Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsbeschwerde gegen eine sogenannte "isolierte" Kostenentscheidung ist zulässig.

Ist die Hauptsache durch änderungsbescheid nach § 94 AO erledigt worden, so ist bei der Kostenentscheidung in der Regel davon auszugehen, daß die Hauptsache im Sinn des änderungsbescheides entschieden worden wäre.

Bei der Frage, inwieweit ein Rechtsmittel Erfolg gehabt hat, ist nur auf den im Streit befindlichen Veranlagungszeitraum abzustellen; die durch die änderung nach § 94 AO erzielte Besserstellung für andere Veranlagungszeiträume bleibt außer Betracht, auch wenn sie durch das Rechtsmittelverfahren veranlaßt wird.

AO § 94, § 307; ZPO § 91a, § 99 Abs. 2; VwGO § 58 Abs. 2, § 161 Abs. 2; Arbeitsgerichtsgesetz § 46

 

Normenkette

AO §§ 94, 307; FGO § 135/1, § 136/1; ZPO §§ 91a, 99/2; VwGO § 58 Abs. 2

 

Tatbestand

In Streit ist nur noch die Kostenentscheidung des Finanzgerichts nach Erledigung der Hauptsache.

Der Bf. betrieb seine Praxis als Patentanwalt zunächst in einer von ihm privat genutzten Wohnung. Im Jahre 1952 zog er in eine andere Wohnung um, die er seit dem Umzug nur privat benutzte, während die ursprüngliche Wohnung als Büro diente.

In der Einkommensteuererklärung 1952 hatte er als Betriebsausgabe u. a. 8.000 DM geltend gemacht, die er als Baukostenzuschuß für die im Jahre 1952 bezogene Wohnung bezahlt hatte, und beantragt, die Einkommensteuer nach § 33 EStG unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung zu ermäßigen, falls die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe verneint werden sollte. Das Finanzamt veranlagte ihn, ohne den Zuschuß zu berücksichtigen. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Die Rb., mit der der Bf. bat, die Zahlung des Zuschusses von 8.000 DM als außergewöhnliche Belastung zu würdigen, und hilfsweise beantragte, die strittigen Ausgaben als Betriebsausgaben anzuerkennen, führte zur Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts. Der Bundesfinanzhof verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück, weil er zwar die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung nicht für gegeben ansah, aber eine Prüfung für erforderlich hielt, inwieweit bei dem Wohnungswechsel betriebliche Gründe eine Rolle gespielt hätten. Dem Finanzgericht wurde die Entscheidung über die Kosten der Rb. und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes übertragen.

Das Finanzamt half der Berufung nach § 94 AO in der Weise ab, daß es die Zahlung des Zuschusses von 8.000 DM als aus beruflichen Gründen geschehen anerkannte und in den Jahren 1952 bis 1955 je 2.000 DM als Betriebsausgaben zum Abzug zuließ. Kosten für die Berufung wurden nicht erhoben, Erstattungsansprüche nicht gestellt. Der Abhilfebescheid ist rechtskräftig. Es war daher vom Finanzgericht nur noch über die Kosten der Rb. zu entscheiden und der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren festzustellen.

Das Finanzgericht stellte den Streitwert auf 4.135 DM fest, d. h. auf die Differenz zwischen der Einkommensteuer, die der Bf. für 1952 ursprünglich zahlen sollte, und der Einkommensteuer, die er hätte zahlen müssen, wenn im Veranlagungszeitraum 1952 8.000 DM abgesetzt worden wären. Die Kosten der Rb. legte es zu drei Viertel dem Bf. auf mit der Begründung, der Bf. habe im endgültigen Ergebnis für 1952 nur eine Steuerminderung von 1.035 DM erreicht, er sei also mit drei Viertel seines Antrages unterlegen.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Steuerpflichtigen. Er macht geltend, er habe mit seinen Rechtsmitteln nicht den Abzug der 8.000 DM für das Jahr 1952 erstrebt, sondern den Abzug überhaupt. Dieses Ziel habe er voll erreicht.

