Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der erkennende Senat hält an dem Urteil VII 176/60 U vom 16. November 1965 (BFH 83, 646, BStBl III 1965, 735, 736) fest, daß die Verwaltungsakte der OFD in allen Umsatzsteuersachen, auch in Umsatzsteueraufrechnungs- und in Umsatzsteuerbeitreibungssachen, durch Verwaltungsangehörige des Bundes zu zeichnen sind und daß sich die Fä und ihre Organe (Vollstreckungsstellen, Vollziehungsbeamten) bei ihrer Hilfstätigkeit für die OFD in allen Umsatzsteuersachen ausdrücklich als Hilfsstellen der OFD zu bezeichnen haben.

 

Normenkette

FVG § 9; GG Art. 87 Abs. 1 S. 1, Art. 108/1/1

 

Gründe

Die Beschwerdeentscheidung der OFD ist in einer Umsatzsteuersache ergangen und unstreitig von einem Landesbeamten unterzeichnet worden. Nach Art. 108 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes GG wird die Umsatzsteuer "durch Bundesfinanzbehörden" verwaltet. Deshalb bestimmt auch § 9 Abs. 1 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) zutreffend, daß die Umsatzsteuer durch die (hier in erster Instanz tätig werdende) OFD verwaltet wird, und zwar durch Verwaltungsangehörige des Bundes, die dem Oberfinanzpräsidenten (als Bundesbeamten) unmittelbar unterstehen. Zur Umsatzsteuer- "Verwaltung" gehört auch die Beitreibung wegen Umsatzsteueransprüche (vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats VII 176/60 U vom 16. November 1965, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 83 S. 646 - BFH 83, 646 - BStBl III 1965, 735, an dem der Senat nach nochmaliger eingehender überprüfung in vollem Umfang festhält, ferner Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, Tz. 91, 3013, 3027). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der OFD darin zuzustimmen ist, daß die Durchführung einer Aufrechnungsverfügung als "vollstreckungsähnliche" Maßnahme anzusehen ist, denn jedenfalls sind die Aufrechnung und ihre Durchführung sowie die Beitreibung wegen Umsatzsteuer Maßnahmen der Umsatzsteuer-Verwaltung. Soweit daher eine OFD in Umsatzsteuersachen - auch in Umsatzsteueraufrechnungs- oder Umsatzsteuerbeitreibungssachen - tätig wird, sind nach den angegebenen gesetzlichen Vorschriften die Verwaltungsakte der OFD durch Verwaltungsangehörige des Bundes zu zeichnen, die damit die Verantwortung für sie übernehmen (vgl. im einzelnen die Gründe des bezeichneten Urteils VII 176/60 U vom 11. November 1965). Die Gesetzeslage ist eindeutig. Steuergerichte und Finanzverwaltungsbehörden sind nach Art. 20 Abs. 3 GG an sie gebunden. Wenn die OFD sich darauf beruft, daß nach ihrem Geschäftsverteilungsplan der zu Landesabteilung gehörende Referent mit der Bearbeitung der Vollstreckungsangelegenheiten hinsichtlich aller Steuern auf der Ebene der OFD betraut worden sei, so geht dieser Einwand fehl; der Geschäftsverteilungsplan muß sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, also auch der Art. 108 Abs. 1 Satz 1, 87 Abs. 1 Satz 1 GG, § 9 Abs. 1 FVG, halten. Die OFD meint ferner, es erscheine durchaus sinnvoll, "die Dienstaufsicht und die Befugnis zur Entscheidung über Rechtsbehelfe in der Mittelinstanz in eine Hand zu legen". Das trifft hinsichtlich der Umsatzsteuer schon deshalb nicht zu, weil die OFD für die Verwaltung dieser Steuer - wie der BFH u. a. in dem bezeichneten Urteil VII 176/60 U vom 16. November 1965 entschieden hat - bei verfassungskonformer gesetzlicher Auslegung nicht "Mittelinstanz" sondern erste Instanz ist. Die OFD macht weiter geltend, daß gegen die Auslegung des BFH der § 9 Abs. 2 FVG spreche, nach dem die Beteiligung der Fä, also von Landesbeamten, an der Bearbeitung der Umsatzsteuer vorgesehen sei; dann könne auch nicht "schlechthin jede Bearbeitung von Umsatzsteuerangelegenheiten auf der Ebene der OFD durch Landesbeamte" ausgeschlossen sein. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 FVG ist eine Sondervorschrift, die wegen des engen Zusammenhangs der Verwaltung der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer geschaffen worden ist, weil die Verwaltung der Umsatzsteuer nicht wie diejenige des Bundesanteils an der Einkommensteuer den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen worden ist. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 FVG ist im Schrifttum starken verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Der BFH, auch der erkennende Senat, hat sie aber in ständiger Rechtsprechung noch für verfassungsgemäß angesehen. Nach Auffassung des Senats verlangt aber das Gesetz für eine dem GG entsprechende, ordnungsgemäße Mitwirkung der Fä die Landesbehörden sind, bei der Bearbeitung von Umsatzsteuersachen, auch von Umsatzsteueraufrechnungs-, Umsatzsteuerbeitreibungssachen usw., die Bundesangelegenheit ist, daß sie das ausdrücklich als "Hilfsstellen" der OFD (Bund), als deren "Umsatzsteuerstellen", tun; nur dann ist auch nach außen hin eindeutig klargestellt, daß die Fä insoweit namens des Bundes handeln, und ist dem GG in ausreichendem Maße Rechnung getragen (vgl. das bezeichnete Urteil VII 176/60 U vom 16. November 1965). Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 FVG ist aber weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn ausdehnungsfähig. Für eine Ausdehnung der Vorschrift auf die OFD liegt auch keine Notwendigkeit vor. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß in einer von der OFD zu entscheidenden Sache, die die Aufrechnung, Beitreibung usw. wegen Umsatzsteuer und zugleich wegen Landessteuern betrifft, ein Landesangehöriger der OFD zur Mitprüfung auch hinsichtlich der Umsatzsteuer herangezogen wird. Die Verantwortung für die Verfügung in der Umsatzsteuersache (Bundesangelegenheit) muß nach dem GG aber ein Verwaltungsangehöriger des Bundes bei der OFD übernehmen; er muß also die Umsatzsteuersache unterzeichnen. ....

 

Fundstellen

Haufe-Index 412237

BStBl III 1966, 560

BFHE 1966, 465

BFHE 86, 465

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