) Nr. 61 (Währungsgesetz) unter eingehender Begründung der Nichtanwendbarkeit des Währungsumstellungsgesetzes Nr. 63, vor allem des § 16, und unter Würdigung des rechtlichen Wesens des Erwerbspreises als Berechnungsgrundlage für die Umsatzausgleichsteuer. Die folgenden Abschnitte (S. 9 der Gründe) erörtern, daß diese Entscheidung sowohl mit dem Sinn der Umsatzausgleichsteuer als auch mit der Regelung des § 4 der Umsatzausgleichsteuer-Ordnung bezüglich der subsidiären Berechnungsgrundlage des Wertes übereinstimmt. In einem weiteren Absatz wird als hilfsweise Begründung ausgeführt, daß zu dem nach § 4 Absatz 1 maßgebenden Zeitpunkt ein RM-Erwerbspreis rechtlich kein gültiger Erwerbspreis im Sinne der Umsatzausgleichsteuer-Bestimmungen mehr war, so daß der Wert der Ware zugrunde zu legen wäre, wenn man die Anwendung des § 2 des Währungsgesetzes verneint. Endlich zieht das Finanzgericht nur die Folgerung aus dem vorher Gesagten, indem es eine Benachteiligung der Bfin. auf jeden Fall verneint. Der Lastenausgleich stehe der Erhebung der Umsatzausgleichsteuer nach dem Verhältnis 1 DM = 1 RM nicht entgegen.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hiergegen ist durch die Schriftsätze vom 17. April 1950, 21. Juli 1950 und 23. August 1950 begründet. Am 20. Mai/22. September 1950 hat die Bfin. mündliche Verhandlung beantragt.

In ihr wurde vorgetragen:

A. Formal.

Unter Hinweis auf das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs vom 28. August 1950 II z D 2/50, die Urteile des Reichsfinanzhofs vom 20. April 1933 IV A 92/32 (Slg. Bd. 33 S. 206), vom 11. Juli und 26. September 1928 IV A 91 und 162/28 (Slg. Bd. 24 S. 27 und 129), und das Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 15. Mai 1929 IV D 1/29 (Slg. Bd. 25 S. 220) bestreitet die Bfin. die formale Zulässigkeit der Wiederherstellung des ersten Zollbescheides. Wenn schon eine Erstattung aus Billigkeitsgründen nur nach § 96 AO zurückgenommen werden könne, wieviel mehr müsse das für eine Erstattung aus Rechtsgründen gelten? Da das Zollamt der Anfechtung durch den Bescheid vom 6. August 1948 abgeholfen habe und die Abhilfe nach dem Reichsfinanzhof einer Rechtsmittelentscheidung gleichstehe, sei die erneute Inanspruchnahme der Bfin. aus diesem Steuerrechtsfall ausgeschlossen.

B. Materiell.

Weder das Währungsgesetz Nr. 61 noch das Währungsumstellungsgesetz Nr. 63 können unmittelbar angewendet werden, da die dortigen Regelungen den vorliegenden Fall nicht umfaßten. Die Steuerforderung sei unstreitig in DM entstanden, aber die Berechnungsgrundlage sei eine in RM beglichene RM-Zahlung. Die Entscheidung müsse also aus dem Geist der Währungsgesetze frei gefunden werden; so auch Harmening-Duden, Deutsche Währungsgesetze, Anm. 32 Absatz 7 zu § 13 des Währungsumstellungsgesetzes (S. 195/96) und das englische board of review in Herford (in Restitutionssachen, abweichend vom amerikanischen Obersten Gerichtshof). Sie sei vorgezeichnet in den Urteilen des Obersten Finanzgerichtshofs vom 19. April 1950 II 35/49 S (Gesellschaftsteuer) und II 16/50 S (Grunderwerbsteuer) -- Steuerrechtskartei Rechtspr. 2 zu § 10 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) --, in denen die in RM gezahlte Berechnungsgrundlage für die Steuern im Verhältnis 10:1 umgerechnet sei.

Der Lastenausgleich müsse hier außer Betracht bleiben.

Im übrigen wiederholt die Bfin. ihr Vorbringen im Einspruch.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb hat Erfolg.

Zu A.: Die Änderung -- auch die mehrfache -- eines Bescheides nach § 94 AO ist nur durch die dort vorgesehenen Bestimmungen eingeschränkt. Denn § 93 AO bestimmt als Grundsatz das freie Recht der Behörde zur Zurücknahme oder Änderung von Verfügungen.

Hier hat das Zollamt auf die Bitte der Bfin. um Erstattung von neun Zehnteln der gezahlten Umsatzausgleichsteuer vom 15. Juli 1948 durch Erstattungsbescheid vom 6. August 1948 diesen Betrag auf Grund der Anweisung des Oberfinanzpräsidenten der Bfin. wieder gutschreiben lassen (§ 94 Absatz 1 Ziffer 1 in Verbindung mit § 235 Ziffer 5 AO), und zwar aus vermeintlichen Rechtsgründen. Dieser Bescheid enthält keine Anerkennung im Sinne des § 96 AO. Seine erneute Rücknahme ist also nicht verboten. Sie stellt die Bfin. sachlich auch nicht schlechter als eine nach längerer Zeit erfolgende erstmalige Rücknahme. In beiden Fällen kann der Betroffene die nachträgliche Belastung nicht mehr abwälzen. Daß die zweite Rücknahme auf Anordnung des Oberfinanzpräsidenten geschah, der die erste Änderung auf Grund einer nunmehr berichtigten Rechtsauffassung veranlaßt hatte, macht sie nicht unzulässig.

