Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Persönliche Steuerschulden der Gesellschafter einer OHG können auch dann nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der OHG abgezogen werden, wenn die OHG die persönlichen Steuerschulden der Gesellschafter übernommen hat.

 

Normenkette

BewG § 62 Abs. 1, § 103/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin), eine OHG, hat in ihren Bilanzen auf den 31. Dezember 1949, 1950 und 1951 Rückstellungen für Einkommensteuer ihrer Gesellschafter in Höhe von 95.563 DM, 144.610 DM und 765.250 DM gebildet. Dieselben Rückstellungen erscheinen in den für die Fortschreibung der Einheitswerte des Betriebsvermögens der OHG eingereichten Vermögensaufstellungen auf die Fortschreibungszeitpunkte vom 1. Januar 1950, 1951 und 1952. Zur Begründung dieser Abzüge bei Ermittlung der Einheitswerte des Betriebsvermögens machte die Bfin. geltend, daß es sich um Rückstellungen für Einkommensteuer, Notopfer Berlin und Kirchensteuer ihrer Gesellschafter handle, die auf den Gewinn des dem jeweiligen Fortschreibungszeitpunkt vorangegangenen Kalenderjahrs entfielen und durch die geleisteten Vorauszahlungen nicht voll gedeckt würden. Da die Einkünfte der Gesellschafter nur aus ihren Gewinnanteilen aus der OHG beständen und die Abschlußzahlungen aus Mitteln des Unternehmens hätten entnommen werden müssen, handle es sich um nach § 62 Abs. I des Bewertungsgesetzes (BewG) abzugsfähige Betriebsschulden. Die OHG habe diese Abschlußzahlungen rechtsverbindlich als eigene Schulden übernommen und die Privatkonten ihrer Gesellschafter am Schluß des betreffenden Geschäftsjahrs mit Entnahmen in Höhe der Schuldübernahmen belastet. Das Finanzgericht hat bei Fortschreibung der Einheitswerte des Betriebsvermögens der OHG auf den I. Januar 1950, 1951 und 1952 diese Rückstellungen nicht zum Abzug zugelassen. Die Sprungberufung der Gesellschaft hatte keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts ist im wesentlichen, wie folgt, begründet: Im Verhältnis zwischen OHG und ihren Gesellschaftern gebe es steuerlich weder Forderungen noch Schulden. Eine Schuldübernahme der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern liege daher nicht vor. Persönliche Steuerschulden der Gesellschafter könnten auch nicht durch Schuldübernahme zu Betriebsschulden der Gesellschaft werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der OHG. Die Bfin. bleibt bei ihrem Rechtsstandpunkt unter Hinweis auf die Abhängigkeit der Steuerbilanz von der Handelsbilanz sowie die Bestimmungen des § 30 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1949 und 1950 und Ziff. 116 d Abs. 5 Satz 4 der Einkommensteuer-Veranlagungsrichtlinien von 1950.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.

Für die Entscheidung der strittigen Frage kommt es weder auf die für die Errichtung der Handelsbilanz und Steuerbilanz geltenden Grundsätze noch auf die angeführten Bestimmungen der EStDV und der Einkommensteuer-Veranlagungsrichtlinien an. Maßgebend ist ausschließlich § 62 Abs. 1 BewG, wonach zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs diejenigen Schulden vom Rohvermögen abzuziehen sind, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies gilt auch für Steuerschulden, die danach nur abzugsfähig sind, wenn sie unter den Begriff der Betriebsschulden fallen. Die Bfin. ist der Ansicht, daß die persönlichen Steuerschulden ihrer Gesellschafter durch die von ihr geltend gemachte, buchmäßig durch Belastung der Privatkonten der Gesellschafter zum Ausdruck gebrachte Schuldübernahme zu Betriebsschulden geworden seien. Dem kann nicht zugestimmt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die von der Bfin. geschilderten Maßnahmen bürgerlich-rechtlich eine rechtswirksame Schuldübernahme begründet worden ist. Keinesfalls wären jedoch hierdurch aus den persönlichen Steuerschulden der Gesellschafter Betriebsschulden der Gesellschaft im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG geworden. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (z. B. Urteil des Reichsfinanzhofs III A 134/34 vom 14. November 1935, Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 1465) besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen gewerblichem Betrieb und Schuld, wenn Vermögen und Schuld in der Wirtschaftsführung nach Entstehung und Zweckbestimmung verknüpft sind, d. h., wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die das belastete Wirtschaftsgut betreffen. Der hiernach erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der persönlichen Steuerschulden der Gesellschafter und dem Betriebsvermögen der OHG kann durch die von der Bfin. geltend gemachte Schuldübernahme in Verbindung mit der buchmäßigen Behandlung des Vorgangs durch die Bfin. allein nicht begründet werden. Höchstens würde auf diese Weise ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Betriebsvermögen und übernommener Schuld hergestellt, der aber für die Zulässigkeit des Abzugs nach § 62 Abs. 1 BewG nicht ausreicht. So begründet auch der Umstand, daß ein Wirtschaftsgut für eine Schuld haftet, keinen wirtschaftlichen, sondern lediglich einen rechtlichen Zusammenhang, wie der Reichsfinanzhof in dem Urteil I A b 755/28 vom 19. April 1929 (RStBl 1929 S. 362) ausgesprochen hat. Ebenso genügt die Möglichkeit, daß eine Schuld aus dem Betriebsvermögen bezahlt wird, noch nicht, um den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Schuld und Betrieb herzustellen. Denn eine solche Möglichkeit besteht bei allen Privatschulden. Dies muß selbst dann gelten, wenn feststeht, daß die Privatschuld aus Betriebsmitteln bezahlt wird, weil der Steuerpflichtige kein Vermögen außer Betriebsvermögen besitzt. Die Behauptung der Bfin., daß § 62 Abs. 1 BewG nur eine positive Regelung für die Abzugsfähigkeit von Betriebsschulden enthalte, nach der negativen Seite hin aber keinerlei Einschränkungen des Schuldenabzugs beständen, ist unzutreffend. Indem § 62 Abs. 1 a. a. O. den Abzug der Schulden beim Betriebsvermögen von dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Schuld und gewerblichem Betrieb abhängig macht, verneint er damit gleichzeitig die Möglichkeit des Abzugs von Schulden, bei denen ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang fehlt. Die Ausführungen in Abschnitt 50 a der Vermögensteuer-Richtlinien 1953 (Abschnitt 74 a der Vermögensteuer-Richtlinien 1949) über betriebliche Steuerschulden stehen mit der hier vertretenen Auffassung im Einklang.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408492

BStBl III 1956, 202

BFHE 1957, 19

BFHE 63, 19

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