Leitsatz (amtlich)

1. Der Erwerb eines ganzen landwirtschaftlichen Betriebes (Hofes) unter Aufgabe des alten Hofes ist auch dann nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen, wenn der Erwerber einen Teil seiner alten Restgrundflächen lediglich in den neu erworbenen Betrieb eingliedert.

2. Die Frage, ob der Erwerb eines geschlossenen Hofes unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG fällt, ist durch die FÄ in eigener Zuständigkeit zu prüfen.

 

Normenkette

Niedersächsisches GrEAgrG 1959 § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Landwirt, war Eigentümer eines ursprünglich rund 17 ha großen Hofes. Der Hof war wegen Zersplitterung schwer zu bewirtschaften und wegen unmittelbarer Stadtnähe beengt. Der Kläger hatte deshalb im August 1958 rund 9,5 ha und im Jahr 1960 4,750 qm verkauft, und zwar als Bauland, Im März 1959 erwarb er am anderen Ort einen rund 9,34 ha großen Hof. Der alte Hof besteht nicht mehr; der Höfevermerk ist im Grundbuch gelöscht. Den Rest der alten Ländereien bewirtschaftete der Kläger von der neuen Hofstelle aus teils selbst, teils hatte er ihn verpachtet.

Der Kläger war der Meinung, daß sein Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 - GrEAgrG - (GVBl, 57) von der Besteuerung nach dem GrEStG 1940 ausgenommen sei. Einspruch und Berufung gegen die Steuerfestsetzung waren erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im wesentlichen unbegründet, führt aber aus anderen als den geltend gemachten Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrEAgrG ist auf Antrag von der Besteuerung nach dem GrEStG 1940 ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks durch einen Landoder Forstwirt, wenn dadurch die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse beim Erwerber und die Agrarstruktur verbessert werden und wenn der Erwerber im Zusammenhang damit ein betriebswirtschaftlich ungünstiges Grundstück veräußert. Nach Satz 2 (a. a. O.) gilt die Steuerbefreiung nur insoweit, als die Gegenleistung für das erworbene Grundstück diejenige für das veräußerte Grundstück nicht übersteigt. Die Voraussetzungen des Satzes 2 (a. a. O.) sind in vollem Umfang erfüllt, da auch zwischen Erwerbsgeschäft und Veräußerungsgeschäft nicht mehr als ein Jahr liegt.

Das FG hielt aber die o. a. Befreiungsvorschrift auf den Erwerb eines neuen Hofes, dem die Restbestände des alten Hofes angegliedert werden, nicht für anwendbar. Diese Auffassung des FG trifft nach den gesamten Umständen des Falles zu.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG ist nach seinem mit dem Wortlaut übereinstimmenden Wortsinn und Zweck nur anwendbar auf den Erwerb eines Grundstücks - oder auch mehrerer, aber einzelner Grundstücke -, durch den unter Abstoßung eines betriebswirtschaftlich ungünstigen Grundstücks (oder auch mehrerer, aber einzelner solcher Grundstücke) nicht nur die Agrarstruktur im allgemeinen, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse beim Erwerber, d. h. also seines bisherigen Betriebes unter dessen Fortbestand und lediglich unter Auswechseln einzelner Grundstücke (Grundstücksflächen) verbessert werden sollen. Im Gegensatz zur Auffassung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers genügt es nicht, daß die Bewirtschaftungsmöglichkeiten für den Land- oder Forstwirt persönlich verbessert werden, etwa dadurch, daß der Landwirt eine neu erworbene Hofstelle oder von dieser neuen Hofstelle aus auch die nunmehr diesem Hof eingegliederten Restflächen der aufgegebenen alten Hofstelle besser bewirtschaften kann. Denn der Gesetzeszweck ist objektiver Art. Das zeigt bereits die Entstehungsgeschichte. Danach sollte die Eigeninitiative der Landwirte zur "privaten Flurbereinigung" angeregt werden (Bergründung der Gesetzesvorlage, Niedersächsischer Landtag, 3. Wahlperiode, Landtagsdrucksache Nr. 1070; Sitzungsprotokoll der 81. Sitzung vom 5. März 1959 S. 4552, 4554). Daß nur das flurbereinigende Auswechseln einzelner Grundstücke - unabhängig vom Fortbestand der Betriebe an sich - begünstigt werden sollte, läßt auch die Formulierung im ursprünglichen Initiativantrag (Drucksache Nr. 1070, a. a. O.) erkennen, wonach begünstigt werden sollte "der Erwerb eines für einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb günstig gelegenen land- oder Forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks durch einen Land- oder Forstwirt, wenn dieser im Zusammenhang mit dem Erwerb ein weniger günstig gelegenes land- oder forstwirtschaftlich genutztes Grundstück veräußert". Die Gesetz gewordene Formulierung enthält nur "vorwiegend redaktionelle Änderungen" (Sitzungsprotokoll, a. a. O., S. 4553) und bringt den Willen des Gesetzgebers erkennbar zum Ausdruck. Denn "die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse beim Erwerber" können durch den "Erwerb eines Grundstücks" und durch die Veräußerung "eines betriebswirtschaftlich ungünstigen Grundstücks" objektiv (sachbezogen so das FG) nur "verbessert" werden in bezug auf den dem Erwerber bereits gehörenden einzelnen Betrieb. Und auch die Agrarstruktur kann im Sinne einer privaten (aber objektiven) Flurbereinigung nur durch das Auswechseln von Grundstücksflächen verbessert werden, nicht aber durch den Wechsel im Eigentum ganzer Höfe.

