Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrente. anderweitige zusätzliche Altersversorgung. Tarifauslegung. energie- und versorgungswirtschaftliche Unternehmen. Ausschluß durch anderweitige zusätzliche Altersversorgung. neue Bundesländer. technische Intelligenz. Überführung in gesetzliche Rentenversicherung. einzelvertragliche vom Tarifvertrag losgelöste Versorgungszusage. Gleichbehandlungsgrundsatz. Betriebliche Altersversorgung. Gleichbehandlung
Orientierungssatz
- Will der Arbeitgeber erkennbar nur den Pflichten aus kollektivrechtlichen Normen nachkommen, sind weder die Voraussetzungen einer stillschweigenden Willenserklärung noch die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung erfüllt.
- Der TV Ablösung unterscheidet danach, ob der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1992 oder später eingetreten ist. Bei Eintritt des Versorgungsfalles bis zum 31. Dezember 1992 gelten die modifizierenden Vorschriften der §§ 4 ff. TV Ablösung nicht. Bei Versorgungsfällen nach dem 31. Dezember 1992 richten sich die Aufrechterhaltung und die Höhe der Anwartschaft nach §§ 4 bis 6 TV Ablösung und die Leistungs (Auszahlungs) voraussetzungen nach § 7 TV Ablösung.
- § 7 TV Ablösung hat die Ansprüche aus dem geschlossenen Versorgungswerk nicht erweitert und den Ausschlußtatbestand des § 2 Abs. 4 TVV Energie nicht aufgehoben.
- Die durch das AAÜG in die gesetzliche Rentenversicherung überführten Versorgungsansprüche und -anwartschaften aus der Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben sind eine “zusätzliche Altersversorgung” iSd. Ausschlußvorschrift des § 2 Abs. 4 TVV Energie.
- Der Gleichbehandlungsgrundsatz war im vorliegenden Fall auch dann nicht verletzt, wenn die Arbeitnehmer, die sich für eine laufende Rente entschieden haben, keine Leistung mehr erhalten, während die Arbeitnehmer, die sich für eine höhere Abfindung entschieden haben, daß gesamte Kapital behalten dürfen. Der Arbeitgeber konnte davon absehen, etwaige Rückforderungsansprüche einzuklagen. Prozeßrisiken und ein unterschiedliches Schutzbedürfnis stellen sachgerechte Differenzierungsgründe dar.
Normenkette
BetrAVG § 1 Zusatzversorgung; TVG § 1 Tarifverträge: Energieversorgung; Tarifvertrag über die betriebliche Zusatzrentenversorgung vom 20. Juli 1990 (TVV Energie) § 2; Tarifvertrag über die Ablösung des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie des AVEU (TV Ablösung) vom 16. Oktober 1992 §§ 4-7; Tarifvertrag über zusätzliches Altersübergangsgeld (TVA Energie) vom 27. September 1990; AO 54 §§ 3-4, 7; Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) §§ 2, 5; AFG § 249e i.d.F. vom 29. September 1990; BGB §§ 133, 157, 242
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger eine betriebliche Zusatzversorgung zusteht.
Der am 26. April 1934 geborene Kläger war vom 1. September 1958 bis einschließlich 30. Juni 1991, zuletzt als Ingenieur für Dampferzeugungstechnik, bei der Beklagten und ihrer volkseigenen Rechtsvorgängerin beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung sind auf dieses Arbeitsverhältnis die für die Mitgliedsunternehmen der Tarifgruppe Energie des Arbeitgeberverbandes energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen abgeschlossenen Tarifverträge anzuwenden. § 2 des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung vom 20. Juli 1990 (TVV Energie) enthält folgende Regelung:
“Zusatzrentenversorgung
Arbeitnehmer erhalten bei Erfüllung der Voraussetzungen eine betriebliche Zusatzrente nach folgenden Bestimmungen:
(1) Der Anspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer
a) noch beschäftigt oder wegen Invalidität oder Überschreitung der Altersgrenze aus dem Betrieb ausgeschieden ist und
b) eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer im Betrieb sowie
c) den Bezug einer Alters-, Invaliden- oder Unfallvollrente
nachweist.
(2) Die monatliche Zusatzrente beträgt 5 Prozent des monatlichen Nettodurchschnittsverdienstes der letzten 5 Arbeitsjahre.