Die Rb. ist zulässig. Sie richtet sich zwar nur gegen eine Kostenentscheidung. Diese ist aber ausnahmsweise selbständig anfechtbar, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, es sich also um eine sogenannte "isolierte" Kostenentscheidung (vgl. die entsprechenden Fälle der §§ 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO - und des § 158 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) handelt (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 554/53 U - vom 28. Januar 1954, BStBl 1954 III S. 90, Slg. Bd. 58 S. 470; VI 112/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 90, Slg. Bd. 64 S. 237).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Streitwert ist vom Finanzgericht richtig mit 4.135 DM festgestellt worden. Insoweit hat der Bf. keine Einwände erhoben.

Wie das Finanzgericht mit Recht angenommen hat, hängt die Entscheidung über die Kosten im wesentlichen davon ab, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Erledigung der Hauptsache nicht eingetreten wäre (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 27/52 U vom 17. April 1952, BStBl 1952 III S. 152, Slg. Bd. 56 S. 389; IV 287/62 vom 1. August 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 S. 450). Bei dieser Entscheidung darf im allgemeinen angenommen werden, daß der Streit zur Hauptsache wahrscheinlich zu einer Sachentscheidung geführt haben würde, die dem auf Einigung der Parteien beruhenden änderungsbescheid entsprach (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 728/31 vom 3. Februar 1932, RStBl 1932 S. 229). Diesen Erwägungen ist um so mehr zuzustimmen, als in § 128 des Regierungsentwurfs einer Finanzgerichtsordnung (Bundestagsdrucksache IV/1446) vorgesehen ist, daß die Abänderung gemäß § 94 AO ohne weiteres der Kostenentscheidung zugrunde zu legen ist und insoweit den Steuerpflichtigen keine Kosten treffen sollen. Auch der weiteren Erwägungen des Reichsfinanzhofs, daß gegen die Unterstellung des Ergebnisses der änderung nach § 94 AO als Ergebnis der sachlichen Nachprüfung insbesondere dann nichts einzuwenden sei, wenn die Sachentscheidung im wesentlichen auf eine Tatsachenwürdigung hinauslaufen würde, ist besonders deshalb zuzustimmen, weil § 91 a ZPO (auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwendbar - § 46 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes -) und § 161 Abs. 2 VwGO ausdrücklich vorsehen, daß im Falle der Erledigung der Hauptsache "unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen" über die Kosten zu entscheiden ist, daß also im Interesse der Prozeßökonomie vermieden werden soll, lediglich wegen der Kosten die Hauptsache noch nachträglich eingehend zu überprüfen. So hat sich auch der I. Senat des Bundesfinanzhofs in dem Urteil I 203/60 U vom 31. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 441) für eine analoge Anwendung dieses allgemeinen prozeßrechtlichen Gedankens ausgesprochen. Der Senat tritt dem bei.

Nach der somit zugrunde zu legenden Einigung des Finanzamts und des Bf. hat dieser für das Jahr 1952 nur eine Verminderung der Einkommensteuer um 1.035 DM erreicht, wenn auch für die Jahre 1952 bis 1955 die Einkommensteuer insgesamt um 3.619 DM herabgesetzt wurde. Bei der Entscheidung der Frage, ob der Steuerpflichtige im endgültigen Ergebnis unterliegt (§ 307 AO), kommt es allein auf den Veranlagungszeitraum an, dessen Steuer streitig ist.

Der Steuerpflichtige hatte nicht beantragt, die 8.000 DM irgendwie und irgendwann als absetzbar anzuerkennen, sondern sie im Veranlagungszeitraum 1952 zum Abzug zuzulassen. Damit ist er nicht voll durchgedrungen. Für den von ihm in das Rechtsmittelverfahren einbezogenen Veranlagungszeitraum ist er vielmehr im endgültigen Ergebnis zum Teil unterlegen, so daß er insoweit die Kosten zu tragen hat, wie das Finanzgericht mit Recht festgestellt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411089

BStBl III 1964, 143

BFHE 1964, 371

BFHE 78, 371

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