Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Mitarbeit eines Rechtsanwalts bei einem Fachinstitut für ein Spezialrechtsgebiet oder bei einem Hochschullehrer läßt sich von seiner Anwaltstätigkeit nicht abgrenzen. Die hieraus erzielten Einkünfte können steuerlich nicht nach § 34 Abs. 4 EStG 1955 begünstigt werden.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 4

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist

bei der Einkommensteuerveranlagung 1956, ob ein Rechtsanwalt die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 4 EStG für seine Einkünfte aus wissenschaftlicher Gutachtertätigkeit erhalten kann.

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) ist Rechtsanwalt. Im Jahre 1956 war er neben seiner Anwaltstätigkeit als juristischer Mitarbeiter bei einer Gesellschaft für Versicherungswissenschaft (im folgenden "Ges" abgekürzt) gegen ein Jahreshonorar von 3.900 DM tätig. Für dieses Honorar stand er der Ges. für juristische Spezialfragen zur Verfügung. Außerdem bezog der Stpfl. für Mitarbeit an Rechtsgutachten des Prof. Dr. A. ein Honorar von 1.400 DM. Das Finanzamt (FA) gewährte für den Gesamtbetrag von 5.300 DM (etwa 20 v. H. seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit) die beantragte Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 4 EStG nicht, weil die Einkünfte aus dieser wissenschaftlichen Tätigkeit nach dem Urteil des BFH IV 263/53 U vom 5. November 1953 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 58 S. 209 - BFH 58, 209 -, BStBl III 1953, 371) zu den Einkünften aus der Haupttätigkeit als Anwalt zählten.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, in den Rahmen der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts falle die Beratung und Begutachtung auf allen Rechtsgebieten. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich die Tätigkeit auf Einzelfälle oder auf Grund eines langfristigen Vertrages auf alle vorgelegten Fragen erstrecke, ob der Stpfl. nach außen hin als Verfasser der Gutachten auftrete und ob es sich um Gutachten für rein wissenschaftliche oder praktische Zwecke handele. Es fehle an der Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte. Deshalb bestehe keine Möglichkeit, die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG zu gewähren.

Mit der Rb. führt der Stpfl. aus, seine Anwaltstätigkeit und die Gutachtertätigkeit seines voneinander abgrenzbar. Aus der Tatsache, daß der Vertrag mit der Ges. schon vor seiner Zulassung als Rechtsanwalt geschlossen worden sei, gehe hervor, daß seine Dienste nicht in seiner Eigenschaft als Anwalt in Anspruch genommen würden. Außerdem habe sich die Tätigkeit zwar vorwiegend auf rechtswissenschaftliche, aber auch auf soziologischen und volkswirtschaftliche Gebiete erstreckt. Sie sei nur in Zusammenarbeit mit anderen Kräften der Ges. möglich gewesen. Man könne seine Tätigkeit mit der Lehrtätigkeit eines Anwalts an einer Universität vergleichen (freie Mitarbeit als Assistent).

 

Entscheidungsgründe

Die am 1. Februar 1962 eingelegte Rb. war nach Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966) als Revision zu behandeln. Sie ist unbegründet.

Mit Recht lehnte das FG ab, dem Stpfl. die von ihm für den Veranlagungszeitraum 1956 erstrebte Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG zu gewähren. Seine Tätigkeit für die Ges. und Prof. A. läßt sich nicht von seiner Rechtsanwaltspraxis abgrenzen. Abgrenzbar ist eine Tätigkeit dann, wenn sie sich von der hauptsächlich ausgeübten freien Berufstätigkeit in einer Weise abhebt, die sie als nicht mehr zu ihr gehörend eindeutig erkennen läßt. Die Abgrenzbarkeit verneint die ständige Rechtsprechung des BFH im allgemeinen bei solchen Steuerpflichtigen, die bereits im Hauptberuf eine wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit ausüben (letztes im BStBl veröffentlichtes Urteil 150/62 U vom 22. Oktober 1964, BFH 81, 39, BStBl III 1965, 14). Nach der bereits im angefochtenen Urteil und vom FA genannten BFH- Entscheidung IV 263/53 U fällt in den Rahmen der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts die Beratung und Begutachtung auf allen Rechtsgebieten. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Zur Begutachtung zählt es auch, wenn ein Rechtsanwalt nicht praktische Fälle sondern Rechtsprobleme wissenschaftlich bearbeitet. Es kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, ob sich bei einem Rechtsanwalt die wissenschaftliche Nebentätigkeit von seiner Haupttätigkeit abgrenzen läßt, wenn sie völlig abseits von jeder praktischen Anwaltsarbeit liegt, z. B. eine Forschungsaufgabe auf dem Gebiete des römischen Rechts. Diese Möglichkeit scheidet beim Stpfl. aus. Er beschäftigte sich wissenschaftlich mit versicherungsrechtlichen Fragen, mit denen sich viele Rechtsanwälte in ihrer täglichen Praxis befassen müssen.

Der Stpfl. kann sich auch nicht darauf berufen, daß Gewinne aus Schriftstellerei auf rechtlichem Gebiet steuerbegünstigt seien. Diese Begünstigung beruht auf der Tatsache, daß die schriftstellerische Tätigkeit als solche nach § 34 Abs. 4 EStG steuerbegünstigt ist, ohne Rücksicht auf den Inhalt. Deshalb konnte der Senat die Einkünfte eines Rechtsanwalts als tarifbegünstigte Nebeneinkünfte im Sinne des § 34 EStG ansehen, die ihm aus seiner Tätigkeit als Schriftsteller zuflossen (BFH- Urteil IV 221/63 U vom 11. März 1965, BFH 82, 361, BStBl III 1965, 379).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412197

BStBl III 1966, 623

BFHE 1966, 679

BFHE 86, 679

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