Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiung von der Vermögensabgabe nach § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG gilt auch für solche Kapitalforderungen, die nach der Währungsumstellung mit Rücksicht auf Kriegsschäden des Forderungsschuldners durch Parteivereinbarungen auf einen Betrag festgesetzt wurden, der ein Fünftel des RM-Nennbetrages nicht übersteigt.

 

Normenkette

LAG § 24/1/c; UG §§ 18, 21

 

Tatbestand

Der 1933 verstorbene Vater der Bfin. setzte dieser ein Vermächtnis von ursprünglich 130.000 RM aus. Erben des verstorbenen Vaters waren die Brüder der Bfin. Im Jahre 1955 schloß die Bfin. mit einem Bruder - der andere ist nach dem Ableben des Vaters verstorben - einen Auseinandersetzungsvergleich. Nach der Einleitung dieses Vergleichs bestand zwischen der Bfin. und ihrem Bruder "Einigkeit darüber, daß durch den unglücklichen Ausgang des Krieges, insbesondere durch die Enteignung des oberschlesischen Besitzes der X.-AG, ein solcher Verlust an der Vermögenssubstanz des Nachlasses ihres Vaters eingetreten ist, daß eine Erfüllung des vorerwähnten Vermächtnisses in DM-West im Verhältnis 1:1 nicht gerechtfertigt" sei. Weiterhin wurde in dem Vergleich folgendes vereinbart:

"I. Die Bfin. hat an Herrn A. als Miterben nach Herrn Y. eine Vermächtnisforderung, die am 30. März 1945 noch 129.000 RM betrug. Eine Verzinsung ist infolge des wirtschaftlichen Zusammenbruchs von diesem Zeitpunkt ab nicht mehr erfolgt. Bei Zugrundelegung des Zinssatzes von 8 % beläuft sich die Forderung per 31. 3. 1949 auf ---------------------------- RM 129.000 Zinsen ------------------------------------- RM 41.280 -------------------------------------------- RM 170.280.Sie vereinbaren, diese Gesamtforderung auf 34.000 DM umzustellen."

Bei der Vermögensabgabeveranlagung der Bfin. erfaßte das Finanzamt die Vermächtnisforderung der Bfin. mit 25.800 DM. Zur Begründung wurde in dem Vermögensabgabebescheid angegeben, die Umstellungsvereinbarung sei nur im Hinblick auf Vertreibungs- und Ostschäden geschlossen worden. § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG könne deshalb nach dem Urteil des erkennenden Senats III 317/57 U vom 8. August 1958 (BStBl 1958 III S. 437, Slg. Bd. 67 S. 432) nicht angewandt werden.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanz führt im wesentlichen aus: Bei der einleitenden Feststellung des Auseinandersetzungsvergleiches vom Jahr 1955 handele es sich nicht nur um eine unbeachtliche Motivierung, sondern um die Darlegung des Grundes der Herabsetzung der ursprünglichen Vermächtnisforderung auf rund 1/5 ihres RM-Nennbetrages. Ohne den Eintritt der Kriegsverluste an dem Nachlaß des Vaters hätte keine Veranlassung bestanden, zwischen der Bfin. und ihrem Bruder eine Vereinbarung über die Herabsetzung zu treffen. Diese sei also nicht durch die Währungsumstellung, sondern durch die erlittenen Kriegsverluste veranlaßt worden; denn die Umstellung der Verbindlichkeiten sei kraft Gesetzes im Verhältnis 1:1 bereits eingetreten gewesen, als die Vertragsparteien ein abweichendes Umstellungsverhältnis vereinbarten. § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG könne deshalb nicht angewandt werden. Zu Recht habe deshalb das Finanzamt diese Vermächtnisforderung mit 25.800 DM bei der Vermögensabgabeveranlagung erfaßt, also mit dem Wert, der sich aus der Umstellungsvereinbarung 5:1 ergebe.

Zur Begründung der Rb. wird unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens ausgeführt, es sei nicht einzusehen, daß es für die Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG auf die Gründe für das Zusammenschmelzen der einzelnen Kapitalforderungen ankommen solle; denn der Gesetzgeber habe ja gerade die Tatsache, daß solche Forderungen zusammengeschmolzen seien, zum Anlaß genommen, solche Vermögensteile bei der Vermögensabgabe weitgehend zu schonen. Auch die Vertragshilfevorschrift in § 21 des Umstellungsgesetzes (UG), die die Grundlage für die Herabsetzung von DM-Forderungen durch richterliche Vertragshilfe und damit für eine Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG sei, beschränke sich keineswegs auf die unmittelbare Folge der Währungsreform, sowie es das Verwaltungsgericht im Anschluß an das Urteil des Bundesfinanzhofs III 317/57 U (a. a. O.) im Ergebnis tue; die zu § 21 UG ergangene Rechtsprechung der Zivilgerichte erweise vielmehr, daß im Verfahren gemäß § 21 UG nicht nur die mit der Währungsreform im Zusammenhang stehenden Umstände, sondern die gesamten Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

Stichtag für die Vermögensabgabe ist in persönlicher Hinsicht gemäß § 16 LAG der 21. Juni 1948. In sachlicher Hinsicht ist Stichtag für die Vermögensabgabe für Berlin (West) der 1. April 1949 (ß 80 LAG). Grundsätzlich ist sonach für die Vermögensabgabe von dem Vermögen auszugehen, das sich auf den 1. April 1949 nach den für diesen Stichtag bei der Vermögensteuer für die Ermittlung des Gesamtvermögens und des Inlandvermögens maßgebenden Vorschriften errechnet. Nach Art. 16 Ziff. 36 Nr. 3 der für die Umstellung in Berlin (West) maßgeblichen Zweiten Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens - Umstellungsverordnung (UmstVO) - (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1948 S. 374; vgl. Harmening-Duden, Währungsgesetze, S. 461) wurden Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern mit der Wirkung von RM auf DM umgestellt, daß der Schuldner für jede RM eine DM zu zahlen hatte. Diese Vorschrift stimmt mit § 18 Ziff. 3 UG vom 26. Juni 1948 überein. Damit hatte zunächst die Bfin. am Stichtag des 1. April 1949 gegen die Erben ihres Vaters eine Vermächtnisforderung von 129.000 DM.

Vom Lastenausgleichs-Gesetzgeber wurde aber für Kapitalforderungen durch § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG eine vom Stichtagsprinzip des Bewertungsrechtes abweichende Regelung getroffen (§§ 21 Abs. 1, 80 Abs. 1 LAG). Nach dieser Vorschrift tritt die Umstellung durch Parteivereinbarung an die Stelle der gesetzlichen Umstellung (vgl. das Urteil des erkennenden Senats III 297/59 U vom 6. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 408, Slg. Bd. 75 S. 391). Im Streitfall wurde die Umstellungsvereinbarung erst im September 1955 abgeschlossen, also drei Jahre nach dem Inkrafttreten des LAG (1. September 1952). Der Auseinandersetzungsvergleich wollte das DM-Schuldverhältnis der Vergleichsparteien regeln und ist somit kein selbständiger Vertrag über die Herabsetzung der Schuld mit Wirkung nur für die Zukunft. Diese von den Parteien gewollte und nach dem Grundsatz der Freiheit der Vertragsgestaltung zivilrechtlich auch mögliche Rückwirkung gilt auch für die Vermögensabgabe.

Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung III 48/63 S vom 20. August 1965 (BStBl 1965 III S. 631) ausgeführt hat, ist eine nach dem Inkrafttreten des LAG getroffene Parteivereinbarung, durch die der Betrag einer Forderung gegenüber dem sich aus der gesetzlichen Umstellung ergebenden Betrag herabgesetzt wurde, bei der Veranlagung der Vermögensabgabe dann zu berücksichtigen, wenn die vertragliche Umstellung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände das angemessene Maß nicht überschreitet. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird Bezug genommen. Im Streitfall sind keine Umstände ersichtlich, die die vertragliche Umstellungsvereinbarung als unangemessen erscheinen lassen könnten. Zu Recht sind sonach die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Bfin. mit Rückwirkung auf den 1. April 1949 nach Abschluß des Auseinandersetzungsvergleiches nur noch eine Vermächtnisforderung von 25.800 DM besaß.

Diese Vermächtnisforderung ist gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG von der Vermögensabgabe befreit.

Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 317/57 U vom 8. August 1958 (a. a. O.) kann nicht gefolgert werden, daß unter § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG nur solches Geldvermögen fällt, das durch die Währungsumstellung eine Minderung in DM gegenüber vorher RM erfahren hat, so daß die Fälle des § 18 UG (in Berlin: Art. 16 Ziff. 36 Nr. 3 UmstVO) von vornherein ausgeschlossen bleiben. Der Fall, daß bei einer gesetzlichen Umstellung im Verhältnis von 1:1 eine Herabsetzung ausschließlich aus Währungsgründen durch richterliche Vertragshilfe oder durch Parteivereinbarung erfolgt ist, ist so selten, daß eine gesetzliche Regelung in Form einer uneingeschränkten Gleichstellung der richterlichen Vertragshilfe und der Parteivereinbarung mit der gesetzlichen Umstellung nicht zu verstehen wäre. Es liegt in der Natur der Sache, daß das Verlangen des Schuldners nach einer anderen als der gesetzlichen Umstellung fast immer auf anderen Gründen als Währungsgründen beruht. Diesem Umstand trägt die gesetzliche Regelung des Vertragshilfeverfahrens voll und ganz Rechnung. Der Ausdruck "richterliche Vertragshilfe", den § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG gebraucht, findet sich wörtlich in § 21 UG (in Berlin: Art. 19 Ziff. 45 UmsStVO) und in § 1 Abs. 1 des Vertragshilfegesetzes vom 26. März 1952 (BGBl 1952 I S. 198), das an die Stelle des § 21 UG getreten ist. Eine Herabsetzung einer Verbindlichkeit unter den Nennbetrag, auf den sie kraft Gesetzes umgestellt wurde, ist danach im Wege der rechtlichen Vertragshilfe zulässig, wenn die volle Leistung dem Schuldner bei gerechter Abwägung der Interessen und der Lage beider Teile nicht zugemutet werden kann. Irgendeine Einschränkung in der Richtung, daß eine Herabsetzung nur zulässig sein soll, wenn ausschließlich Währungsgründe vorliegen, wird hier nicht gemacht. Im Gegenteil wird im Vertragshilfegesetz mehrfach auf Kriegs- und Kriegsfolgeschäden als Grund hingewiesen (vgl. §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 1 a. a. O.). Herabsetzungen im Wege richterlicher Vertragshilfe sind deshalb im Rahmen des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG immer anerkannt worden, auch dann, wenn offenkundig die Herabsetzung auf Kriegssachschäden zurückgeführt wurde. Da die Herabsetzung im Wege richterlicher Vertragshilfe kraft Gesetzes an die Stelle der gesetzlichen Umstellung tritt, ist es für den Gläubiger gleichgültig, ob sein Geldvermögen auf der einen oder der anderen Rechtsgrundlage zusammengeschmolzen ist. In beiden Fällen ist § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG anzuwenden. Die Herabsetzung im Wege richterlicher Vertragshilfe steht demnach gleichwertig neben der gesetzlichen Umstellung. Gleiches muß aber auch für die Herabsetzung durch Parteivereinbarung gelten. Die Vorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG macht hierin keinen Unterschied. Aus der Regelung im Vertragshilfegesetz ist zu entnehmen, daß eine außergerichtliche Einigung vor der Antragstellung bei Gericht zu versuchen ist (ß 9 a. a. O.) und daß das Gericht auch während des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken soll (ß 14 a. a. O.). Es wäre nicht zu verstehen, wenn im Falle der Parteivereinbarung eine Herabsetzung im Gegensatz zu einer solchen im Wege richterlicher Vertragshilfe im Rahmen des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG dann nicht anzuerkennen wäre, wenn der Grund für die Herabsetzung der Forderung nicht ausschließlich auf der Währungsreform, sondern auch auf Kriegs- und Kriegsfolgeschäden beruht. Der Gläubiger würde seinen eigenen Interessen entgegenhandeln, wenn er sich entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auf eine gütliche, außergerichtliche Einigung einließe. Soweit die Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 317/57 U, die zudem dem Sachverhalt nach eine Herabsetzung der Kapitalforderung bereits vor der Währungsreform betrifft - also mit der Währungsumstellung gar nichts zu tun hat -, zur vorstehenden Rechtsansicht im Widerspruch steht, hält der Senat an dieser Entscheidung nicht mehr fest.

Die Vorentscheidungen haben die Rechtslage verkannt und waren deshalb aufzuheben. Da im angefochtenen Vermögensabgabebescheid auch noch anderes Vermögen erfaßt ist, wird die Sache zur endgültigen Berechnung der Vermögensabgabe an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Beachtung der obigen Ausführungen die Vermögensabgabe unter Außerachtlassung der Vermächtnisforderung neu zu berechnen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411791

BStBl III 1966, 47

BFHE 1966, 130

BFHE 84, 130

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