Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob bei einer freiberuflich tätigen Ehefrau die Einkünfte aus dieser Tätigkeit die anderen Einkünfte überwiegen, sind auch im Falle der Zusammenveranlagung nur die Einkünfte der Ehefrau maßgebend.

 

Normenkette

EStG §§ 26, 26b; EStDV § 38; EStG § 18/4

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Beamter und bezieht als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Ehefrau ist ärztin; sie hat Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Die Ehegatten sind für 1950 zusammen veranlagt worden. Bei der Ermittlung der Einkünfte der Ehefrau, die unter der Hälfte der Einkünfte des Bf. liegen, wurde der Pauschbetrag für Betriebsausgaben des § 38 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1950 nicht abgezogen.

Das Finanzamt begründete die Nichtberücksichtigung des Pauschbetrags damit, daß die Einkünfte der Ehefrau aus selbständiger Arbeit niedriger seien als die Einkünfte des Bf., also die anderen (bei der Einkommensermittlung angesetzten) Einkünfte. Der Pauschbetrag erfordere aber umgekehrt, daß die Einkünfte aus selbständiger Arbeit höher sind als die anderen Einkünfte.

Der Bf. hält den Nichtabzug des Pauschbetrags für ungerechtfertigt. Er ist der Meinung, daß die Zusammenveranlagung nicht dazu berechtige, die dem einzelnen Ehegatten zugeflossenen Einkünfte so zu behandeln, als seien sie einer einzigen Person (Gesamtperson) zugeflossen. Die Zusammenveranlagung lasse die Steuerpflicht des einzelnen Ehegatten unberührt. Sei aber der einzelne Ehegatte steuerpflichtig, so könne die für den Ansatz des Pauschbetrags erforderliche Voraussetzung, daß die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus selbständiger Arbeit seine (des Steuerpflichtigen) anderen Einkünfte übersteigen müssen, auch nur nach der Person des betroffenen Ehegatten beurteilt werden. Für die Frage des überwiegens der Einkünfte aus selbständiger Arbeit über die anderen Einkünfte könnten also nur die Einkünfte des betroffenen Ehegatten selbst betrachtet werden. Nur diese Auffassung werde dem Sinn der Pauschbetragsregelung gerecht. Wenn durch den Pauschbetrag bestimmte mit der selbständigen Arbeit zusammenhängende Aufwendungen abgegolten werden sollten, so sei die im Gesetz ausgesprochene Einschränkung, daß der Pauschbetrag bei überwiegen der anderen Einkünfte nicht zu gewähren ist, nur dann verständlich, wenn damit die Einkünfte des betreffenden Steuerpflichtigen selbst, nicht aber die eines anderen Steuerpflichtigen gemeint seien. Das Vorgehen des Finanzamts stehe auch im Widerspruch zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG); es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führt aus: Steuerpflichtig sei im Fall der Haushaltsbesteuerung nicht die einzelne zum Haushalt gehörige Person als solche, sondern die Haushaltsgemeinschaft. Dementsprechend sei bei der Beurteilung der Frage, ob die Einkünfte aus selbständiger Arbeit die anderen Einkünfte überwiegen, von den gesamten der Haushaltsgemeinschaft zugeflossenen Einkünften auszugehen. Ob die sich aus dem Begriff der Haushaltsbesteuerung ergebende Folge, daß für den Ansatz des Pauschbetrags die gesamten Einkünfte der Haushaltsgemeinschaft zu betrachten seien, mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Widerspruch stehe, könne dahingestellt bleiben. Das mit diesem Grundsatz etwa in Widerspruch stehende Recht sei nach Art. 117 Abs. 1 GG erst am 1. April 1953 außer Kraft getreten; die im vorliegenden Fall zu prüfende Veranlagung betreffe aber den Veranlagungszeitraum 1950.

Zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt der Bf. seine bereits oben wiedergegebenen Ausführungen. Ergänzend weist er darauf hin, daß die Zusammenveranlagung in zwei Phasen erfolge. Zunächst würden die Einkünfte der zusammen zu veranlagenden Personen festgestellt, und erst nach dieser Feststellung würden die Einkünfte zusammengerechnet. Dieser Art des Vorgehens entspreche es, der Prüfung des Ansatzes des Pauschbetrags, der die Gewinnermittlung betreffe und also der ersten Phase angehöre, auch nur die Einkünfte des betroffenen Ehegatten zugrunde zu legen. Nur diese Auffassung werde dem Grundsatz der Selbständigkeit der Persönlichkeit, hier insbesondere dem seit der Verkündung des GG proklamierten Grundsatz der finanziellen Selbständigkeit der Frau gerecht. Man könne die Frage des Verstoßes gegen das GG trotz der Regelung des Art. 117 Abs. 1 GG nicht einfach dahingestellt sein lassen; denn es gehe bei dem Ansatz des Pauschbetrags nicht so sehr um die Institution der Zusammenveranlagung als vielmehr um die Art und Weise der Auslegung, für die die Grundgedanken des GG von dessen Inkrafttreten an maßgebend seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Was zunächst die Frage der Zusammenveranlagung angeht, so hat der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung IV 44/54 U vom 16. Dezember 1954, Slg. Bd. 60 S. 115, Bundessteuerblatt (BStBl) 1955 III S. 45, eingehend ausgeführt, daß § 26 des Einkommensteuergesetzes mit Art. 3 GG nicht in Widerspruch steht. Die dort angeführten Gründe, auf die verwiesen wird, gelten für den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz und für den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau in gleicher Weise.

Die Regelung des § 43 EStDV, nach der die Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit in einem dem Ehemann fremden Betrieb bei der Zusammenveranlagung ausscheiden, ist eine Ausnahme, die die Zusammenveranlagung als solche unberührt läßt. Selbst wenn die Ausnahmeregelung - wie der Steuerpflichtige meint - unvernünftig wäre, könnte dies die Grundsatzregelung der Zusammenveranlagung nicht in Frage stellen. Nur um diese geht es aber in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall.

Dem Bf. ist zuzugeben, daß die Zusammenveranlagung an der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nichts ändert. Nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1950 ist die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht eines jeden Ehegatten Voraussetzung für die Zusammenveranlagung.

Aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 26 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes kann für die Frage, ob die Einkünfte der zusammen zu veranlagenden Ehegatten wie Einkünfte einer einzigen Person zu behandeln oder aber als Einkünfte des einzelnen Ehegatten zu betrachten sind, nichts Eindeutiges entnommen werden. Auch der Sinn und Zweck der Zusammenveranlagung läßt die Frage offen.

Der erkennende Senat ist in den bisher von ihm entschiedenen Einzelfällen der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung dann nicht gefolgt, wenn sie zu offensichtlich unbilligen Ergebnissen führt. So hat er in dem Urteil IV 359/51 S vom 10. Oktober 1951, Slg. Bd. 55 S. 493, BStBl. 1951 III S. 201, den Freibetrag des § 3 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes 1949 einem jeden der je eine Rente beziehenden Ehegatten zugebilligt. Desgleichen hat er in dem ebenfalls zur Veröffentlichung bestimmten Urteil IV 325/54 U (BStBl 1955 III S. 390) vom heutigen Tage den Werbungskostenpauschsatz des § 14 EStDV 1952 einem jeden der je in einem Dienstverhältnis stehenden Ehegatten gewährt.

Auf diesen Grundsätzen fußend hält es der Senat für erforderlich, auch in Fällen, in denen es sich um die Gewährung des Pauschbetrags für Betriebsausgaben handelt (ß 38 EStDV 1950), dieselbe Haltung einzunehmen. Die Vorschrift des § 38 EStDV 1950 gewährt einen Pauschbetrag für die ihrer Natur nach nicht oder nur unvollkommen nachzuweisenden Betriebsausgaben. Es wäre unbillig, sie im Falle einer Zusammenveranlagung unberücksichtigt zu lassen.

Da der Ehefrau andere als Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht zugeflossen sind, ist ihr der Pauschbetrag für Betriebsausgaben zu gewähren.

Man kann auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 38 EStDV 1950 nichts anderes folgern. Der Pauschbetrag soll dem Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit dann nicht zustehen, wenn die anderen Einkünfte überwiegen. Diese Einschränkung stellt auf die anderen Einkünfte des Beziehers selbst ab. Dem entspricht es, auch in dem hier zu entscheidenden Fall nur auf die Einkünfte der Ehefrau abzustellen.

Da der Pauschbetrag demnach zu Unrecht versagt worden ist, sind die Vorentscheidungen aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird zur anderweitigen Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen. Bei der erneuten Entscheidung ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen der Pauschbetrag in der noch zu ermittelnden Höhe zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408308

BStBl III 1955, 389

BFHE 1956, 492

BFHE 61, 492

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge