Leitsatz (amtlich)
Der I. Senat tritt der Rechtsauffassung des IV. Senats darin bei, daß in Fällen der Betriebsaufspaltung die Gewerbesteuerpflicht der Besitzgesellschaft grundsätzlich zu bejahen ist, wenn dieselben Personen auch an der Betriebskapitalgesellschaft wenngleich in unterschiedlichem Verhältnis beteiligt sind und sie die Doppelgesellschaft vermöge ihrer Gesamtbeteiligungen beherrschen können (vgl. BFH-Urteile vom 2. August 1972 IV 87/65, BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796; vom 23. November 1972 IV R 63/71, BFHE 108, 44, BStBl II 1973, 247; vom 20. September 1973 IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869).
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Verpachtung eines bebauten Grundstücks unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung einen Gewerbebetrieb darstellt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - die Grundstücksgesellschaft R. - ist Verwalterin eines bebauten Grundstücks, das neben den Betriebsräumen zwei Wohnungen enthält und ursprünglich zum Betriebsvermögen des Einzelkaufmanns J. H. R. gehörte. Dieser wurde nach seinem Tode (im Jahre 1953) von seiner Ehefrau Hildegard R zu 50 v. H. und von seinen beiden Kindern - Dipl.-Ing. H. F. R. und Hildegard D, geborene R - zu je 25 v. H. beerbt. Die Erben führten den zum Nachlaß gehörenden Gewerbebetrieb zunächst in der Rechtsform einer KG fort, in die sie das ererbte Betriebsvermögen einbrachten - mit Ausnahme jedoch des Grundstücks, das indes nach wie vor dem Betriebe diente und auch in der Bilanz der KG als deren Betriebsvermögen zugehörig ausgewiesen wurde. Persönlich haftender Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der KG war der Sohn des Erblassers.
Mit notariellem Vertrag vom 11. April 1963 wurde das Betriebsvermögen der KG - mit Ausnahme des Grundstücks - auf die von den Gesellschaftern der KG neu gegründete GmbH übertragen; die Einlagen auf das Stammkapital übernahmen zu 65 v. H. Dipl.-Ing. H. F. R., zu 25 v. H. Frau Hildegard R und zu 10 v. H. Frau Hildegard D, geborene R. Die KG wurde im Handelsregister gelöscht. Die Verwaltung des Grundstücks wurde der von den Erben am gleichen Tage gegründeten Klägerin übertragen. Diese verpachtete das Grundstück mit einem besonderen Vertrage vom 11. April 1963 an die GmbH. Den Pachtzins sah sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, während der Beklagte und Revisionskläger (FA) in der Verpachtung einen Gewerbebetrieb der Klägerin erblickte.
Die nach erfolglosem Einspruch zum FG erhobene Klage führte zur Aufhebung der angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide. Das FG führte aus:
Der Vorgang der Vermietung und Verpachtung erfülle nur in denjenigen Ausnahmefällen, in denen er über den Rahmen einer reinen Vermögensverwaltung hinausgehe, die Voraussetzungen der Bestimmung des § 1 GewStDV für die Annahme der Gewerbesteuerpflicht des Verpächters. Im Streitfalle erfordere die Tätigkeit der Klägerin weder einen über das übliche Maß hinausgehenden Verwaltungsaufwand noch sei sie unter dem Gesichtspunkt der Betriebsaufspaltung als Gewerbebetrieb anzusehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme es allerdings nicht darauf an, daß das Grundstück, das von Anfang an im Gesamthandseigentum der Erbengemeinschaft gestanden habe, bei der Übertragung des Betriebsvermögens der KG auf die GmbH von der Klägerin zurückbehalten worden sei, nachdem es so lange der KG gedient habe und auch als deren Betriebsvermögen in der Bilanz ausgewiesen gewesen sei. Es bestünden auch keine Bedenken, in sachlicher Hinsicht eine enge Verflechtung der Klägerin mit der GmbH anzunehmen, da das Grundstück - nach Lage und Größe speziell für den Fertigungsbetrieb ausgesucht und gekauft (die Lage des Grundstücks spiele insbesondere im Hinblick auf den Verkehr mit Zulieferern und Abnehmern eine erhebliche betriebliche Rolle) - eine wesentliche Betriebsgrundlage für die GmbH darstelle. Auch die Betriebsgebäude seien in funktioneller Hinsicht speziell auf die Bedürfnisse des Fertigungsbetriebes ausgerichtet worden.
