Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungskosten bei Übernahme des negativen Kapitalkontos

 

Leitsatz (NV)

Übernimmt ein Gesellschafter einer Personengesellschaft das negative Kapitalkonto eines ausscheidenden Gesellschafters, so liegen beim übernehmenden Gesellschafter Anschaffungskosten vor, soweit auf ihn die anteiligen stillen Reserven in Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens einschließlich eines originären Geschäfts- oder Firmenwerts übergehen.

 

Normenkette

EStG §§ 5-6, 15-16, 52 Abs. 19 S. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kommanditgesellschaft, die Großhandel insbesondere mit . . . betreibt. Gesellschafter waren im Streitjahr 1976 zunächst die F-GmbH als nicht am Kapital beteiligte Komplementärin sowie die F-KG, Herr X (Beigeladener zu 1) und Herr Y (Beigeladener zu 2) als Kommanditisten. Den Kommanditanteil der F-KG hielt als Treuhänderin Frau Z. Die F-KG fiel in Konkurs und schied deshalb entsprechend dem Gesellschaftsvertrag vom 21. Juni 1976 aus der Klägerin aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte die F-KG bei der Klägerin ein durch Entnahmen entstandenes negatives Kapitalkonto in Höhe von ./. 243 618 ,82 DM. Dieses negative Kapitalkonto wurde je zur Hälfte von den Beigeladenen übernommen; der übernommene Betrag von je ./. 121 809,41 DM wurde von deren Kapitalkonten (Verrechnungskonten) abgezogen. Mit Vertrag vom 22. September 1976 erwarben die Beteiligten je zur Hälfte auch den Anteil der F-KG an der F-GmbH in Höhe von 11 000 DM zum Preise von 25 000 DM.

Nach einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sich auf den Standpunkt, die F-KG habe im Zusammenhang mit ihrem Ausscheiden aus der Klägerin einen Veräußerungsgewinn erzielt. Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Feststellungsbescheid für das Streitjahr wurde gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechend geändert. Im Einspruchsverfahren wurde der Bescheid nach entsprechendem Hinweis des FA verbösert. Der Veräußerungsgewinn wurde von 22 250 DM laut Änderungsbescheid um den Betrag des übergegangenen negativen Kapitalkontos, der unter Berücksichtigung sonstiger Prüfungsfeststellungen mit 274 194,88 DM ermittelt worden war, auf 296 444 DM erhöht.Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, die Beteiligten hätten durch die Übernahme der negativen Kapitalkonten einen sofort abziehbaren Verlust erlitten, hatte zum überwiegenden Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Übergang der Kommanditanteile der F-KG habe nicht zum Übergang stiller Reserven oder eines Geschäfts- oder Firmenwerts auf die Beteiligten geführt, so daß bei den Beteiligten sofort abziehbare Verluste entstanden seien. Der Verlust betrage jedoch insgesamt nicht 274 195 DM, sondern 259 195 DM, da die F-KG mit Übertragung ihres Anteils an der Komplementär-GmbH (11 000 DM gegen Zahlung vom 25 000 DM) ihre Ausgleichsverpflichtung in Höhe von 15 000 DM getilgt habe. Das FG hob den Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung teilweise auf und wies das FA gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) an, Gewinn und Gewinnanteile entsprechend festzustellen.

Dagegen richtet sich die gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung der §§ 5 und 6 und des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird.

Das FA beantragt, den Gewinn aus Gewerbebetrieb 1976 auf 568 498 DM (272 054 DM laufender Gewinn und 296 444 DM Veräußerungsgewinn) festzustellen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. a) Scheidet ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft aus, so wächst mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung sein Anteil am Gesellschaftsvermögen nach § 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den übrigen Gesellschaftern zu. Dazu ist es im Streitfall gekommen, nachdem über das Vermögen der F-KG Konkurs eröffnet worden war. Für diesen Fall war nämlich im Gesellschaftsvertrag vereinbart, daß die Gesellschaft nicht gemäß § 133 Nr.3 i.V.m. § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB a.F.) aufgelöst, sondern von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt werden sollte. Die den Anteil der F-KG erwerbenden Gesellschafter, also die Beigeladenen zu 1 und 2 - die F-GmbH als nicht am Vermögen der Klägerin beteiligte Komplementär-GmbH war auch vom Anwachsungserwerb ausgeschlossen -, waren demgegenüber nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, der F-KG dasjenige zu zahlen, was sie bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft mit der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst worden wäre. Die gesetzliche Regelung ist im Gesellschaftsvertrag in der Weise geändert worden, daß der ausscheidende Gesellschafter an einem vorhandenen Geschäfts- oder Firmenwert (sowie an schwebenden Geschäften) nicht beteiligt war.