(3) Die betriebliche Zusatzrente wird auch Arbeitnehmern gewährt, die in den Vorruhestand treten, wenn sie eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer nachweisen können.
(4) Arbeitnehmer, die eine zusätzliche Altersversorgung erhalten, haben keinen Anspruch auf die Gewährung der betrieblichen Zusatzrente. …”
Die Parteien beendeten das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1991 “auf der Grundlage des ‘Tarifvertrages über zusätzliches Altersübergangsgeld’ – TVA Energie – vom 27.09.90 und des Rahmensozialplanes vom 07.03.91”. Im Zusammenhang damit schlossen sie am 21. Juni 1991 eine Vereinbarung. Deren § 1 Nr. 3.1 sah vor, daß der Kläger “auf der Grundlage des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung – TVV Energie – vom 20.07.90 ab dem Monat Juli 1991 eine betriebliche Zusatzrente in Höhe von monatlich 76,- DM erhält”.
Nach Kündigung des TVV Energie unterzeichneten die Tarifvertragsparteien am 16. Oktober 1992 den Tarifvertrag über die Ablösung des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie des AVEU (TV Ablösung). Er lautet auszugsweise:
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Schließung der betrieblichen Zusatzrentenversorgung
Die aus dem TVV-Energie folgende betriebliche Zusatzrentenversorgung wird mit Wirkung ab dem 01.01.1993 geschlossen. Die tarifliche Nachwirkung des gekündigten TVV Energie wird mit Ablauf des 31.12.1992 beendet.
§ 3
Fortzahlung laufender Rentenleistungen
Soweit Arbeitnehmern bzw. ehemaligen Arbeitnehmern der Mitgliedsunternehmen der Tarifgruppe Energie bereits bis zum 31.12.1992 Rentenleistungen aus dem TVV Energie gezahlt wurden, bleiben diese über den 31.12.1992 hinaus unberührt. Eine Dynamisierung dieser Leistungen bleibt auch für die Zukunft ausgeschlossen, § 16 i. Vb. m. § 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BetrAVG.
§ 4
Anwartschaft aufgrund erfüllter Wartezeit
Arbeitnehmer, die spätestens mit Ablauf des 31.12.1992 eine 20jährige Unternehmenszugehörigkeit aufweisen, haben eine Anwartschaft auf 5 % der Bemessungsgrundlage nach § 5 dieses Vertrages, soweit die Leistungsvoraussetzungen des TVV Energie i.d.F. des § 7 dieses Vertrages ab dem 01.01.1993 eintreten.
§ 5
Anwartschaft ohne Erfüllung der Wartezeit
…
3. Soweit Arbeitnehmer der Mitgliedsunternehmen der Tarifgruppe Energie nicht unter § 4 oder die Nrn. 1 und 2 dieser Vorschrift fallen, bestehen Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Zusatzrentenversorgung aus dem TVV Energie oder aus diesem Tarifvertrag nicht.
§ 6
Bemessungsgrundlage
Bemessungsgrundlage i. S. der §§ 4 und 5 dieses Tarifvertrages sind …
§ 7
Leistungsvoraussetzungen
1. Die Leistungsvoraussetzungen des TVV Energie gelten ausschließlich nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
2. Leistungen nach den §§ 4 und 5 dieses Tarifvertrages setzen voraus, daß der Arbeitnehmer mit oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Ruhestand tritt und eine Altersgrenze aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe gemäß § 42 Abs. 1 SGB VI erhält.
3. Leistungen nach den §§ 4 und 5 dieses Tarifvertrages werden auch gezahlt, wenn und soweit der Arbeitnehmer eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI erhält.