Es fehle indes in Ansehung der hinter der Klägerin und der GmbH stehenden Personen an jener Beherrschungskongruenz, die die Rechtsprechung des BFH im Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) für die Bejahung einer Betriebsaufspaltung mit ihrem Gedanken von dem bestimmenden "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" der hinter Besitz- und Betriebsunternehmen stehenden Personen fordere. Die Beschlüsse der Klägerin würden mit einfacher Mehrheit gefaßt; das Stimmrecht der Gesellschafter richte sich nach ihrer vermögensrechtlichen Beteiligung entsprechend ihren Anteilen in der Erbengemeinschaft. Danach verfüge keiner der Gesellschafter allein über eine Stimmenmehrheit; die Stimmrechte der Kinder könnten sich nur in Verbindung mit dem Stimmrecht der Mutter mehrheitsbildend auswirken. Wenngleich der Dipl.-Ing. H. F. R. die Klägerin allein nach außen vertrete und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei, so seien seine Befugnisse doch entscheidend dadurch eingeschränkt, daß er zu einer Änderung des Pachtvertrages der Klägerin mit der GmbH der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfe (wie der Änderungsvertrag vom 29. Dezember 1967 tatsächlich erwiesen habe). Dagegen würden die Beschlüsse der GmbH, wenngleich ebenfalls mit einfacher Mehrheit gefaßt, durch den Dipl.-Ing. H. F. R. bestimmt, der entsprechend seiner Beteiligung über eine Stimmrechtsmehrheit von 65 v. H. verfüge. Danach stünden möglichen Mehrheitsverhältnissen bei der Klägerin nicht entsprechende mögliche Mehrheitsverhältnisse bei der GmbH gegenüber.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt es vor:
Entgegen der Auffassung des FG sei der nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH GrS 2/71 erforderliche einheitliche geschäftliche Betätigungswille der Gesellschafter der Klägerin und der GmbH als einer durch gleichgerichtete Interessen geschlossenen Personengruppe im Sinne des BFH-Urteils vom 2. August 1972 IV 87/65 (BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796) gegeben. Nicht so sehr die Stimmrechtsverhältnisse als vielmehr das Vorliegen eines tatsächlich einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens seien entscheidend. Die Möglichkeit wechselnder Mehrheitskonstellationen sei selbst bei völliger Personen- und Anteilsidentität nicht ausgeschlossen. Eine Personengruppe könne jedoch auch ohne Anteilsidentität eine durch ihre Interessen geschlossene Gruppe bilden, sofern sie beide Gesellschaften zu beherrschen imstande sei. So seien auch im Streitfalle Mutter und Sohn als Gesellschafter sowohl der Klägerin als auch der GmbH angesichts ihres gleichgerichteten natürlichen Interesses am Funktionieren des aus beiden Gesellschaften bestehenden geschäftlichen Organismus als eine einheitliche Personengruppe anzusehen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise macht sie geltend, daß der Gewerbebetrieb der Klägerin ruhe, weiterhin hilfsweise, daß der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG um die Miet- und Pachteinnahmen aus der Verwaltung des Grundbesitzes zu kürzen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung in sachlicher Hinsicht bejaht. Nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen bietet der Streitfall das typische Bild einer Betriebsaufspaltung. Besitzgesellschaft und Betriebskapitalgesellschaft sind bereits dadurch in besonderer Weise verbunden, daß das verpachtete Fabrikgrundstück speziell auf die betrieblichen Erfordernisse der Kapitalgesellschaft ausgerichtet war und eine wesentliche Betriebsgrundlage dieser Gesellschaft bildete.
2. Für die Beurteilung der personellen Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung, die das FG zu Unrecht verneint hat, ist von der Entscheidung des Großen Senats GrS 2/71 auszugehen. Danach wird für die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens nicht vorausgesetzt, daß an beiden Unternehmen die gleichen Beteiligungen derselben Personen bestehen. Die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen müssen einen "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" haben. Es genügt, daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen. Ob diese Voraussetzung zutrifft, ist der Entscheidung des Großen Senats zufolge nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. An diese Voraussetzungen sind strenge Anforderungen zu stellen.
