Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichstellung von echter und unechter Betriebsaufspaltung; zur sachlichen Verflechtung bei Betriebsaufspaltung

 

Leitsatz (NV)

1. An der Gleichbehandlung von echter und unechter Betriebsaufspaltung wird festgehalten.

2. Bei Entscheidung der Frage, ob eine wesentliche Betriebsgrundlage vermietet ist, sind das Verhältnis der Größe des vermieteten Grundstücks zum gesamten von der GmbH für betriebliche Zwecke genutzten Grundvermögens sowie die Nutzungsart des vermieteten Grundstücks zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR). Sie war bis 1966 eine KG. Als KG führte die Klägerin bis zum 31. Dezember 1965 Reparaturen für die Z-GmbH durch. Seit dem 1. Januar 1966 beschäftigte sich die Klägerin nur noch mit der Vermietung ihres Grundbesitzes. Dieser besteht in den Streitjahren (1966 bis 1969) aus einem mit einem Bürohaus bebauten Grundstück von 4 186 qm. Die Herstellungskosten des 1964 bis 1965 errichteten Bürohauses betrugen 2 941 767 DM. Das Grundstück ist an die Z-GmbH verpachtet. Als Mieterträge wies die Klägerin für die Jahre 1966 bis 1969 jeweils . . . DM aus. Das Grundstück der Klägerin ist Teil eines von der Z-GmbH genutzten zusammenhängenden Areals von mehr als 155 000 qm. Die übrigen Grundstücke dieses Areals gehören der Z-GmbH (ca. 25 000 qm) und ca. 125 000 qm dem Z-Y-Grundstücks-Konsortium GdbR, (ZY-GK-GdbR).

Folgende Personen waren in den Streitjahren sowohl an der Klägerin als auch an der Z-GmbH beteiligt:

vom 1. Januar 1966 bis 29. April 1967

Z-GmbH Klägerin

v. H. v. H.

A 25 5,33

B 12 7,918

C 26,25 4,5

D 0,875 3,93

E 0,875 3,95

F 0,875 3,95

G 1,3125 5,918

H 1,3125 5,918

I 7,875 3,918

K 6,675 7,868

L 7,875 7,886

90,925 61,086

vom 30. April 1967 bis 31. Dezember 1969

Z-GmbH Klägerin

v. H. v. H.

B 17,3125 9,05

M 5,3125 9,05

N 5,3125 9,05

Frau B 5,3125 9,05

O 3,750 0,802

C 26,25 4,5

D 0,875 3,93

E 0,875 3,95

Frau H 0,875 3,95

G 1,3125 5,918

H 1,3125 5,918

I 7,875 3,918

K 6,675 7,868

L 7,875 7,886

90,925 84,84

Bei der Klägerin richten sich die Stimmrechte der Gesellschafter nach ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen.

Die Klägerin überließ in den Streitjahren der Z-GmbH auch ihre flüssigen Geldmittel. Die Zinserträge dafür betrugen in den Streitjahren zwischen . . . DM und . . . DM.

Das Finanzamt (- FA -) vertrat die Auffassung, die Klägerin sei in den Streitjahren infolge einer Betriebsaufspaltung gewerblich tätig gewesen. Er erließ demzufolge für die Streitjahre Gewerbesteuermeßbescheide. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision wird die Verletzung von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), von § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung(GewStDV), des Grundsatzes der Erforschung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gerügt. Zur Begründung trägt die Klägerin vor:

1. Im Streitfall liege eine unechte Betriebsaufspaltung vor. Diese könne nicht zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit der Besitzgesellschaft führen, da - anders als bei der echten Betriebsaufspaltung - kein Betriebsvermögen vorhanden gewesen sei.