Der Hinweis der Bfin., daß eine Erstattung aus Rechtsgründen selbstverständlich nur nach § 96 AO zurückgenommen werden könne, wenn das schon für eine Erstattung aus Billigkeitsgründen gelte, geht am Kern der Regelung vorbei. Der Steuerpflichtige (Stpfl.) hat Anspruch darauf, daß ihm eine einmal gewährte Vergünstigung nicht ohne weiteres wieder entzogen werden kann. Es kann aber bei der Besonderheit der Zollerhebung und der Verbrauchsbesteuerung der Behörde nicht verwehrt werden, Irrtümer der Dienststellen bei der Besteuerung, auch über die Rechtsanwendung, durch einfache Änderung oder Aufhebung des Bescheides zu beseitigen. Das ist im § 94 Absatz 1 AO gesetzlich festgelegt. Es findet nach Absatz 4 dort seine Grenze in den Rechtsmittelentscheidungen des Finanzgerichts oder der Oberfinanzdirektion.

Das Schreiben der Bfin. vom 15. Juli 1948 ist an sich keine Anfechtung und zweifellos auch nicht als solche gemeint. Das Hauptzollamt hat der Bitte entsprochen und Erstattung verfügt. Das ist keine Abhilfe nach § 299 AO, denn ein Rechtsmittelverfahren war nicht eingeleitet. Im übrigen wäre es auch dann nur Ersatz für einen Einspruchsbescheid gewesen, der nach § 94 Absatz 4 AO frei zurückgenommen werden kann Wenn das Zollamt die begehrte Änderung des ersten Bescheides abgelehnt hätte, würde das Schreiben vom 15. Juli 1948 allerdings nach § 249 Absatz 2 AO als Rechtsmittel gelten.

Die Rücknahme des Erstattungsbescheides und die Wiederherstellung des I. Bescheides sind also formal zulässig.

Zu B.: Den Ausführungen der Bfin. ist beizutreten.

Die Nichtanwendbarkeit des zweiten Teiles des Währungsumstellungsgesetzes (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets -- WiGBl. -- 1948 S. 149) "Schuldverhältnisse" ergibt sich eindeutig aus den Bestimmungen (vgl. vor allem § 13). Aber auch § 2 des Währungsgesetzes trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu. Er bestimmt, daß überall, wo in Gesetzen, Verordnungen, Verwaltungsakten oder rechtsgeschäftlichen Erklärungen die Rechnungseinheit RM verwendet wurde, an die Stelle der RM die DM tritt. Wie der Oberste Finanzgerichtshof in seinem Urteil vom 19. April 1950 II 16/50 S ausführt, "kann es sich hier aber bei den rechtsgeschäftlichen Erklärungen ebenso wie bei den Gesetzen usw. nur um solche handeln, die noch über den 20. Juni 1948 hinaus fortwirkten, z. B. Miet- und Dienstverträge, die nach dem 20. Juni 1948 weitere Verbindlichkeiten entstehen ließen".

Die Entscheidung muß also aus dem Sinne der Währungsbestimmungen gefunden werden. Er muß dahin aufgefaßt werden, daß hier die tatsächlich vorhandene Berechnungsgrundlage (§ 4 der Umsatzausgleichsteuer-Ordnung) für die Berechnung der Umsatzausgleichsteuer allein maßgebend ist. Das ist der gezahlte RM-Betrag, da der Einkaufspreis von der Bfin. noch in RM voll an die Außenhandelskasse abgeführt worden ist. Dieser Betrag ist in dem vorgeschriebenen Verhältnis 10:1 in DM umzurechnen und die Umsatzausgleichsteuer entsprechend festzustellen (Verordnung vom 8. Juli 1948, WiGBl. S. 74 § 2).

Demgegenüber greifen auch die Ausführungen der Vorinstanz über den Sinn der Umsatzausgleichsteuer-Bestimmungen nicht durch. Die zu entscheidende Frage ist aus der Währungsumstellung erwachsen. Ihren Gesichtspunkten muß Rechnung getragen werden.

Die Vorentscheidungen beruhen also auf unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts. Sie waren daher aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Die Erstattung von neun Zehnteln des irrtümlich gezahlten DM-Betrages besteht zu Recht. Der II. Änderungs- (Zoll-) Bescheid des Zollamts vom 24. Oktober 1949 war aufzuheben, die Bfin. von dieser Nachforderung freizustellen. Daraus folgt die getroffene Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 308 und 309 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407227

BStBl III 1951, 132

BFHE 1952, 341

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