Leitsatz (amtlich)

1. Das lebende und tote Inventar eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs bildet für sich allein regelmäßig keinen Teilbetrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV. Es liegt daher eine Entnahme zum Teilwert vor, wenn ein Landwirt das gesamte lebende und tote Inventar unentgeltlich auf den Sohn überträgt.

2. Überläßt der Landwirt in einem solchen Falle dem Kind außerdem das unbewegliche Vermögen zur Nutzung, so liegt eine Betriebsaufgabe im Sinne der §§ 14, 16 Abs. 3 EStG vor, sofern das lebende und tote Inventar zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs gehört hat.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4, §§ 14, 16 Abs. 3; EStDV § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die unentgeltliche Übertragung des gesamten Inventars eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs bei gleichzeitiger Verpachtung des Grund und Bodens sowie der Gebäude eine Entnahme darstellt.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau (Eheleute A) sind Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 30. Juni 1965 verpachteten sie den "gesamten landwirtschaftlichen Betrieb" für zehn Jahre an ihren Son W.

Gleichzeitig übertrugen sie auf ihren Sohn Schenkungsweise das Eigentum an dem gesamten zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörigen toten und lebenden Inventar sowie an den gesamten Wirtschaftsvorräten und Feldeinwendungen. Bereits mit Ehe- und Erbvertrag vom 16. Dezember 1963 hatten sie ihren Sohn W als Hoferben eingesetzt.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) vertritt die Ansicht, daß es sich bei der unentgeltlichen Übertragung der beweglichen Wirtschaftsgüter um eine Entnahme zum 30. Juni 1965 handle, die zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven führe. Das FA ermittelte den Entnahmegewinn mit 34 418 DM und rechnete ihn bei der Veranlagung der Einkommensteuer für die Streitjahre 1964 und 1965 dem laufenden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft zu. Es ging davon aus, daß die Eltern den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit der Verpachtung nicht aufgegeben hätten, da eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben worden sei.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG sah die unentgeltliche Übertragung des Inventars nicht als Entnahme an und setzte unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide die Einkommensteuer 1964 und 1965 entsprechend herab. Es führte in Anlehnung an die Rechtsprechung des RFH (Urteile vom 17. August 1938 VI 490/38, RStBl 1938, 965, und vom 18. Februar 1942 VI 180/41, RStBl 1942, 682) aus, die Übereignung des lebenden und toten Inventars sowie der Wirtschaftsvorräte und Feldeinwendungen sei als unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs anzusehen, die nicht zu einer Entnahme der übertragenen Wirtschaftsgüter führe. Selbst wenn man aber die Annahme der Übertragung eines Teilbetriebs ablehnen würde, könne höchstens die Entnahme des Gebäudes angenommen werden, da alles dafür spreche, daß der lebende Organismus des landwirtschaftlichen Betriebs mit Übertragung des gesamten Inventars unentgeltlich auf den Sohn übergegangen sei. Wegen des Alters des entnommenen Gebäudes sei kaum anzunehmen, daß der Entnahmegewinn den Freibetrag von 20 000 DM übersteige.

Das FA beantragt mit der Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt unrichtige Anwendung der §§ 14 EStG, 7 Abs. 1 EStDV. Das FG habe bei dem lebenden und toten Inventar zu Unrecht das Vorliegen eines Teilbetriebs angenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG.

1. Entgegen der Auffassung des FG ist das gesamte lebende und tote Inventar, das die Eheleute A auf ihren Sohn unentgeltlich übertragen haben, nicht als ein Teilbetrieb im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV anzusehen.

Ein Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Lebensfähig ist ein Teil des Gesamtunternehmens dann, wenn von ihm seiner Struktur nach eigenständige betriebliche Tätigkeit ausgeübt werden kann (vgl. Urteil des BFH vom 4. Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838). Dabei kommt es entscheidend auf die Verhältnisse beim Veräußerer an (BFH-Urteil vom 24. April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397). Dementsprechend stellt das lebende und tote Inventar eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs für sich allein regelmäßig noch keinen Teilbetrieb im Rahmen des Gesamtbetriebs dar.