2. Das FG habe das für die Annahme einer sachlichen Verflechtung erforderliche Merkmal ,,einer wesentlichen Betriebsgrundlage" für den Betrieb der Betriebsgesellschaft verkannt. Die Auffassung des FG, es komme allein auf das absolute wirtschaftliche Gewicht des vermieteten Grundstücks im Rahmen der Betriebsgesellschaft an, stehe in Widerspruch zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Dezember 1974 I R 260/72 (BFHE 114, 433, BStBl II 1975, 266). Nachdem das absolute wirtschaftliche Gewicht bejaht worden sei, müsse auf das Verhältnis der gesamten von der GmbH benutzten Betriebsgrundlagen zu dem verpachteten Grundstück abgestellt werden. Erst im Rahmen dieses Verhältnisses sei zu prüfen, ob das verpachtete Grundstück für die Betriebsführung durch die GmbH ein wirtschaftliches Gewicht besitze. Aus diesem Grunde besage weder die Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des verpachteten Grundstücks noch die Lage in dem von der Betriebsgesellschaft genutzten Areals etwas über das Vorliegen des Merkmals ,,eine wesentliche Betriebsgrundlage". Auch die erhebliche Darlehensgewährung der Klägerin an die Z-GmbH rechtfertige nicht die Annahme, daß die Klägerin gewerblich tätig geworden sei. Das gleiche gelte hinsichtlich des Umstandes, daß die Gesellschafter der Klägerin gleichzeitig Gesellschafter der ZY-GK-GdbR seien, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb habe.

3. Hätte das FG der beantragten Augenscheinseinnahme entsprochen, so hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, daß das von der Klägerin verpachtete Grundstück keine wesentliche Betriebsgrundlage der Z-GmbH sei.

4. Trotz der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62 (BVerfGE 25, 28, BStBl II 1969, 389) und vom 24. Juni 1980 1 BvR 286/80 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1980, 508) verstoße die Annahme einer Betriebsaufspaltung im Streitfall gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es für die Annahme eines Gewerbebetriebs an einer eindeutigen gesetzlichen Regelung fehle. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60 (BVerfGE 19, 253) erfordere es das Rechtsstaatsprinzip, daß steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, daß der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen könne. Das sei aufgrund des von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Merkmals des einheitlichen Betätigungswillens nicht der Fall. Ein Besitzunternehmen könne nur dann ein Gewerbebetrieb sein, wenn es die hierfür in § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 1 Abs. 1 GewStDV vorgeschriebenen Merkmale erfülle. Dies sei hinsichtlich der Klägerin nicht der Fall. Sie beteilige sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, weil sie der Allgemeinheit keine Leistungen gegen Entgelt anbiete.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Entgegen der Annahme des FG hat die Klägerin als GdbR bereits 1966 bestanden. Sie war zwar im Streitjahr 1966 noch als KG im Handelsregister eingetragen, hatte jedoch am 31. Dezember 1965 jede werbende Tätigkeit eingestellt. Zivilrechtlich war sie daher vom 1. Januar 1966 an eine GdbR (BFH-Urteil vom 25. April 1985 IV R 36/82, BFHE 144, 20, BStBl II 1985, 622).

2. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) ist ein Unternehmen (Besitzunternehmen), das lediglich Wirtschaftsgüter an eine gewerblich tätige Gesellschaft (Betriebsgesellschaft) zur Nutzung überläßt, dann als Gewerbebetrieb zu behandeln, wenn zwischen beiden Unternehmen eine personelle und sachliche Verflechtung besteht. Eine personelle Verflechtung ist zu bejahen, wenn ,,die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" haben. Für die Annahme eines solchen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens genügt es, daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen. Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage sind (BFH-Urteil vom 24. November 1978 III R 121/76, BFHE 127, 214, BStBl II 1979, 366).

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil VIII R 240/81 vom heutigen Tage (BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296) entschieden, daß diese Rechtsprechung mit dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) vereinbar ist.

3. Der Einwand der Klägerin, die Annahme einer Betriebsaufspaltung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es für die Betriebsaufspaltung an einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage fehle, ist nicht begründet. Der Senat verweist insoweit auf den Beschluß des BVerfG vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u. a. (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475).

