Entscheidungsstichwort (Thema)

Billigkeitserlaß von Währungsausgleichsbeträgen

 

Leitsatz (NV)

1. Die Antragsfrist von Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 ist eine Ausschlußfrist. Sie gilt auch für die nach Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 926/80 zu übermittelnden Unterlagen und Angaben. Innerhalb der Frist muß auch Tag und Inhalt einer nicht unwesentlichen Änderung des Altvertrags wie z. B. die Änderung der vereinbarten Warenqualität mitgeteilt werden.

2. Ein Altvertrag kann nur als i. S. des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 926/80 fest abgeschlossen gewertet werden, wenn sich der Käufer wenigstens zur Abnahme einer best. Mindestmenge fest verpflichtet hat.

 

Normenkette

EWGV 926/80 Art. 4, 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ in der Zeit . . . aus Südamerika eingeführtes Rindfleisch zum freien Verkehr abfertigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) setzte für diese Einfuhren Währungsausgleichsbeträge (WAB) fest. Diese waren infolge der Aufwertung der Deutschen Mark am 12. Juni 1982 mit Wirkung vom 16. Juni 1982 erhöht worden.

Am . . . beantragte die Klägerin die Befreiung von den neuen WAB nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 926/80 (VO Nr. 926/80) der Kommission über die Befreiung von der Erhebung der WAB in bestimmten Fällen (Altkontraktregelung) vom 15. April 1980 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 99/15 vom 17. April 1980 und L 287/3 vom 8. Oktober 1981). Sie berief sich auf insgesamt . . . Verträge über den Kauf von Rindfleisch aus Südamerika. Die Verträge . . . wurden mangels Einfuhr gegenstandslos.

Mit Bescheid . . . gab das HZA den Anträgen der Klägerin statt für die Verträge . . . Mit den Bescheiden . . . lehnte das HZA die beantragte Befreiung für die Verträge . . . ab. Mit Entscheidung . . . wies die Oberfinanzdirektion (OFD) die Beschwerde zurück.

Die Klage hatte teilweisen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid . . . voll, die übrigen Bescheide gleichen Datums, alle in der Fassung der Beschwerdeentscheidung, teilweise auf und verpflichtete das HZA, die Klägerin von der Erhebung der neuen WAB für die Verträge . . . teilweise und für den Vertrag . . . vollständig zu befreien. Im übrigen wies es die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des HZA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie der Klage stattgegeben hat, zur Abweisung der Klage gegen den Bescheid des HZA . . . in der Fassung der Beschwerdeentscheidung und im übrigen zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Bescheid . . . betrifft den Vertrag . . . , dessen Vertragsgegenstand . . . t Rindfleisch von bestimmten Marken war. Nach den Feststellungen des FG wurde dieser Vertrag . . . fernmündlich dahin geändert, daß Fleisch einer anderen Marke geliefert werden solle. Aus der Vorentscheidung ergibt sich die Feststellung, daß die Klägerin diese Vertragsänderung nicht innerhalb der Frist des Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 geltend gemacht hat. Diese Tatsache rechtfertigt die Ablehnung des Antrags der Klägerin für diesen Vertrag durch den Bescheid . . .

Wie der Senat mit Urteil vom 12. Dezember 1989 VII R 94,95/87 (BFH/NV 1990, 470), auf dessen Gründe verwiesen wird, entschieden hat, gilt die Antragsfrist des Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 auch für die nach Absatz 3 zu übermittelnden Unterlagen und Angaben. Sie ist eine Ausschlußfrist; bei ihrer Nichteinhaltung steht dem jeweiligen Antragsteller ein Anspruch auf Befreiung von den neuen WAB nicht zu. Die Klägerin hat diese Frist nicht eingehalten. Ihr innerhalb der Fünftagesfrist des Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 eingereichter Antrag enthielt nicht die ,,für die Beurteilung des Falles erforderlichen Angaben", insbesondere nicht die Angaben nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. a und b VO Nr. 926/80.