b) Ertragsteuerrechtlich ist davon auszugehen, daß die Gesellschafter, auf die der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters übergeht, die ideellen Anteile des ausscheidenden Gesellschafters an den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens erwerben, für die insoweit gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 ,,eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist" (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Juli 1974 I R 226/70, BFHE 113, 428, 431, BStBl II 1975, 236; vom 26. Mai 1981 IV R 47/78, BFHE 134, 15, BStBl II 1981, 795; vom 25. April 1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25, 28, BStBl II 1986, 350; vom 7. November 1985 IV R 7/83, BFHE 145, 194, BStBl II 1986, 176). Soweit für diesen Erwerb Anschaffungskosten angefallen sind, hat der Erwerber seine Aufwendungen, soweit sie höher sind als der in der Steuerbilanz der Gesellschaft fortgeführte anteilige Buchwert (Kapitalkonto), in einer Ergänzungsbilanz zu aktivieren und fortzuführen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juni 1975 IV R 129/71, BFHE 116, 335, BStBl II 1975, 807; vom 26. Januar 1978 IV R 97/76, BFHE 124, 516, 519, BStBl II 1978, 368; in BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350, und in BFHE 145, 194, BStBl II 1986, 176). Das gilt auch bei Ausscheiden eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto. Auch die Übernahme eines negativen Kapitalkontos, also die Übernahme der ,,Verlusthaftung" mit künftigen Gewinnanteilen des ausgeschiedenen Gesellschafters hat den Charakter einer Gegenleistung für den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters an etwaigen stillen Reserven in bilanzierten und nichtbilanzierten Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens einschließlich eines originären Geschäfts- oder Firmenwerts (Urteil in BFHE 134, 15, 19, BStBl II 1981, 795, 798). Wenn und soweit hiernach die Übernahme des negativen Kapitalkontos als Anschaffungsaufwand für übergehende nicht bilanzierte (anteilige) Wirtschaftsgüter anzusehen ist, kommt ein Betriebsausgabenabzug beim Erwerber nicht in Betracht. Dieser muß vielmehr einen Betrag in Höhe des übernommenen negativen Kapitalkontos und etwaiger zusätzlicher Entgelte als Anschaffungskosten für die Anteile an entsprechenden Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens in einer Ergänzungsbilanz aktivieren. Das gilt auch, wenn es sich beim Ausscheidenden um einen ,,lästigen Gesellschafter" handelt. Nur wenn stille Reserven und/oder ein Geschäftswert nicht festzustellen sind und außerbetriebliche Gründe für die Mehrleistung auszuschließen sind, ist die Mehrleistung eine sofort abziehbare Betriebsausgabe (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, BFHE 127, 32, 34, BStBl II 1979, 302, 303, m.w.N.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 16 Anm. 88 c; Gänger in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 16 EStG Rz. 214).

2. a) Übersteigen die Aufwendungen des oder der den Anteil erwerbenden Gesellschafter den Buchwert des übergehenden Kapitalkontos, so spricht nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BFH eine widerlegbare Vermutung dafür, daß mit dem übersteigenden Betrag ein Entgelt für den Anteil des ausscheidenden Gesellschafters an stillen Reserven in bilanzierten Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens oder an nichtbilanzierten immateriellen Einzelwirtschaftsgütern oder einem originärem Geschäfts- oder Firmenwert gezahlt wird (vgl. z. B. BFHE 141, 148, BStBl II 1984, 584). Von dieser Vermutung ist bei Übernahme des negativen Kapitalkontos eines ausscheidenden Gesellschafters jedenfalls dann auszugehen, wenn das negative Kapitalkonto nicht auf Verlusten, sondern auf Entnahmen dieses Gesellschafters beruht. Auch § 52 Abs. 19 Satz 5 EStG (seit 1980) läßt den Ansatz eines Verlustes bei dem das negative Kapitalkonto eines ausgeschiedenen Kommanditisten übernehmenden Gesellschafter nur ,,unter Berücksichtigung der für die Zurechnung von Verlusten geltenden Grundsätze" zu, also nur, soweit das negative Kapitalkonto nicht durch stille Reserven in den übergehenden (anteiligen) Wirtschaftsgütern einschließlich eines Geschäftswerts gedeckt ist (Schmidt, a.a.O., § 15a Anm.85; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a.a.O., § 15a Rz. 104).