4. Neben einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI werden Leistungen nach den §§ 4 und 5 dieses Tarifvertrages nur gezahlt, wenn …”
Vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. April 1999 war der Kläger bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt. Mit Schreiben vom 14. Juni 1999 teilte ihm die Beklagte mit:
“Ab 01.05.1999 erhalten Sie mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Damit lebt Ihr Anspruch auf Zahlung der betrieblichen Zusatzrente, der wegen der zwischenzeitlichen Aufnahme einer Tätigkeit nach Beendigung des Altersruhegeldes ruhte, wieder auf. …”
Der Kläger erhielt seit dem 1. Mai 1999 von der Beklagten eine betriebliche Zusatzrente von monatlich 76,00 DM. Mit Schreiben vom 8. Mai 2000 wandte sich die Beklagte an den Kläger und wies ihn auf folgendes hin:
“in zwei Urteilen aus dem Jahr 1998 hat das Bundessozialgericht klargestellt, daß zukünftig auch solche Arbeitnehmer und Rentner einen Anspruch auf Bezug einer höheren Sozialversicherungsrente besitzen, die zu DDR-Zeiten zwar nicht dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz formal angehört haben, jedoch auf Grund ihrer Tätigkeit diesem Versorgungssystem zuzuordnen gewesen wären. Sofern also der betroffene Personenkreis nachweisen kann, so das Bundessozialgericht, daß eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt wurde, werden diese Zeiten zukünftig anspruchserhöhend bei der Berechnung der Sozialversicherungsrente berücksichtigt.
Die Anerkennung von Zugehörigkeitszeiten zu Berufen der technischen Intelligenz und die damit verbundene Rentensteigerung in der gesetzlichen Rentenversicherung bedingt jedoch gleichsam, daß damit ein Anspruch auf Gewährung der tariflichen Zusatzrente entfällt. Dies gilt auch, wenn in ihrem Versicherungsverlauf Zeiten zu anderen Versorgungssystemen nach dem AAÜG(= Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz) berücksichtigt worden sind.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen möchten wir Sie deshalb heute darauf hinweisen, daß Sie verpflichtet sind, uns unverzüglich zu informieren , wenn Ihnen eine Zusatzversorgung auf Grund oben genannter Rechtsprechungsgrundsätze entweder bereits bei Antragstellung der gesetzlichen Rente oder auch durch nachträgliche Einbeziehung anerkannt wird bzw. wenn in Ihrem Rentenbescheid Zeiten nach dem AAÜG auf Grund der Einbeziehung in ein Zusatz-/Sonderversorgungssystem enthalten sind. …”
Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 21. Juni 2000:
“bezugnehmend auf Ihre Nachricht vom 08.05.00, Poststempel vom 24.05.00, teile ich Ihnen hierdurch mit, daß ich gemäß Feststellungsbescheid der BfA vom 28.10.99 in das Zusatz-/Sonderversorgungssystem der AVI (= zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) einbezogen worden bin.
In der dem Feststellungsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung, abgeleitet aus dem AAÜG-Änd. vom 11.11.96 befindet sich keine Bestimmung, nach der mit der Einbeziehung vorhandene Ansprüche auf eine betriebliche Zusatzrente erlöschen.
Gegen den von Ihnen beabsichtigten Wegfall der betrieblichen Zusatzrente erhebe ich hiermit Widerspruch und betrachte auch, entgegen Ihrer Unterstellung, den bisherigen Bezug nicht als eine zu Unrecht bezogene tarifliche Sozialleistung. …”
Die Beklagte zahlte dem Kläger ab 1. August 2000 keine betriebliche Zusatzrente mehr.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die betriebliche Zusatzrente von monatlich 76,00 DM auch weiterhin zu. Sie sei ihm einzelvertraglich in der Ausscheidensvereinbarung vom 21. Juni 1991 zugesagt worden. Zudem sei durch das Schreiben vom 14. Juni 1999 und die erneute Gewährung der Zusatzrente nach Erlaß der Urteile des Bundessozialgerichts ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Auch nach den tarifvertraglichen Regelungen sei die Beklagte zur Weiterzahlung der Zusatzrente verpflichtet. Abgesehen davon, daß er zu DDR-Zeiten überhaupt keine Zusage über eine zusätzliche AVI-Rente erhalten habe und damals keine Anrechnung erfolgt wäre, sei die AVI-Versorgung nach ihrer Überführung in das gesetzliche Rentenversicherungssystem wegen des damit verbundenen Bedeutungswandels nicht mehr als zusätzliche Altersversorgung iSd. § 2 Abs. 4 TVV Energie anzusehen. Zudem sei die Ausschlußklausel durch den Tarifvertrag über die Ablösung des TVV Energie vom 16. Oktober 1992 entfallen. Zumindest könne er die Klageforderung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Er könne nicht schlechtergestellt werden als die Arbeitnehmer, die sich bei der Ausübung des ihnen eingeräumten Wahlrechts nicht für eine monatliche Zusatzrente, sondern für eine erhöhte Abfindung entschieden hätten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 544,01 Euro (= 1.064,00 DM) für die Monate August 2000 bis September 2001 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10. Februar 2001 zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, beginnend ab Oktober 2001 weiterhin an ihn eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 38,86 Euro (= 76,00 DM) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe weder einen einzelvertraglichen noch einen tarifvertraglichen Anspruch auf die verlangte Zusatzrente. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht die geforderte Zusatzrente nicht zu.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht einzelvertragliche Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer betrieblichen Zusatzrente verneint. Derartige Ansprüche lassen sich weder aus der Vereinbarung vom 21. Juni 1991 noch aus dem Schreiben der Beklagten vom 14. Juni 1999 herleiten. Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um nichttypisierte Erklärungen handelte, deren Auslegung revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. ua. BAG 19. März 2002 – 3 AZR 220/01 – AP BetrAVG § 5 Nr. 45 = EzA BetrAVG § 5 Nr. 32, zu B I der Gründe mwN) , oder um typisierte, einer unbeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegende Erklärungen (vgl. ua. BAG 11. Dezember 2001 – 3 AZR 674/00 – AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 21 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 82, zu 1 der Gründe). Ebenso kann offenbleiben, welcher Prüfungsmaßstab für typisierte Erklärungen eines einzelnen Arbeitgebers gilt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten Kontrolle stand.
