Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine übereignung im Sinne des § 116 Abs. 1 AO liegt nicht vor, wenn der vorletzte Gesellschafter aus einer Personengesellschaft ausscheidet und sein Anteil am Gesellschaftsvermögen dem als Alleininhaber zurückbleibenden Gesellschafter kraft Gesetzes anwächst.

 

Normenkette

AO § 116 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht den Bf. für Umsatzsteuerrückstände seines Vaters aus dem Jahre 1952 gemäß § 116 Abs. 1 AO als Haftende in Anspruch genommen hat.

Der Vater des Bf., der ein Putz- und Stuckgeschäft betrieb, schuldet dem Finanzamt noch Umsatzsteuer 1952 in Höhe von 1.280 DM. Im August 1952 gründete der Vater mit dem Bf., seinem Sohne, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und brachte seinen Gewerbebetrieb in die Gesellschaft ein. Jeder Gesellschafter wurde zur Hälfte am Gewinn und Vermögen der Gesellschaft beteiligt. Im April 1953 schied der Vater aus der Gesellschaft aus und übertrug seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen unentgeltlich auf seinen Sohn, den Bf., der nunmehr das Putz- und Stuckgeschäft allein weiterführt.

Im Mai 1958 nahm das Finanzamt den Bf. wegen der rückständigen Umsatzsteuer seines Vaters aus dem Jahre 1952 als Haftenden in Anspruch.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Er ist der Ansicht, das Finanzamt sei nicht berechtigt, ihn für die Umsatzsteuerschuld seines Vaters aus dem Jahre 1952 haftbar zu machen. Insbesondere weist der Bf. darauf hin, daß der vom Finanzamt geltend gemachte Haftungsanspruch 1958 bereits verjährt gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Im Streitfalle kommt es entscheidend darauf an, ob der vom Finanzamt gegen den Bf. geltend gemachte Haftungsanspruch 1953 oder früher entstanden ist. Ist nämlich der Haftungsanspruch nicht im Jahre 1953 entstanden, so war er bereits im Jahre 1958 bei Erlaß des Haftungsbescheides verjährt.

Für die Entstehung eines Haftungsanspruchs im Jahre 1953 könnte als maßgebendes Ereignis allein das Ausscheiden des Vaters aus der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts "A. und B. X." in Betracht kommen.

Der Senat vertritt jedoch in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer zweigliedrigen OHG keine Veräußerung des Betriebes im ganzen an den verbleibenden Gesellschafter darstellt, wenn der verbleibende Gesellschafter den Betrieb weiterführt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 170/58 U vom 17. November 1960, BStBl 1961 III S. 86). Diese für die OHG geltende Rechtsprechung ist auch für den Streitfall, in dem es sich um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts handelt, maßgebend.

Daraus folgt, daß das Ausscheiden des Vaters aus der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Jahre 1953 nicht die Grundlage für einen Haftungsanspruch gemäß § 116 Abs. 1 AO gegen den Bf. bilden kann. Der Anteil des Vaters am Gesellschaftsvermögen ist dem Bf. als dem verbleibenden Gesellschafter kraft Gesetzes angewachsen. Da dieses Anwachsen kraft Gesetzes geschieht, scheidet die Möglichkeit einer übereignung im Sinne des § 116 Abs. 1 AO aus.

Die Haftungsschuld des Bf. könnte daher nur noch im Jahre 1952 bei Gründung der BGB-Gesellschaft gemäß § 116 Abs. 1 in Verbindung mit § 113 AO entstanden sein. Hierauf braucht aber nicht eingegangen zu werden, da in jedem Falle die Verjährung einer Geltendmachung entgegenstehen würde.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, sind die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und der Haftungsbescheid aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Bf. ist von der Haftungsschuld freizustellen.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 174

BFHE 1961, 478

BFHE 72, 478

StRK, AO:116 R 6

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