Auch im Streitfall bildete das lebende und tote Inventar einschließlich der Wirtschaftsvorräte und Feldeinwendungen keinen selbständigen, organisch geschlossenen und allein lebensfähigen Teil im Rahmen des Gesamtbetriebs der Eheleute A. Daß diese Wirtschaftsgüter beim Sohn, dem die Grundstücke nur zur Nutzung überlassen wurden, möglicherweise die alleinige Grundlage des künftigen Betriebs bildeten, so daß bei ihm § 7 Abs. 1 EStDV zur Anwendung käme, wenn er seinerseits das gesamte Inventar unentgeltlich auf einen anderen übertragen würde, ist unerheblich, da es bei der Frage, ob die Eheleute A einen Teilbetrieb übertragen haben, entscheidend auf die Verhältnisse ihres Betriebs und nicht auf die des künftigen Betriebs des Sohnes ankommt. Soweit der RFH in den vom FG zitierten Entscheidungen eine andere Auffassung vertreten hat, ist der erkennende Senat hiervon bereits im Urteil vom 17. Juli 1975 IV R 119/74 (BFHE 116, 359, BStBl II 1975, 770) abgewichen.

Da die Voraussetzungen für die Annahme eines Teilbetriebs somit nicht erfüllt sind und auch ein betrieblicher Anlaß für die unentgeltliche Übertragung im Sinn des § 7 Abs. 2 EStDV nicht anzunehmen ist, sind die mit ihrer unentgeltlichen Übertragung auf den Sohn entnommenen Wirtschaftsgüter - wie in den angefochtenen Bescheiden geschehen - nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit ihrem Teilwert anzusetzen. Die Vorentscheidung ist somit aufzuheben.

2. Die Streitsache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat - da es für seine Entscheidung unerheblich war - nicht geprüft, ob die Eheleute A ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb nach §§ 14, 34 Abs. 1 und 2 EStG steuerbegünstigt aufgegeben haben (unten a), zu welchem Zeitpunkt die Wirtschaftsgüter entnommen worden sind (unten b) und ob dem Vertrag vom 30. Juni 1965 die steuerrechtliche Anerkennung als Pachtvertrag zu versagen ist (unten c).

a) Der Verpächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs hat das Wahlrecht, ob er die Buchwerte der Wirtschaftsgüter des Betriebs fortführt oder ob er die Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen überführt (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 1964 IV 114/61 S, BFHE 79, 195, BStBl III 1964, 303). Eine Betriebsverpachtung mit der Folge dieses Wahlrechts setzt indessen voraus, daß die wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet werden (vgl. BFH-Urteile vom 4. November 1965 IV 411/61 U, BFHE 84, 134, BStBl III 1966, 49, und vom 12. Dezember 1973 I R 122/72, BFHE 111, 98, BStBl II 1974, 208). Geschieht dies nicht, weil ein Teil der wesentlichen Grundlagen des Betriebsvermögens veräußert oder verschenkt wird, so liegt eine Betriebs aufgabe mit der Folge vor, daß die verpachteten Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen überführt werden.

Im Streitfall haben die Eheleute A nur den Grund und Boden sowie die Gebäude verpachtet. Falls auch das auf den Sohn übertragene lebende und tote Inventar einschließlich der Wirtschaftsvorräte und Feldeinwendungen zu den wesentlichen Grundlagen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Eltern gehören sollte, läge nicht eine Betriebsverpachtung, sondern eine Betriebsaufgabe vor. Dies hätte zur Folge, daß auch die stillen Reserven der Gebäude - nicht der Grundstücke (§ 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1965) - versteuert werden müßten. Der Senat kann als Revisionsgericht nicht entscheiden, ob die dem Sohn übertragenen Wirtschaftsgüter zur wesentlichen Grundlage des Betriebs der Eheleute A gehörten, da es sich hierbei um eine weitgehend auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage handelt und das FG hierzu Feststellungen nicht getroffen hat. Schon aus diesem Grund ist die Streitsache an das FG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob die unentgeltlich auf den Sohn übertragenen Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs der Eheleute A gehörten. Der Senat verweist hierzu insbesondere auf die BFH-Urteile vom 3. Juni 1965 IV 351/64 U (BFHE 83, 207, BStBl III 1965, 576) und vom 18. Februar 1971 IV R 206/67 (BFHE 102, 49, BStBl II 1971, 485). Falls das FG dies bejahen sollte, hätten die Eheleute auch die dem Sohn überlassenen Grundstücke einschließlich der Gebäude entnommen. Für diesen Fall wird das FG den Teilwert der entnommenen Gebäude ermitteln und, falls der Teilwert den Buchwert übersteigen sollte, den bisher vom FA ermittelten Entnahmegewinn entsprechend erhöhen müssen. Den Eheleuten würde für diesen Fall - innerhalb der Grenzen des § 96 Abs. 1 FGO - die Steuervergünstigung nach §§ 14, 34 Abs. 1 und 2 EStG zustehen. Allerdings wäre zu beachten, daß im Falle der Entnahme der Grundstücke die Eheleute von diesem Zeitpunkt an - unabhängig von der Entscheidung der nachstehend unter c) erörterten Frage - keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft hätten, so daß ihnen auch der Freibetrag nach § 113 Abs. 3 EStG nicht mehr zustünde.

