Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden aufgrund eines Kfz-Unfalls, der sich auf einer an sich beruflich veranlaßten Fahrt ereignet hat, sind dann nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, wenn der Unfall durch Alkoholeinfluß des Steuerpflichtigen herbelgeführt wurde.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Kranführer tätig. Auf einer Fahrt zwischen seiner Arbeitsstätte und seiner Wohnung erlitt er einen Verkehrsunfall, bei dem u. a. an seinem PKW ein Schaden entstand. Nach den Feststellungen im Strafurteil, die sich das Finanzgericht (FG) zu eigen gemacht hat, kam es zu dem Unfall aus folgenden Gründen:

Die Betriebsabteilung des Klägers hatte am 11. Februar 1972 zwischen 13 und 14 Uhr eine kleine Feier veranstaltet, wobei der Kläger drei Flaschen Bier und "einige Aufgesetzte" trank. Auch während der anschließenden Arbeit bis 16 Uhr nahm der Kläger weiterhin Bier zu sich. Am Werkstor, unmittelbar vor Antritt der Heimfahrt von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung, trank der Kläger eine weitere Flasche Bier.

Auf der Fahrt war es diesig, es setzte Nieselregen ein; die Frontscheibe am PKW des Klägers war beschlagen. Hinter einer Linkskurve kam dem Kläger eine Fahrzeugkolonne entgegen. Er bemerkte auf der rechten Fahrbahnseite mehrere Kinder. Deshalb lenkte er nach links. Dabei geriet sein PKW ins Rutschen und stieß auf der linken Fahrbahnseite mit einem entgegenkommenden PKW zusammen. Zur Unfallzeit hatte der Kläger mindestens 1,91 Promille Alkohol im Blut.

Mit seiner Einkommensteuererklärung 1972 machte der Kläger Aufwendungen wegen des Unfallschadens an seinem PKW von rund 4 000 DM bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Werbungskostenabzug. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG wies die Klage ab. Es führte im wesentlichen aus: Die geltend gemachten Aufwendungen seien nichtabziehbare Kosten der Lebensführung. Denn ein Unfall sei privat veranlaßt, und die Aufwendungen seien deshalb keine Werbungskosten, wenn zu der beruflichen Veranlassung der Fahrt zusätzliche Umstände hinzuträten, die den Unfall als nicht mehr beruflich veranlaßt erscheinen ließen. Die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers, die zu dem Unfall geführt habe, sei ein solcher privat veranlaßter Umstand; denn der Alkoholgenuß des Klägers habe im wesentlichen nicht mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Zusammenhang gestanden.

Der Senat hat die Revision gegen das FG-Urteil mit Beschluß vom 27. April 1979 VI B 142/78 (BFHE 127, 408, BStBl II 1979, 519) zugelassen. Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Alkoholgenuß sei im wesentlichen beruflich veranlaßt gewesen; den meisten Alkohol habe er nämlich bei der betrieblichen Feier zu sich genommen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 10. März 1978 VI R 239/74 (BFHE 124, 540, BStBl II 1978, 381) im übrigen nicht auf die Ursache an sich - nämlich Autofahren trotz Herzbeschwerden - abgestellt. Er habe es vielmehr in jenem Fall als entscheidend angesehen, daß es eine beruflich veranlaßte Fahrt gewesen sei, bei der sich dann der Unfall ereignet habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Unfallkosten sind in der Regel nach § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1971 (EStG) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, wenn sich der Unfall während einer Fahrt ereignet hat, die durch das Dienstverhältnis veranlaßt gewesen ist. Unfallkosten teilen somit grundsätzlich das rechtliche Schicksal der Fahrtkosten. Ist die Fahrt selbst privat veranlaßt, sind die Unfallkosten dem privaten Lebensführungsbereich zuzuordnen. Ist die Fahrt dagegen beruflich veranlaßt, sind die Unfallkosten im allgemeinen als Werbungskosten anzuerkennen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 18. Dezember 1981 VI R 201/78, BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261). Dies gilt auch dann, wenn der Unfall auf einem bewußten und leichtfertigen Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften beruht (BFH-Beschluß vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105).

Der Große Senat hat in der zuletzt bezeichneten Entscheidung die allgemeinen Abgrenzungsmerkmale zwischen der beruflichen Veranlassung einer Fahrt und ihrer privaten Veranlassung, bei der eventuelle Unfallkosten zu den nach § 12 Nr. 1 EStG nichtabziehbaren Lebenshaltungskosten gehören, zusammenfassend dargelegt.