Nach der genannten Vorschrift muß der Antrag Angaben u. a. über den ,,Tag des Vertragsabschlusses" und ,,die betreffende Ware" enthalten. Die Klägerin hat innerhalb der Antragsfrist lediglich den Vertrag . . . mit Abschlußdatum und den Marken des damals zur Lieferung vorgesehenen Fleisches benannt. Das genügte jedoch nicht für einen Vertrag, dessen Inhalt in einem nicht unwesentlichen Punkt durch Vereinbarung geändert worden ist. Dies ist hinsichtlich des Vertrages . . . der Fall gewesen. Die ,,mündliche" Änderungsvereinbarung betraf einen wesentlichen Punkt, nämlich ,,die betreffende Ware" i. S. des Art. 11 Abs. 3 Buchst. b VO Nr. 926/80. Die Klägerin hätte also, um ihre Rechte zu wahren, innerhalb der Frist den Tag der Vertragsänderung und den Inhalt des Änderungsvertrages angeben müssen. Das hat sie nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht getan.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, die Angabe über die vereinbarte Warenqualität sei für die Beurteilung des Einzelfalles unerheblich. Dem widerspricht schon der Umstand, daß diese Angabe wesentlich ist, um beurteilen zu können, ob eine bestimmte Wareneinfuhr Gegenstand eines bestimmten Altvertrages i. S. des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 926/80 war. Überdies ergibt sich die Bedeutung dieser Angabe auch aus der Zielsetzung der VO Nr. 926/80, Mißbräuche zu verhindern (vgl. im einzelnen Senatsurteil in BFH/NV 1990, 470, 472). Der Zwang, innerhalb der kurzen Frist des Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 926/80 alle für die Beurteilung des Falles erforderlichen Angaben zu machen, soll das Risiko von Mißbräuchen vermindern. Diese sind eher möglich, wenn auch noch nach geraumer Zeit Angaben nachgeschoben werden könnten, die - etwa wie im vorliegenden Fall - für den Beweis der Tatsache dienen sollen, daß bestimmte Einfuhren Gegenstand eines bestimmten Altvertrages waren.

Da das FG Art. 11 Abs. 2 und 3 VO Nr. 926/80 unzutreffend ausgelegt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Hinsichtlich des genannten Bescheides ist die Sache spruchreif. Die Klage war insoweit abzuweisen.

2. Im übrigen ist die Vorentscheidung, soweit in ihr die Klage nicht abgewiesen worden ist, aufzuheben, weil das FG den Begriff des Einfuhrvertrages i. S. des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 926/80 verkannt hat. Zur Begründung verweist der Senat auf die Gründe seines Urteils vom heutigen Tag zwischen gleichen Beteiligten VII R 6/90 (abgedruckt vor diesem Urteil).

In größerem Umfang als in dem durch Urteil VII R 6/90 entschiedenen Fall weist die Vorentscheidung Anzeichen dafür auf, daß das FG bei seiner Entscheidung im Grunde nicht von seiner (unrichtigen) Definition des Begriffes ,,Einfuhrvertrag" ausging (,,Kaufvertrag, dessen unmittelbare oder mittelbare Folge die Einfuhr der gekauften Ware in das Zollgebiet ist"), sondern davon, daß die ,,Ware - jedenfalls bei Vertragsschluß - auch zur Einfuhr in das Zollgebiet bestimmt" gewesen sein mußte und bestimmt war. Jedenfalls aber ist die Vorentscheidung in ihren Gründen widersprüchlich. Der Senat kann nicht mit Sicherheit davon ausgehen, daß das FG den Begriff des Einfuhrvertrages anders verstanden wissen wollte als es selbst das in seiner Definition in . . . seiner Gründe zum Ausdruck gebracht hat. Die Vorentscheidung war daher im genannten Umfang aufzuheben.

3. Da aus den genannten Gründen die Vorentscheidung aufzuheben ist, soweit sie nicht rechtskräftig geworden ist, bedarf es keines Eingehens auf die Rügen des HZA hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des FG. Das HZA wird im zweiten Rechtsgang Gelegenheit haben, sie ggf. vor dem FG erneut geltend zu machen.

