Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätigkeit eines Pneopäden als Atem-, Sprech- und Stimmlehrers keine "ähnliche heilberufliche Tätigkeit" i. S. v. § 4 Nr. 14 UStG

 

Leitsatz (NV)

Neue Heilberufe bzw. Heilhilfsberufe sind erst dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn der Gesetzgeber sie entweder in den Katalog des § 4 Nr. 14 UStG aufnimmt oder ihnen durch eine Berufsregelung die Ähnlichkeit mit den Katalogberufen verschafft (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1991 § 4 Nr. 14; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) legte nach dem Besuch einer Ausbildungsstätte für Initiatische Therapie 1989 die Abschlußprüfung in Atemtherapie/Atempädagogik/personale Leibtherapien ab und ist aufgrund des Diploms des "AFA- Verbandes der Pneopäden Arbeitsgemeinschaft für Atempflege e. V." berechtigt, den Titel "Pneopädin" zu führen. Sie übt ihre Tätigkeit als Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin nach den Angaben in der Umsatzsteuererklärung 1992 in ihrer "Praxis für Atem, Stimme und Bewegung" selbständig aus.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erfaßte die Umsätze der Klägerin im Streitjahr (1992) erklärungsgemäß mit dem Regelsteuersatz von 14 v. H. durch eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung. Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, ihre Tätigkeit sei nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1991) von der Umsatzsteuer befreit.

Einen großen Teil ihrer Leistungen führe sie aufgrund der Zuweisung von Patienten durch einen Arzt unter dessen Verantwortung aus (Atemtherapie und Reflexzonenmassage am Fuß). Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. In dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 989 abgedruckten Urteil führte das FG im wesentlichen aus:

Umsätze aus einer "ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit" i. S. von § 4 Nr. 14 UStG 1991 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lägen nur vor, wenn ein Beruf mit einem der Katalogberufe in wesentlichen Punkten verglichen werden könne. Der Bundesfinanzhof (BFH) verlange in ständiger Rechtsprechung als ein solches typisches und damit wesentliches Merkmal der im Gesetz aufgezählten Berufe die Abhängigkeit der Berufsausübung von einer staatlichen Erlaubnis (Urteil des BFH vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804). Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29. August 1988 1 BvR 695/88 (BStBl II 1988, 975) seien diese Anforderungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 26. Januar 1993 IV A 3 -- S 7170 -- 5/93 (BStBl I 1993, 234) stütze das Klagebegehren nicht, weil diese Verwaltungsregelung lediglich Atem-, Sprech- und Stimmlehrer betreffe, die in Niedersachsen aufgrund dortiger landesrechtlicher Regelung zur Berufsausübung befugt seien. Auf die Klägerin träfen diese Voraussetzungen nicht zu, weil sie ihre Berufstätigkeit in Baden-Württemberg nicht nach erfolgreichem Abschluß einer staatlich anerkannten Berufsfachschule und aufgrund von landesrechtlich geregelter Erlaubnis ausübe.

Die Tätigkeit der Klägerin sei auch nicht mit der einer Krankengymnastin vergleichbar. Denn letztere sei an die aufgrund staatlicher Anerkennung zu erteilende Erlaubnis der Gesundheitsbehörden geknüpft. Auf die Einbeziehung der Umsätze der Psychagogen in die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1991 durch Abschn. 90 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 1992 könne sich die Klägerin ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zum einen enthielten die UStR insoweit keine zutreffende Auslegung des Gesetzes i. S. einer auch für die Gerichte beachtlichen norminterpretierenden Verwaltungsregelung. Zum andern könnten sich auf diese Verwaltungsregelung im Billigkeitsweg nur die in Abschn. 90 Abs. 2 UStR 1992 ausdrücklich genannten Psychotherapeuten und Psychagogen stützen. Auf die Tätigkeit der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer könne die Regelung nicht übertragen werden.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Klägerin Zulassung der Revision. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält sie die Rechtsfrage, ob eine Anerkennung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1991 nur in Betracht komme, wenn vergleichbare Bedingungen hinsichtlich der Erlaubnis und der Überwachung der Tätigkeit zu einem der in § 4 Nr. 14 UStG 1991 aufgezählten Katalogberufe gegeben seien. Trotz der vom FG herangezogenen ständigen Rechtsprechung des BFH sei die Rechtsfrage klärungsbedürftig, weil die bisherige Rechtsprechung vor dem Hintergrund der gegenwärtig vorherrschenden Praxis revisionsbedürftig sei. Die Verwaltung folge den Grundsätzen dieser Rechtsprechung in vielen Fällen nicht mehr. Das ergebe sich am deutlichsten aus dem vom FG erörterten Abschn. 90 Abs. 2 UStR 1992 zur Steuerbefreiung der nichtärztlichen Psychotherapeuten und Psychagogen.

Die Verwerfung der in Abschn. 90 Abs. 2 UStR 1992 wiedergegebenen Auffassung durch das FG mit der Begründung, es handle sich um keine zutreffende Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG 1991, werde der gegenwärtigen Situation im Bereich der Heil(hilfs)berufe nicht mehr gerecht. Es gäbe inzwischen im Bereich der heilkundlichen Tätigkeiten zahlreiche Berufsfelder -- nicht nur im psychotherapeutischen Bereich, sondern auch im gesamten Bereich der Sprachheilpädagogik --, die berufsrechtlich nicht mehr geregelt seien. Obwohl sie, die Klägerin, lediglich den Abschluß einer privaten Ausbildungseinrichtung erworben habe und deshalb keine aufgrund einer berufsrechtlichen Regelung erlangte Erlaubnis vorweisen könne, "behandle" sie seit Jahren nach ärztlicher Zuweisung und unter ärztlicher Aufsicht Patienten. Es liege exakt die Konstellation vor, die Abschn. 90 Abs. 2 UStR 1992 im Auge habe. Die gesamte gegenwärtige Praxis sei durch zahlreiche "Inkonsistenzen" gekennzeichnet. Die Auslegung des Begriffs einer "ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit" sollte sich an den Maßstäben orientieren, die Abschn. 90 Abs. 2 UStR 1992 enthalte. Maßgeblich sei danach, ob der nichtärztlich tätige Angehörige eines Heilberufs seine heilkundliche Tätigkeit aufgrund einer Zuweisung von Patienten durch einen Arzt und unter dessen Verantwortung ausübe.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Mit Schreiben vom 7. März 1996 hat die Klägerin den nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 6. März 1996 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage besteht kein grundsätzlicher Klärungsbedarf. Der BFH hat sich mit Einwänden, wie sie die Klägerin gegen seine ständige Rechtsprechung vorbringt, bereits wiederholt auseinandergesetzt (vgl. Urteile vom 21. Juli 1994 V R 134/92, BFH/NV 1995, 549, und vom 15. September 1994 XI R 59/93, BFH/NV 1995, 647, jeweils mit Nachweisen). Nach der gesetzlichen Regelung sind neue Heilberufe bzw. Heilhilfsberufe erst dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn der Gesetzgeber sie entweder in den Katalog des § 4 Nr. 14 UStG aufnimmt oder ihnen durch eine Berufsregelung die Ähnlichkeit mit den Katalogberufen verschafft. Die Gerichte sind an diese gesetzliche Regelung gebunden und nicht befugt, die Steuerbefreiung auf andere Steuerpflichtige zu erstrecken, wenn die Ähnlichkeit der Berufe verneint werden muß.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 937

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