Leitsatz

1. Hat der Gutachterausschuss Bodenrichtwerte für erschließungsbetragspflichtiges Bauland festgelegt, ist dieser Richtwert für solche Grundstücke maßgebend und unverändert zu übernehmen, für die (noch) eine Erschließungsbeitragspflicht besteht. Auf den tatsächlichen Erschließungszustand des Grundstücks kommt es entgegen R 161 Abs. 6 Sätze 4 und 5 ErbStR 2003 nicht an.

2. Aus einer Richtwertkarte, die für Grundstücke in einer Richtwertzone eine Preisspanne nennt, kann bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts für unbebaute Grundstücke in diesem Gebiet nach § 145 Abs. 3 BewG nur der unterste Wert der angegebenen Wertspanne übernommen werden.

 

Normenkette

§ 145 Abs. 3 BewG , § 195 BauGB , § 196 Abs. 1 BauGB

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb mehrere Bauplätze in einem Baugebiet, die schon an die Abwasser- und Wasserleitung angeschlossen waren und an einer bereits vorläufig hergestellten Straße lagen, für die aber noch keine Erschließungsbeiträge entrichtet waren. Der Bodenrichtwert für noch erschließungspflichtige Grundstücke war auf 15 bis 30 DM festgelegt. Darüber hinaus hatte der Gutachterausschuss die Erschließungsbeiträge "unverbindlich" mit 2 DM/qm für Wasser, 4 DM/qm für Kanal und 5,50 bis 8 DM/qm für die Straße angegeben.

Das FA ermittelte den Grundstückswert mit 80 % von (30+2+4+8 =) 44 DM/qm. Auf die Klage setzte das FG den Grundstückswert herab, und zwar nach einem Wert von 18 DM/qm. Es gäbe keinen Grund, den Höchstwert anzusetzen; im Übrigen seien die Bauplätze wegen der noch offenen Beitragspflicht als unerschlossene Grundstücke zu bewerten.

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der BFH stimmte dem FG zwar darin zu, dass nicht auf den tatsächlichen Erschließungszustand, sondern auf das Bestehen einer Beitragspflicht abzustellen ist; er hielt es jedoch für unzulässig, dass das FG bei der vorgegebenen Bandbreite der Bodenrichtwerte im Schätzungsweg einen für richtig gehaltenen Zwischenwert angesetzt hat. Grundsätzlich ist in derartigen Fällen der unterste Bodenrichtwert anzusetzen.

Gleichwohl ist im Streitfall wegen der bislang ungeklärten Rechtslage dem FA durch Zurückverweisung der Sache an das FG Gelegenheit gegeben worden, beim Gutachterausschuss auf die Erarbeitung einer für die steuerliche Bewertung des Grundbesitzes geeigneten und dem § 145 Abs. 3 BewG entsprechende Richtwertkarte hinzuwirken. Sollte das FA innerhalb einer angemessenen Frist beim Gutachterausschuss keinen Erfolg haben, ist der unterste Wert von 15 DM anzusetzen, soweit damit nicht der Klageantrag unterschritten wird.

 

Hinweis

Für den Fall, dass für erschlossene und unerschlossene Grundstücke unterschiedliche Bodenrichtwerte bestehen, soll die Frage, welcher Bodenrichtwert im konkreten Fall anzuwenden ist, gem. R 161 Abs. 6 Sätze 4 und 5 ErbStR 2003 danach zu beantworten sein, ob das Grundstück bereits tatsächlich erschlossen ist oder nicht. Begründet wird dies damit, dass die Erschließungsmaßnahmen als solche bereits den Wert des Grundstücks erhöhen und es dabei unerheblich ist, ob die Erschließungsbeiträge bereits angefordert oder schon Vorauszahlungen geleistet worden sind. Dieser Ansatz der Finanzverwaltung widerspricht den Vorschriften der §§ 195 ff. BauGB.

Für die Bildung der Preise auf dem Grundstücksmarkt, die gem. den §§ 195, 196 BauGB über die Kaufpreissammlung in die Bodenrichtwerte eingehen, ist nicht entscheidend, ob ein Grundstück bereits tatsächlich erschlossen ist, sondern maßgebend, ob die Erschließungskosten noch auf den Käufer zukommen oder bereits vom Verkäufer getragen worden sind. Die Erschließung wirkt sich erst dann auf den Bodenrichtwert aus, wenn keine Beitragspflichten mehr bestehen. Entscheidend ist somit der beitrags- und abgaberechtliche Zustand des Grundstücks (vgl. § 199 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 3 WertV).

Die Festlegung lediglich einer Bandbreite für die Bodenrichtwerte entspricht nicht den Anforderungen des § 145 Abs. 3 BewG, und zwar auch dann nicht, wenn der Gutachterausschuss zusätzlich Bodenrichtwerte für mäßige, mittlere und gute Lagen angibt. Derartige Richtwerte sind für die FÄ nicht ohne eigene Erwägungen darüber, in welche Kategorie das konkrete Grundstück fällt, anwendbar. Zu solchen Erwägungen sind die FÄ aber nicht befugt. Daher bleibt ihnen angesichts einer derartigen Bandbreite von Richtwerten nichts anderes übrig, als bei dem Gutachterausschuss darauf hinzuwirken, die Bodenrichtwerte gebietsmäßig ausreichend differenziert festzulegen oder den untersten Wert anzusetzen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.8.2005, II R 62/03

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