b) Im Streitfall ist das FG mit den Beteiligten offenbar davon ausgegangen, daß stille Reserven in bilanzierten Wirtschaftsgütern nicht vorhanden waren. Ausdrücklich offengelassen hat das FG jedoch, ob ein Geschäftswert vorhanden war. Nach den vorstehenden Ausführungen kann dem nicht gefolgt werden. Das FA hatte im Einspruchsverfahren angenommen, die Klägerin habe bei Übernahme des negativen Kapitalkontos der F-KG durch die Beigeladenen einen Geschäftswert in Höhe von . . . DM gehabt. Sollte dies zutreffen, hätten die Beigeladenen mit der Übernahme des negativen Kapitalkontos keinen Verlust erlitten, sondern einen Gegenwert in Höhe des übergehenden Anteils am Geschäftswert erlangt. Ein sofort abziehbarer Aufwand läge dann, wie dargelegt, bei ihnen nicht vor. Das FG hat darauf hingewiesen, daß (am 22. Juni 1976 bzw. am 14. März 1977) weitere Gesellschafter Gesellschaftsanteile zum Nennwert erworben haben. Die Vermutung, am 21. Juni 1976 (Übergang des negativen Kapitalkontos) sei ein Geschäftswert vorhanden gewesen, wird dadurch allein jedoch nicht ausgeräumt. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch noch nach einem - unterstellten - Übergang eines anteiligen Geschäftswerts von den Beigeladenen auf die am 22. Juni 1976 eingetretene Gesellschafterin K, die die Ehefrau des Hauptgesellschafters der F-KG war, bei den Beteiligten noch ein anteiliger Geschäftswert in Höhe des übernommenen negativen Kapitalkontos oder eines Teils davon verblieben ist. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß besondere Umstände vorgelegen haben, die die Beteiligten veranlaßt haben, von einer besonderen Vergütung für den auf die neueintretenden Gesellschafter übergehenden (anteiligen) Geschäftswert abzusehen, z. B. im Hinblick auf die Geschäftsführerstellung des 1977 eingetretenen Gesellschafters R.

c) Das FG durfte die Frage, ob ein Geschäftswert vorhanden war, auch nicht deshalb offenlassen, weil nach dem Gesellschaftsvertrag ein ausscheidender Gesellschafter keinen Anspruch auf Vergütung seines Anteils am Geschäftswert hatte. Als Kommanditistin und mangels abweichender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag war die F-KG jedenfalls im Falle der mit einer Liquidation verbundenen Auflösung der Gesellschaft auch am Geschäftswert beteiligt. Für Fälle dieser Art hat der Senat schon im Urteil vom 21. Mai 1970 IV R 131/68 (BFHE 99, 526, 530, BStBl II 1970, 740, 742) ausgesprochen, es sei entscheidend, daß der ausscheidende Gesellschafter tatsächlich eine Abfindung für seinen Anteil am Geschäftswert erhalten habe. Daran hat der BFH auch später festgehalten; vgl. z. B. Urteil in BFHE 141, 148, BStBl II 1984, 584, in dem in Anknüpfung an BFHE 99, 526, BStBl II 1970, 740 für einen - mit dem Streitfall nicht vergleichbaren - Sonderfall (Zahlung einer Abfindung bei vorzeitigem Ausscheiden, wenn der Ausscheidende auch bei nicht vorzeitigem Ausscheiden keinen Anspruch auf Beteiligung am Geschäftswert hatte) erkannt wurde, daß keine Anschaffungskosten für den anteiligen Geschäftswert vorlagen. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest; sie findet ihre Rechtfertigung darin, daß auch bei dieser gesellschaftsrechtlichen Gestaltung der Wille des den Anteil übernehmenden Gesellschafters dahin geht, mit dem Anteil (auch) den anteiligen Geschäftswert zu erwerben. Dies gilt auch, soweit die Gegenleistung des erwerbenden Gesellschafters in der Übernahme des negativen Kapitalkontos des ausscheidenden Kommanditisten besteht. Für den Bereich des Bewertungsrechts hat der II.Senat mit Urteil vom 29. Oktober 1986 II R 186/79 (BFHE 148, 177, BStBl II 1987, 97) allerdings entschieden, in der Übernahme des negativen Kapitalkontos eines ausscheidenden Kommanditisten ohne Saldenausgleich liege bewertungsrechtlich kein Aufwand, der zur Realisierung eines Geschäftswerts führen könne. Dabei ist der II.Senat jedoch davon ausgegangen, daß die einkommensteuerrechtliche Wertung, die zur Erfassung des Mehraufwands in einer steuerlichen Ergänzungsbilanz führt, auf die bewertungsrechtliche Einordnung des Geschäftsvorfalls nicht übertragbar sei. Das FG-Urteil war hiernach aufzuheben. Die Sache muß zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG wird prüfen müssen, ob im Zeitpunkt des Ausscheidens der F-KG die Klägerin einen Geschäfts- oder Firmenwert hatte. War ein solcher vorhanden, so haben die Beigeladenen mit der Übernahme des negativen Kapitalkontos der F-KG Anschaffungskosten in Höhe des Werts des übergehenden Anteils am Geschäftswert gehabt, die in einer Ergänzungsbilanz fortgeführt werden müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416690

BFH/NV 1990, 496

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