4. Aus den in Nr. 2 letzter Absatz dargelegten Gründen kann der Senat auch nicht davon ausgehen, daß er zumindest für die Verträge . . . deswegen in der Sache selbst entscheiden kann, weil insoweit das FG festgestellt hat, die Ware sei bei Vertragsabschluß zur Einfuhr in das Zollgebiet bestimmt gewesen. Daraus kann nicht die Feststellung entnommen werden, die genannten Verträge seien Einfuhrverträge i. S. der Senatsauffassung gewesen, d. h. zum Zweck der Einfuhr in das Zollgebiet abgeschlossen worden, weil nicht auszuschließen ist, daß die genannte Feststellung von der unrichtigen Auffassung des FG zum Begriff des Einfuhrvertrages beeinflußt war. Dafür spricht auch, daß sich das FG mit den Indizien gegen die Annahme, Einfuhrverträge lägen vor, nicht genügend auseinandergesetzt hat. Dazu hätte besonderer Anlaß bestanden im Hinblick auf die Nachweispflicht der Klägerin nach Art. 4 VO Nr. 926/80 und wegen des Umstandes, daß das FG als Indiz für die Tatsache, die Ware sei bei Vertragsabschluß zur Einfuhr bestimmt gewesen, auf den Sitz der Klägerin im Zollgebiet und ihr Betreiben von Importgeschäften abgehoben hat; diese Indizien sind durch die Tatsache wesentlich entwertet, daß die Klägerin auch Transithandelsgeschäfte betrieben hat.

5. Da demnach die Sache im genannten Umfang nicht spruchreif ist, war die Vorentscheidung insoweit aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Bei seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang wird das FG die Bemerkungen des Senats im Urteil VII R 6/90 unter Nr. 4 a) und b) der Gründe und darüber hinaus folgendes zu beachten haben:

Das FG hat den Vertrag . . . als i. S. des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 926/80 fest abgeschlossen gewertet, obwohl nach seinen Feststellungen der Kaufgegenstand mit ,,abt . . . . . . tons" bezeichnet war. Ein fester Abschluß liegt aber nur vor, wenn sich der Käufer zur Abnahme wenigstens einer bestimmten Mindestmenge fest verpflichtet hat. Die zitierte Angabe des Kaufgegenstandes bedeutet nach Auffassung des FG ,,unter der ausdrücklich gebotenen Berücksichtigung anerkannter Handelsbräuche nicht, daß die Menge der zu liefernden Waren in Form einer Rahmenvereinbarung unverbindlich bestimmt ist", sondern ,,legt vielmehr wirksam . . . eine Mindestliefermenge (. . . t) und eine Höchstliefermenge (. . . t) fest". Diese Begründung erfüllt nicht die Anforderungen des § 96 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da das FG nichts darüber gesagt hat, von welchen anerkannten Handelsbräuchen es bei dieser Auslegung der Vertragsvereinbarung ausgegangen ist, und sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, wieso die Klausel ,,abt" (wohl gleich arbitrary, was wohl bedeutet ,,nach Ermessen der Kaufvertragsparteien") sich nur auf die Menge zwischen . . . t und . . . t bezieht, nicht aber auf die Menge insgesamt, wie die Klausel vermuten lassen könnte. Sollte die Bedeutung dieser Klausel zweifelhaft sein, so ist Art. 4 VO Nr. 926/80 zu berücksichtigen.

Außerdem muß sich das FG auch hier mit dem Einwand des HZA auseinandersetzen, es habe sich nur um einen Optionsoder Vorratsvertrag gehandelt (vgl. Senatsurteil VII R 6/90 Nr. 4 a der Gründe), wofür immerhin der Umstand ein Indiz ist, daß von den . . . Verträgen, die Gegenstand des Antrages der Klägerin . . . und von ihr als fest abgeschlossen bezeichnet waren, . . . Verträge nicht zu Einfuhren geführt haben. Im Hinblick darauf, daß die Billigkeitsregelung zur Befreiung von neuen WAB beim Vorliegen von Altverträgen bereits seit 1974 besteht, kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß Unternehmen, die laufend den WAB unterliegende Waren einführen, in der Voraussicht künftiger Aufwertungen der Deutschen Mark, eine größere Anzahl von Einfuhrverträgen über größere Mengen als für die eigenen Verkaufsgeschäfte voraussichtlich erforderlich, mit dem Ziel abgeschlossen haben, diese Verträge im Falle einer Aufwertung der Deutschen Mark zu nutzen, um noch innerhalb der Sechsmonatsfrist des Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 926/80 Waren unter Befreiung von den neuen WAB einführen zu können.

6. Der Senat hält die richtige Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts für offensichtlich; er ist daher nicht nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verpflichtet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415; Senatsurteil vom 23. Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417307

BFH/NV 1991, 637

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