Diese dem begrenzten Gesetzeszweck entsprechende, deshalb nicht - wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers meint - enge, sondern sachgerechte Auslegung hat der Senat im Grundsatz bereits in dem Urteil vom 3. Juli 1963 II 100/62 U (BFHE 77, 384, BStBl III 1963, 461) vertreten. Der - auch vom FG erkannte - Unterschied, daß in jenem Fall der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs des neuen Hofes alle seine alten Grundstücke bereits verkauft hatte, läßt eine andere Beurteilung für den vorliegenden Fall nicht geboten erscheinen. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der bisherige Betrieb des Klägers nicht nur zersplittert, sondern auch - als unmittelbar am Stadtrand gelegen - wegen der Ausdehnung der Stadt derart beengt, daß er nicht mehr weitergeführt, noch weniger also betriebswirtschaftlich verbessert werden konnte. Der alte Betrieb war im maßgebenden Zeitpunkt des Erwerbs des neuen Betriebs nach den Feststellungen des FG praktisch bereits aufgegeben. Unbeschadet der Frage, ob das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe auch dann bejaht werden kann, wenn der Landwirt nur Bodenflächen zu Eigentum, die Hofstelle aber nur gepachtet hat (vgl. Urteil des BFH vom 26. Juni 1963 II 22/63 U, BFHE 77, 245, 248, BStBl III 1963, 408), kann jedenfalls unter Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles nicht davon gesprochen werden, daß der Kläger die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse seines bisherigen - ja gerade aufgegebenen - Betriebes bereits deshalb verbessert habe, weil er einen Teil seiner alten Restgrundflächen lediglich dem neu erworbenen Betrieb eingliedern, vielleicht auch von der neuen Hofstelle aus ebenso gut oder auch besser bewirtschaften konnte. Entscheidend bleibt, daß die - der Grunderwerbsteuer unterliegende - Übernahme eines ganzen Hofes an sich nicht dessen betriebswirtschaftliche Verhältnisse zu verbessern vermag und daß es auf die - der Grunderwerbsteuer nicht unterliegende (insoweit also grunderwerbsteuerrechtlich unerhebliche) - Eingliederung einzelner dem Erwerber bereits gehöriger Grundstücksflächen in den neu erworbenen Hof nicht ankommt. Bei dieser Betrachtung hat das FG zutreffend aus dem o. a. Urteil vom 26. Juni 1963 (BFHE 77, 245) nicht die mit der Klage erstrebten Folgerungen gezogen. Abgesehen davon ist dieses Urteil bei anders gelagertem Sachverhalt zu der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEAgrG mit anderen Tatbestandsmerkmalen ergangen, bei der es sich nicht um eine private Flurbereinigung durch Auswechseln von Grundstücken, sondern um den einseitigen Hinzuerwerb zur Aufstockung eines Kleinbetriebs handelt.

Die Frage, ob der Erwerb eines geschlossenen Hofes überhaupt unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG fällt, ist rein grunderwerbsteuerrechtlicher Art und durch die Finanzämter in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, so daß insoweit § 1 Abs. 2 GrEAgrG nicht eingreift. Im übrigen bezieht sich die vom Kulturamt erteilte Zweckdienlichkeitsbescheinigung hinsichtlich des Erwerbsvorgangs des Klägers in Verkennung der Rechtslage auf den hier nicht maßgeblichen § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEAgrG und - unerheblicherweise - nur hinsichtlich der veräußerten Grundstücke auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG. Da die Steuerbefreiung für den Erwerb des ganzen Hofes bereits aus den dargelegten Gründen nicht zu gewähren ist, war nicht zu prüfen, welche Bedeutung unter Berücksichtigung des Zwecks des GrEAgrG dem Umstand zukommen könnte, daß der Kläger seine Grundstücke als Bauland veräußert hat.

Nach dem vom FG festgestellten Vertrag ging der Hof "mit allem Zubehör" auf den Kläger über. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß der vom Beklagten der Besteuerung zugrunde gelegte Kaufpreis sich auch auf Wirtschaftsgüter bezieht, die nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen. Das FG, an das die Sache deshalb zurückzuverweisen ist, wird zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls wie die Gesamtgegenleistung zur Ermittlung der für die Besteuerung maßgeblichen Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940) nach dem Verhältnis des Wertes der Grundstücke zum Wert der übrigen Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70482

BStBl II 1973, 613

BFHE 1973, 278

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