a) In § 1 Nr. 3.1 der Vereinbarung vom 21. Juni 1991 hatte sich die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger unabhängig vom Inhalt des TVV Energie auf jeden Fall monatlich 76,00 DM Zusatzrente zu zahlen. Wie das Landesarbeitsgericht richtig hervorgehoben hat, wurde die Zusatzrente ausdrücklich “auf der Grundlage des TVV Energie” erbracht. Die Beklagte vollzog lediglich den TVV Energie. Sie begründete keine vom Tarifvertrag losgelöste rechtsgeschäftliche Verpflichtung. In § 1 Nr. 3.1 der Vereinbarung vom 21. Juni 1991 wurde lediglich angegeben, welche Leistung der Kläger nach den tarifvertraglichen Regelungen konkret “erhält”. In der Vereinbarung vom 21. Juni 1991 fehlen Formulierungen, denen sich eine eigenständige rechtsgeschäftliche Verpflichtung entnehmen läßt.
b) Auch im Schreiben vom 14. Juni 1999 schuf die Beklagte keine neue, rechtsgeschäftliche Verpflichtung, sondern schilderte lediglich die ihrer Ansicht nach bestehende tarifvertragliche Rechtslage und zog daraus die Konsequenzen. Sie wies darauf hin, daß der Anspruch auf Zahlung der betrieblichen Zusatzrente wegen der zwischenzeitlichen Aufnahme einer Tätigkeit ruhe und mit dem Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Vollendung des 65. Lebensjahres wieder auflebe. Insbesondere die Formulierung “wieder auflebt” zeigt, daß sich die Versorgungsbedingungen nicht ändern sollten.
c) Eine über die tarifvertragliche Regelungen hinausgehende Versorgungsverpflichtung ist nicht dadurch entstanden, daß die Beklagte auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 24. März 1998 (– B 4 RA 27/97 R – SozR 3-8570 § 5 Nr. 3) und vom 30. Juni 1998 (– B 4 RA 11/98 R –) erst mit dem Formularschreiben vom 8. Mai 2000 reagierte. Dies ändert nichts daran, daß sie erkennbar lediglich den Tarifvertrag vollziehen wollte. Der Kläger und die übrigen Arbeitnehmer konnten nicht von einem rechtsgeschäftlichen Änderungswillen der Beklagten ausgehen, sondern mußten damit rechnen, daß die Arbeitgeberin die Auswirkungen der Entscheidungen des Bundessozialgerichts zunächst nicht erkannt hatte. Will der Arbeitgeber erkennbar nur den Pflichten aus kollektivrechtlichen Normen nachkommen, sind weder die Voraussetzungen einer stillschweigenden Willenserklärung noch die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung erfüllt.