b) Das FG wird außerdem zu prüfen haben, ob die Wirtschaftsgüter nicht zum Ende des Wirtschaftsjahres 1964/65, sondern zu Beginn des Wirtschaftsjahres 1965/66 entnommen worden sind. Nach Abschnitt I des Vertrages vom 30. Juni 1965 sollte die Übergabe am 1. Juli 1965 stattfinden. Für den Fall, daß dies tatsächlich an diesem Tage geschehen sein sollte, könnte die Entnahme erst im Wirtschaftsjahr 1965/66 mit steuerlicher Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1965 erfolgt sein.

c) Schließlich wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben, daß der Senat in dem Urteil vom 5. Februar 1976 IV R 31/74 (BStBl II 1976, 335) ausgeführt hat, einem Vertrag zwischen Eltern und ihren Kindern sei die steuerrechtliche Anerkennung als Pachtvertrag zu versagen, wenn die vereinbarten Leistungen der Kinder keinen echten Pachtzins darstellen, wie ihn der Pächter bei einem Pachtvertrag unter Fremden als marktgerechte Gegenleistung üblicherweise zu entrichten hätte. Auch im Streitfall liegt es nahe, daß die vereinbarten Leistungen des Sohnes in erster Linie der Versorgung der Eheleute A dienen sollten. Dies ergibt sich insbesondere aus den Vereinbarungen in § 2 Buchst. b und § 4 des Vertrages vom 30. Juni 1965. Für den Fall, daß das FG nach Prüfung dieser Frage dem Vertrag vom 30. Juni 1965 die steuerrechtliche Anerkennung als Pachtvertrag versagen sollte, wäre insbesondere zu beachten, daß die aufgrund dieses Vertrages erbrachten Leistungen des Sohnes bei den Eheleuten A weder bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft noch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern - was das FG ebenfalls zu prüfen haben wird - allenfalls als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG erfaßt werden könnten.

Aus der steuerrechtlichen Unbeachtlichkeit des Pachtverhältnisses würde aber nicht ohne weiteres folgen, daß dem Vertrag vom 30. Juni 1965 die steuerrechtliche Bedeutung auch in der Weise aberkannt werden müßte, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft trotz Bewirtschaftung des Hofes durch den Sohn den Eheleuten A zuzurechnen wären. Wie der Senat in dem Urteil IV R 31/74 entschieden hat, kann ein solcher Vertrag auch als unentgeltlicher Betriebsüberlassungsvertrag steuerrechtlich anerkannt werden, wenn das alleinige Nutzungsrecht am gesamten land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, das volle Verfügungsrecht über das lebende und tote Inventar (oder das Eigentum an diesen Wirtschaftsgütern) und die alleinige Entscheidungsbefugnis für alle zur Führung des Betriebes erforderlichen Maßnahmen bis zum Eintritt des Erbfalles oder zumindest für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum eingeräumt werden. Auch in einem solchen Falle ist die Frage, ob die Eltern ihren Betrieb im Zuge der Nutzungsüberlassung aufgegeben haben, nach den oben unter a) dargelegten, für die Betriebsverpachtung geltenden Grundsätzen zu entscheiden. Das bedeutet, daß die Eheleute A auch im Falle der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung das Wahlrecht gehabt hätten, ob sie die Buchwerte der Wirtschaftsgüter des Betriebes fortführen oder ob sie die Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen überführen wollten, allerdings auch hier nur unter der Voraussetzung, daß das dem Sohn übereignete Inventar nicht zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes der Eheleute gehörte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71838

BStBl II 1976, 415

BFHE 1976, 323

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