4. a) Unzutreffend ist ferner der Einwand der Klägerin, eine unechte Betriebsaufspaltung könne nicht zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit einer Besitzgesellschaft führen, weil bei einer unechten Betriebsaufspaltung kein Betriebsvermögen vorhanden sei. Die Klägerin übersieht, daß in der Rechtsprechung des BFH (vgl. insbesondere den Beschluß des Großen Senats in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) die unechte Betriebsaufspaltung steuerrechtlich ebenso behandelt wird wie die echte, und daß demzufolge auch bei der unechten Betriebsaufspaltung nach dieser Rechtsprechung zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens alle Wirtschaftsgüter gehören, die dieses Unternehmen der Betriebsgesellschaft überlassen hat.

b) Der BFH hat die für die echte Betriebsaufspaltung entwickelten Grundsätze bereits in seinem Urteil vom 3. November 1959 I 217/58 U (BFHE 70, 134, BStBl III 1960, 50) auch auf die Fälle der unechten Betriebsaufspaltung angewendet. Diese Rechtsprechung ist bis heute beibehalten worden (Urteile vom 16. Januar 1962 I 57/61 S, BFHE 74, 275, BStBl III 1962, 104; vom 24. Februar 1967 VI 169/65, BFHE 88, 319, BStBl III 1967, 387; vom 24. Juni 1969 I 201/64, BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17; vom 20. September 1973 IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869; in BFHE 127, 214, BStBl II 1979, 366 und vom 23. Juli 1981 IV R 103/78, BFHE 134, 126, BStBl II 1982, 60). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen diese Rechtsprechung nicht (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 25, 28, BStBl II 1969, 389).

c) Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die unterschiedliche Entstehung der sachlichen und personellen Verflechtung bei der echten und bei der unechten Betriebsaufspaltung rechtfertigen keine unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung. Auch aus dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 kann nicht entnommen werden, was eine unterschiedliche Behandlung zwischen echter und unechter Betriebsaufspaltung rechtfertigen würde.

5. Das FG ist jedoch hinsichtlich der Frage, ob eine sachliche Verflechtung vorliegt, von einer fehlerhaften Rechtsauffassung ausgegangen; denn es hat die Größe des von der Klägerin vermieteten Grundstücks im Verhältnis zum gesamten von der GmbH für betriebliche Zwecke benutzten Grundbesitz nicht als entscheidungserheblich angesehen. Es hat ferner nicht berücksichtigt, daß es sich bei dem von der Klägerin vermieteten Grundbesitz um ein Bürohaus handelt. Diese Umstände müssen nach Auffasung des erkennenden Senats (vgl. das Urteil VIII R 342/82 vom heutigen Tag; BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299) bei der für die Entscheidung, ob eine wesentliche Betriebsgrundlage vermietet ist, anzustellenden Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. Die Vorentscheidung muß daher aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG die in dem vorerwähnten Urteil VIII R 342/82 dargestellten Grundsätze zu beachten haben und die von der Klägerin angebotene Augenscheinseinnahme durchführen müssen.

Das FG wird weiter beachten müssen, daß weder aus der Darlehensgewährung noch aus einer Beteiligung der Gesellschafter der Klägerin an der ZY-GK-GdbR Schlüsse auf das Vorliegen einer sachlichen Verflechtung gezogen werden dürfen; denn diese Umstände haben auf das Bestehen oder Nichtbestehen der Voraussetzung einer sachlichen Verflechtung, nämlich darauf, ob dem Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage von dem Besitzunternehmen überlassen worden ist, keinen Einfluß.

Schließlich wird das FG auch zu prüfen haben, ob die eine Personengruppe bildenden Gesellschafter, die sowohl an der Klägerin als auch an der Z-GmbH beteiligt sind, den für die Annahme einer personellen Verpflechtung erforderlichen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Bedenken könnten deshalb bestehen, weil neben der Klägerin die ZY-GK-GdbR als zweite Besitzgesellschaft besteht, an der offensichtlich zum Teil dieselben Gesellschafter beteiligt sind wie an der Klägerin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414248

BFH/NV 1986, 360

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