Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zurechnung eines fiktiven Eigenbeitrags bei angebotener Gemeinschaftsverpflegung

 

Leitsatz (NV)

Nimmt ein Soldat nicht an einer angebotenen Gemeinschaftsverpflegung teil und weist er den Verpflegungsmehraufwand nicht nach, so sind die auf 25 v. H. gekürzten Pauschbeträge der Lohnsteuer-Richtlinien für Verpflegungsmehraufwand nicht um einen fiktiven Eigenbeitrag zu erhöhen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5; LStR 1990 Absch. 43 Abs. 8 S. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Berufsoffizier, führte im Streitjahr 1991 einen beruflich veranlaßten doppelten Haushalt. Er machte Verpflegungsmehraufwendungen von 16 DM täglich geltend. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) erkannte unter Hinweis auf die Möglichkeit zur Teilnahme an einer verbilligten Gemeinschaftsverpflegung lediglich Mehraufwendungen für Verpflegung von 4 DM täglich an (Abschn. 43 Abs. 8 Nr. 2 b der Lohnsteuer-Richtlinien 1990 -- LSt R 1990 --).

Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage teilweise für begründet. Es entschied, der Kläger könne wegen des Angebots der Gemeinschaftsverpflegung zwar nicht Mehraufwendungen von 16 DM pro Tag abziehen. Es seien über die vom FA anerkannten 4 DM pro Tag hinaus jedoch 5,85 DM als Werbungskosten (Verpflegungsmehraufwendungen) zu berücksichtigen. Nach der glaubhaften und von dem FA nicht bestrittenen Darstellung des Klägers habe sich der von ihm für die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung aufzuwendende Betrag auf 5,85 DM pro Tag belaufen.

Zur Begründung seiner Revision macht das FA Divergenz zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 18. Mai 1990 VI R 67/88 (BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909) und VI R 4/90 (BFH/NV 1991, 150) geltend.

Durch Beschluß vom 8. September 1997 ist das Verfahren wegen Einkommensteuer 1992 abgetrennt worden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung wegen der Einkommensteuer 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie die Einkommensteuer 1991 betrifft, und zur Abweisung der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zu Unrecht angenommen, bei der Möglichkeit zur Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung könne zusätzlich zu 25 v. H. des in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) bestimmten Pauschbetrages für Verpflegungsmehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung auch der Betrag als Werbungskosten i. S. des §9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden, den der Steuerpflichtige hätte aufwenden müssen, wenn er an der Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen hätte.

Nach §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Zu diesen Aufwendungen gehört auch ein notwendiger Mehraufwand für Verpflegung. Die Finanzverwaltung hat zur Konkretisierung des Gesetzes in Abschn. 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 LStR 1990 bestimmt, daß im Falle des Einzelnachweises die tatsächlichen Verpflegungsmehraufwendungen bis zu 22 DM je Kalendertag und ohne Einzelnachweis ein Pauschbetrag von 16 DM je Kalendertag abziehbar sind. Nach Abschn. 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 b Satz 2 LStR 1990 sind die Pauschbeträge nicht anzusetzen in Fällen, in denen sie zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen. In diesen Fällen sind die Verpflegungsmehraufwendungen im einzelnen nachzuweisen; sie können statt dessen im allgemeinen auf mindestens 25 v. H. des in Betracht kommenden Pauschbetrags geschätzt werden.

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909) stehen einem Steuerpflichtigen in der Regel nur 25 v. H. der in der LStR genannten Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand zu, wenn ihm bei einer doppelten Haushaltsführung oder einer Dienstreise Frühstück, Mittag- und Abendessen ganz oder teilweise unentgeltlich angeboten werden. Nach diesem Urteil waren die gekürzten Pauschbeträge um die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geleisteten Aufwendungen für die Gemeinschaftsverpflegung zu erhöhen.

In dem Urteil in BFH/NV 1991, 150, 151 ist entschieden worden, daß ein Soldat, der behauptet, nicht an der ihm angebotenen Gemeinschaftsverpflegung teilgenommen, sondern sich selbst verpflegt zu haben, ein Wahlrecht hat: Entweder macht er 25 v. H. der Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwand geltend, oder er weist seinen Verpflegungsmehraufwand im einzelnen nach. Der Senat hat ausdrücklich klargestellt, daß den gekürzten Pauschbeträgen kein "fiktiver Eigenbeitrag" zuzurechnen sei, sondern nur ein Eigenbeitrag, soweit der Steuerpflichtige ihn tatsächlich entrichtet hat. Nach dem Urteil vom 12. Januar 1996 VI R 29/95 (BFH/NV 1996, 470), das erst nach dem Erlaß der Vorentscheidung veröffentlicht worden ist, können bei einer angebotenen verbilligten Gemeinschaftsverpflegung neben dem auf 25 v. H. gekürzten Pauschbetrag nicht noch zusätzlich die tatsäch lichen Aufwendungen für die Gemeinschaftsverpflegung abgezogen werden. An dieser Rechtsprechung hält der Senat ungeachtet der entgegenstehenden Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Deutsches Steuerrecht 1996, 1934) fest.

Das angefochtene Urteil steht im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung, weil es den vom Kläger für den Fall der Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung aufzuwendenden und damit einen fiktiven Betrag als Werbungskosten abgezogen hat. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben, und die Klage ist abzuweisen, da die Sache spruchreif ist. Das FG hat festgestellt, daß dem Kläger eine Gemeinschaftsverpflegung angeboten worden ist. Gegen diese Feststellung haben die Kläger keine zulässige und begründete Gegenrüge erhoben. Das Vorbringen im Revisionsverfahren, der Kläger habe gar nicht die Möglichkeit zu einer Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung gehabt, entspricht nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge (§120 Abs. 2 FGO).

Soweit die Kläger bereits im Klageverfahren geltend gemacht hatten, die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung sei häufig aus dienstlichen Gründen nicht möglich gewesen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das FG hat dazu zutreffend ausgeführt, daß es für die Inanspruchnahme der vollen Pauschbeträge nicht genügt, daß der Steuerpflichtige geltend macht, aus besonderen Gründen -- z. B. dienstlich bedingter Abwesenheit vom Beschäftigungsort -- an einer Gemeinschaftsverpflegung nicht teilgenommen zu haben. Für einen derartigen Sachverhalt hat der Senat in dem Urteil in BFHE 161, 61, BStBl II 1990, 909, 912 darauf verwiesen, daß es dem Steuerpflichtigen offenstehe, seine tatsächlich entstandenen Mehraufwendungen im einzelnen nachzuweisen. Einen Einzelnachweis seiner tatsächlichen Aufwendungen hat der Kläger aber nicht erbracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66650

BFH/NV 1998, 166

DStZ 1998, 479

HFR 1998, 180

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