a) Nach dem BFH-Urteil IV 87/65, welches den Streitfall betraf, der zur Anrufung des Großen Senats in der Sache GrS 2/71 geführt hatte, ist bei der Entscheidung darüber, ob die hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, grundsätzlich davon auszugehen, daß die Personen, die an beiden Unternehmen beteiligt sind, der Natur der Sache nach eine durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe darstellen. Danach begründet diese Personengruppe die enge wirtschaftliche Verflechtung der beiden Unternehmen. Sie ist durch ihre Einheit und ihre Doppelstellung in der Lage, beide Unternehmen nach Maßgabe der Höhe ihrer Gesamtbeteiligungen faktisch zu beherrschen. Die Personen dieser Gruppe können in der Regel an beiden Unternehmen in unterschiedlicher Höhe beteiligt sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ihre Beteiligungen der Höhe nach in extremer Weise entgegengesetzt sind. Der letztgenannte Gesichtspunkt ist erläutert in dem BFH-Urteil vom 23. November 1972 IV R 63/71 (BFHE 108, 44, BStBl II 1973, 247). Danach stehen unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse der Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens bei beiden Unternehmen grundsätzlich nicht entgegen, wenn beispielsweise die beiden Gesellschafter einer Doppelgesellschaft an der Besitzpersonengesellschaft im Verhältnis 50 : 50, an der Betriebs-GmbH dagegen im Verhältnis 88 : 12 beteiligt sind. Im gleichen Sinne hat der IV. Senat einen Fall entschieden (Urteil vom 20. September 1973 IV R 41/69, BFHE 110, 368, BStBl II 1973, 869), in welchem Personenidentität vorlag, wobei innerhalb dieser Personengruppe eine engere Gruppe in der Besitzgesellschaft die einfache Mehrheit (60 v. H.) und in der Betriebskapitalgesellschaft eine qualifizierte Mehrheit besaß (99,27 v. H.).
Der erkennende Senat schließt sich der in den vorstehend bezeichneten Entscheidungen enthaltenen näheren Bestimmung des vom Großen Senat entwickelten Begriffes des "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens" an. Damit wird der Grundauffassung des Großen Senats Rechnung getragen, daß das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung weiterhin steuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. Entscheidung GrS 2/71, Abschn. V. 1.). Die Auffassung des FG entspräche nicht der Natur der Sache. Das übergeordnete Interesse der Gesellschafter der Besitzgesellschaft ist notwendigerweise auf die gemeinsame Beherrschung der Betriebskapitalgesellschaft gerichtet. Dies schließt Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätze in untergeordneten Fragen zwischen den Gesellschaftern nicht aus. Aus solchen Gegensätzen kann deshalb nicht auf das Fehlen eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens geschlossen werden.
b) Im Streitfall liegt völlige Personenidentität der Gesellschafter beider Unternehmen der Doppelgesellschaft vor. Die Gesellschafter bildeten daher insgesamt eine durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe. Einer besonderen Gestaltung der Vertragsbeziehungen zur Herbeiführung eines "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens" hätte es nicht bedurft. Im Streitfall lag sie sogar vor, da Satzungsbestimmungen getroffen waren, welche die Gesellschafter zur Zusammenarbeit verpflichteten.
Allerdings waren die Gesellschafter mit unterschiedlichen Anteilen beteiligt. Kein Gesellschafter besaß in der Grundstücksgesellschaft die Mehrheit. Der Mehrheitsgesellschafter der GmbH (Sohn) verfügte in der Grundstücksgesellschaft über eine Mehrheit der Anteile nur zusammen mit seiner Mutter. Da indes, wie ausgeführt, die Gesellschafter insgesamt eine einheitliche Personengruppe darstellten, verfügten sie zusammen in beiden Unternehmen über je 100 v. H. der Anteile. Extrem unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse im Sinne der bezeichneten BFH-Urteile IV 87/65 und IV R 63/71 lagen nicht vor.
Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, daß innerhalb der Gesamtgruppe der identischen Gesellschafter eine engere, aus Mutter und Sohn bestehende Personengruppe unterschieden werden könnte, welche sowohl in der Besitzgesellschaft als auch in der Betriebskapitalgesellschaft zusammen je 75 v. H. der Anteile besaß.
3. Dem Hilfsantrag der Klägerin kann nicht stattgegeben werden. Die Klägerin begehrt für den Fall einer Bejahung der Gewerbesteuerpflicht die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags um die Miet- und Pachteinnahmen aus der Verwaltung des Grundstücks (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG). Eine Besitzgesellschaft übt indes im Rahmen einer Betriebsaufspaltung keine Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Verbindung mit § 9 GewStDV, sondern eine ihrer Natur nach gewerbliche und daher nicht begünstigte Tätigkeit aus (BFH-Urteile vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688).
Fundstellen
BStBl II 1975, 266 |
BFHE 1975, 433 |