Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine durch Alkoholgenuß beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit die ansonsten bestehende berufliche Veranlassung einer Fahrt überlagert oder unterbricht und damit den Abzug von Unfallbeseitigungskosten als Werbungskosten ausschließt, ist von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Arbeitnehmer, erlitt auf einer Fahrt zwischen seiner Arbeitsstätte und seiner Wohnung einen Verkehrsunfall, bei dem u. a. ein Schaden an seinem PKW entstand. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte der Kläger 1,91%0 Alkohol im Blut. Den Alkohol hatte er zum Teil während einer betrieblichen Feier, zum Teil danach während der Arbeit und am Ende seiner Tätigkeit zu sich genommen.

Mit seiner Einkommensteuererklärung 1972 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen zur Schadensbeseitigung von rd. 4 000 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) versagte den Werbungskostenabzug.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage im wesentlichen aus folgenden Gründen ab: Die geltend gemachten Aufwendungen seien nichtabziehbare Kosten der Lebensführung. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105) sei ein Unfall dann privat veranlaßt und seien die Aufwendungen deshalb keine Werbungskosten, wenn zu der beruflichen Veranlassung der Fahrt zusätzliche Umstände hinzuträten, die den Unfall als nicht mehr beruflich veranlaßt erscheinen ließen. Die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers sei ein solcher Umstand; denn der Alkoholgenuß des Klägers habe im wesentlichen nicht mit seiner beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang gestanden.

Der Kläger begründet seinen Antrag, die Revision zuzulassen, u. a. damit, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Der Große Senat habe nur in einem obiter dictum entschieden, daß der Genuß von Alkohol "in den meisten Fällen" privat veranlaßt sei. Es bedürfe einer grundsätzlichen Klärung, wie das also gegebene Regel-Ausnahme-Verhältnis zu verstehen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Eine Rechtssache hat dann eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn die Streitfrage auch für eine Reihe anderer gleichliegender Fälle bedeutungsvoll ist und noch keine abschließende höchstrichterliche Klärung gefunden hat (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Juni 1974 VI B 15/74, BFHE 112, 342, BStBl II 1974, 583). Das ist hier der Fall.

Der Groß Senat des BFH hat in dem Beschluß GrS 2-3/77 nicht abschließend geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine durch Alkoholgenuß beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit die ansonsten bestehende berufliche Veranlassung einer Fahrt überlagert oder unterbricht. Eine Klärung ist insoweit auch nicht durch das Urteil des Senats vom 10. März 1978 VI R 239/74 (BFHE 124, 540, BStBl II 1978, 381) herbeigeführt worden. Denn in diesem Urteil, in dem es nicht um die Beurteilung einer nach Alkoholgenuß durchgeführten Fahrt ging, hat der Senat lediglich auf den Beschluß des Großen Senats GrS 2-3/77 Bezug genommen, ohne selbst eine Entscheidung zu dieser Frage zu treffen.

Die somit noch nicht höchstrichterlich geklärte Frage ist auch von allgemeinem Interesse; denn Unfälle nach Alkoholgenuß auf einer ansonsten beruflich veranlaßten Fahrt sind wiederholt Gegenstand von Rechtsbehelfen mit dem Ziel, die Unfallschäden steuerrechtlich zu berücksichtigen, was sich nicht nur aus dem vorliegenden Verfahren, sondern z. B. auch aus dem neuerdings veröffentlichten Urteil des FG Münster vom 23. August 1978 VII 2063/76 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 119) ergibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72909

BStBl II 1979, 519

BFHE 1979, 408

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