Entscheidungsstichwort (Thema)

Standardprogramme sind immaterielle Wirtschaftsgüter

 

Leitsatz (NV)

Computerprogramme (hier Anwender-Standardsoftware) sind immaterielle Wirtschaftsgüter; für ihre Anschaffung kann daher eine Investitionszulage nach § 19 BerlinFG nicht gewährt werden (Bestätigung des BFH-Urteils vom 5. Oktober 1979 III R 40/76, BFHE 129, 110, BStBl II 1980, 17).

 

Normenkette

BerlinFG § 19

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt in Berlin (West) ein Unternehmen für . . . bau. Im Streitjahr 1980 erwarb er von der Firma X einen Y-Computer für 49 692,80 DM sowie die vier Standardprogramme: Finanzbuchhaltung . . ., Lohn-/Gehaltsabrechnung . . ., Baunebengewerbe . . . mit Vorkalkulation, Angebotswesen, Nachkalkulation und Kleinteilefakturierung sowie das Programm technische Berechnungen . . . zum ,,Kompaktpreis" von 14 850 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte antragsgemäß die erhöhte Berlinzulage von 25 v.H. für den Computer, lehnte jedoch eine Zulage für die Programme mit der Begründung ab, daß es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter handele.

Im Klageverfahren hat das Finanzgericht (FG) Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft der Firma X und die Vernehmung von deren Inhaber als Zeugen.

Nach den von der Lieferfirma dem Gericht vorgelegten und von ihr mit der Firma Y vereinbarten allgemeinen Geschäftsbedingungen werden dem Endanwender an den Programmen Nutzungsrechte eingeräumt. Die Nutzungsrechte sind nicht befristet. Der Zeuge hat ausgesagt, daß bei den Verhandlungen mit dem Kläger nur von Kauf und Verkauf gesprochen worden sei. Darüber, daß er gegenüber der Firma Y nur berechtigt gewesen sei, Nutzungsrechte einzuräumen, habe er mit dem Kläger nicht gesprochen. Die streitigen Programme seien nach seiner Kenntnis bundesweit mehr als tausendmal verkauft worden.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, daß die Programme an den Kläger verkauft worden seien und daß dieser an den Programmen Eigentum erworben habe. Im übrigen handele es sich bei den Programmen um sog. ,,datenträgergebundene fixe Standardprogramme" (vgl. Walter, Der Betrieb - DB - 1980, 1766 und 1815 unter IV. 4. Buchst. a aa), die nach Verkaufszahl, Vertriebsweg und Anschaffungskosten materielle Wirtschaftsgüter darstellten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Bei den vom Kläger erworbenen Programmen handelt es sich um Anwender-Standardprogramme, die entgegen der Auffassung des FG keine materiellen (körperlichen und damit beweglichen), sondern immaterielle Wirtschaftsgüter sind, für die eine Investitionszulage nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) nicht gewährt wird. Zur steuerlichen (investitionszulagerechtlichen) Beurteilung von Programmen der genannten Art hat der Senat in seinem Urteil vom 3. Juli 1987 III R 7/86 (BFHE 150, 259) grundsätzliche Ausführungen gemacht. Im Gegensatz zu seinem Urteil vom 3. Dezember 1982 III R 132/81 (BFHE 138, 126, BStBl II 1983, 647) hält der Senat die Vertragsbeziehungen zwischen dem Programmersteller und dem Programmanwender (Nutzungsvertrag oder Kaufvertrag) nicht mehr für eine sichere Grundlage für die steuerliche (investitionszulagerechtliche) Beurteilung von Computerprogrammen. Denn selbst wenn Programme dem Anwender zur Nutzung überlassen werden, geschieht dies in aller Regel unbefristet und gegen eine einmalige Vergütung. Für Verträge mit diesem Inhalt ist aber nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. März 1987 VIII ZR 43/86 (Betriebs-Berater - BB - 1987, 1277, 1279) die Anwendung von Kaufrecht nicht ausgeschlossen. Aus der Bezeichnung als Nutzungsvertrag oder als Kaufvertrag kann somit nichts für die Frage gewonnen werden, ob ein Programm ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut ist. Geht man davon aus, daß ein Programmüberlassungsvertrag im Regelfall als Kaufvertrag oder kaufrechtsähnlicher Vertrag zu qualifizieren ist, so steht weiter nicht fest, daß das erworbene Programm ein materielles Wirtschaftsgut ist. Denn Gegenstand eines Kaufvertrages oder kaufrechtsähnlichen Vertrages können nicht nur Sachen, sondern auch Rechte und verkehrsfähige Güter sonstiger Art (wie z.B. ungeschützte Erfindungen, Know-how und ähnliches) und damit auch immaterielle Wirtschaftsgüter sein.

Der Senat hält auch an dem von Walter (a.a.O.) geprägten Begriff des datenträgergebundenen fixen Standardprogramms nicht mehr fest, nachdem sich zwischenzeitlich gezeigt hat, daß sich dieser Begriff in der Praxis nicht durchgesetzt hat.

Im Anschluß an das Zivilrecht (BGH-Urteil vom 25. März 1987 VIII ZR 43/86, a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, daß ein Vertrag der vorbezeichneten Art auf ein Werk mit geistigem Inhalt gerichtet ist. Dieser geistige Gehalt steht bei dem Erwerb eines Computerprogramms im Vordergrund. An ihm ist der Anwender in erster Linie interessiert. Dafür ist er bereit, unter Umständen einen hohen Preis zu zahlen. Das Programm stellt für den Anwender einen Vorteil dar, mit dem er vielfältige betriebliche Aufgaben lösen kann.

Demgegenüber ist der Programmträger gemessen an Funktion und Materialwert von untergeordneter Bedeutung. Ist zivilrechtlich Kaufgegenstand aber das Programm als Werk mit geistigem Inhalt und damit ein immaterieller Wert, so ist auch investitionszulagerechtlich davon auszugehen, daß Gegenstand der Anschaffung ein immaterielles Wirtschaftsgut ist und daß die Aufwendungen des Anwenders, im Streitfall des Klägers, Anschaffungskosten für ein immaterielles Wirtschaftsgut sind. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung verweist der Senat auf sein vorgenanntes Grundsatzurteil III R 7/86.

2. Geht man von diesen Grundsätzen aus, so handelt es sich bei den vom Kläger erworbenen Computerprogrammen um immaterielle Wirtschaftsgüter. Ohne Bedeutung ist, ob der Kläger an den Programmen ein (befristetes) Nutzungsrecht erworben oder ob er die Programme gekauft hat. Die Entscheidung hängt auch nicht davon ab, ob die Programme ,,datenträgergebundene fixe Standardprogramme" nach Walter (a.a.O.) sind. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415211

BFH/NV 1988, 121

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