Ob eine Unfallfahrt durch das Dienstverhältnis veranlaßt ist, hängt danach weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab. Wegen des für die steuerrechtliche Beurteilung von Fahrtkosten geltenden Veranlassungsprinzips muß ein objektiver Zusammenhang der Fahrt mit dem Beruf des Steuerpflichtigen bestehen. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn eine Fahrt im Rahmen der beruflichen Zielvorstellungen des Steuerpflichtigen liegt und wenn der Unfall nicht auf eine private, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnende Veranlassung zurückzuführen ist (vgl. auch BFHE 135, 70, BStBl II 1982, 261).

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind Werbungskosten - also beruflich veranlaßte Kosten - auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Deshalb sind die Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Rückfahrt von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung dem Grunde nach beruflich veranlaßt. Die berufliche Veranlassung einer solchen Fahrt kann indessen unterbrochen oder aufgehoben sein, wenn private Umstände zur beruflichen Veranlassung der Fahrt hinzutreten und den beruflichen Zusammenhang lösen oder überlagern (vgl. BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, unter B II. 3.). Im Streitfall ist der bei einer Heimfahrt, von der Arbeitsstätte an sich vorhandene berufliche Zusammenhang bei den geltend gemachten Unfallkosten nicht (mehr) gegeben.

Auf das Verschulden, die Strafbarkeit oder das moralische Verhalten des Steuerpflichtigen abzielende Wertungen sind allerdings für die Einordnung der Unfallkosten diesseits oder jenseits der Grenze des § 12 Nr. 1 EStG ungeeignet; strafwürdiges oder verbotenes Verhalten ist deshalb nicht ohne weiteres der privaten Sphäre zuzurechnen (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, unter B II. 3. c). Der Große Senat des BFH hat unter B II. 3. f) des vorstehend bezeichneten Beschlusses gleichwohl ausgeführt, bei einer durch Alkoholgenuß beeinträchtigten Fahrtüchtigkeit könne in den meisten Fällen davon ausgegangen werden, daß private Gründe für den Unfall mit maßgeblich gewesen seien.

Dem wird entgegengehalten, das private Fehlverhalten der Trunkenheit ändere nichts an der beruflichen Zielvorstellung des Fahrers, der sich auf einer beruflich veranlaßten Fahrt befinde (so Tiedtke, Finanz-Rundschau - FR - 1978, 493, 499); denn der BFH habe auch bei einem Unfall, der auf einem nicht unvorhersehbaren Schwächeanfall beruhte, die berufliche Veranlassung der Fahrt nicht als unterbrochen oder gelöst beurteilt (BFHE 124, 540, BStBl II 1978, 381).

Der erkennende Senat braucht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, ob bei einer durch Alkohol beeinträchtigten Fahrtüchtigkeit der berufliche Anlaß der Fahrt in jedem Fall gelöst ist. Er sieht den Unfall und die daraus entstandenen Aufwendungen jedenfalls dann als durch die Lebensführung veranlaßt an, wenn auf einer an sich beruflich veranlaßten Fahrt durch Alkoholeinfluß ein Unfall herbeigeführt wird. Denn dann tritt - ebenso wie bei einer Umwegfahrt (vgl. BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, unter B II. 3. a) - zu der beruflichen Veranlassung ein weiterer Anlaß hinzu, welcher der privaten Sphäre zuzurechnen ist, so daß § 12 Nr. 1 EStG eingreift. Ist also das auslösende Moment für den Unfall die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, ist der Unfall jedenfalls privat mitveranlaßt, so daß ein Werbungskostenabzug ausscheiden muß.

Im Streitfall hat das FG zwar nicht verkannt, daß es zur Unfallzeit diesig war, Nieselregen eingesetzt hatte und die Frontscheibe des Fahrzeugs des Klägers beschlagen war. Es hat aber festgestellt, daß die "alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers ... zu dem Unfall geführt hat". Gegen diese Feststellung sind mit der Revision keine Einwände erhoben worden. Der Senat ist deshalb hieran gebunden. Damit steht fest, daß die durch Alkoholgenuß beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit des Klägers bei der Entstehung des Unfalls mitgewirkt hat. Dieser private Anlaß verbietet den Werbungskostenabzug im Streitfall.

Der Kläger hat mit der Revision allerdings vorgetragen, der Alkoholgenuß sei überwiegend beruflich veranlaßt gewesen; deshalb falle auch die Fahruntüchtigkeit in den beruflichen Bereich. Der Kläger war jedoch nicht gezwungen, auf der Betriebsfeier überhaupt Alkohol zu trinken bzw. so viel Alkohol zu sich zu nehmen, daß hierdurch seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt wurde. Der Genuß von Alkohol im Dienst ist zumindest dann der privaten Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 EStG zuzurechnen, wenn hierdurch die Fahrtüchtigkeit des Steuerpflichtigen beeinträchtigt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74978

BStBl II 1984, 434

BFHE 1985, 35

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