2. Der Kläger hat entgegen seiner Ansicht keinen tarifvertraglichen Anspruch auf eine Zusatzrente.
a) Der TV Ablösung vom 16. Oktober 1992 unterscheidet danach, ob der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1992 oder später eingetreten ist.
aa) Ist der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1992 eingetreten, so gelten die modifizierenden Vorschriften der §§ 4 ff. TV Ablösung nicht. Soweit bereits bis zum 31. Dezember 1992 Betriebsrenten nach dem TVV Energie zu zahlen waren, bleiben diese Leistungen nach § 3 TV Ablösung über den 31. Dezember 1992 hinaus unberührt. Die von § 3 TV Ablösung erfaßten Versorgungsberechtigten erhalten die ihnen nach dem TVV Energie zustehenden Betriebsrenten ohne Dynamisierung weiter. Sie sind von der in § 2 TV Ablösung vorgeschriebenen Schließung der betrieblichen Zusatzrentenversorgung nicht betroffen. Die bisherigen Versorgungsregelungen des § 2 TVV Energie gelten für diesen Personenkreis unverändert fort.
bb) Bei Versorgungsfällen nach dem 31. Dezember 1992 richten sich die Aufrechterhaltung und die Höhe der Anwartschaft nach §§ 4 bis 6 TV Ablösung und die Leistungs(Auszahlungs)voraussetzungen nach § 7 TV Ablösung. Bereits das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, daß § 7 TV Ablösung die Ansprüche aus dem geschlossenen Versorgungswerk nicht erweiterte und den Ausschlußtatbestand des § 2 Abs. 4 TVV Energie nicht aufhob.
b) Im vorliegenden Fall war der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1992 eingetreten. Der Kläger hatte nach § 2 Abs. 3 TVV Energie seit Juli 1991 eine betriebliche Zusatzrente von monatlich 76,00 DM bezogen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift waren damals erfüllt. Das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und die Zahlung eines Altersübergangsgeldes nach § 249e AFG idF vom 29. September 1990, (Anlage I Kap. VIII Sachg. E Abschn. II Nr. 1 Buchst. e des Einigungsvertrages – EV – iVm. Art. 1 des Gesetzes vom 23. September 1990 BGBl. II S. 885, 1033 ff.) , stand dem Vorruhestand gleich. Als der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis einging, ruhte lediglich der Zusatzrentenanspruch. Ein Ruhenstatbestand änderte nichts daran, daß bereits ein Versorgungsfall vorlag.
c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Ausschlußvorschrift des § 2 Abs. 4 TVV Energie dem geltend gemachten Zusatzrentenanspruch entgegensteht. Der Kläger erhält aus seiner Zugehörigkeit zur AVI eine “zusätzliche Altersversorgung” im Sinne dieser Bestimmung.
aa) § 2 TVV Energie hat sie an die AO 54 angelehnt. Die im TVV Energie enthaltenen Regelungen zu den Anspruchsvoraussetzungen (§ 2 Abs. 1) und der Höhe der Zusatzrente (§ 2 Abs. 2) entsprechen wörtlich oder zumindest inhaltlich den §§ 3, 4 Abs. 1 AO 54. Die Ausschlußvorschrift des § 2 Abs. 4 TVV Energie stimmt mit § 7 Abs. 1 Satz 1 AO 54 überein, der wie folgt lautet:
“Angestellte, die eine zusätzliche Altersversorgung erhalten, haben keinen Anspruch auf die Gewährung der Zusatzrente.”
Nicht übernommen haben die Tarifvertragsparteien den § 7 Abs. 1 Satz 2 AO 54, in dem es heißt:
“Ob ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung besteht, regelt sich nach den Bestimmungen der Verordnung vom 17. August 1950 über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (GBl. S. 844) oder nach der Verordnung vom 12. Juli 1951 über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. S. 675).”
§ 7 Abs. 1 Satz 2 AO 54 definierte den Begriff der “zusätzlichen Altersversorgung” und begrenzte dadurch die Ausschlußklausel des § 7 Abs. 1 Satz 1 AO 54 auf die angegebenen Versorgungssysteme und Durchführungswege. Diese Einschränkung fehlt im TVV Energie und führt bereits nach dem Wortlaut zu einem weiteren Anwendungsbereich. Den Tarifvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, daß es sich dabei um ein Versehen handelte. Vielmehr ist diese Abweichung im Zusammenhang mit der sich damals abzeichnenden Wiedervereinigung Deutschlands zu sehen. Bei Abschluß des TVV Energie stand noch nicht fest, wie die in der AO 54 erwähnten Zusatzversorgungen zur Herstellung der Rechtseinheit überführt werden.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat den Regelungszweck des § 2 Abs. 4 TVV Energie zutreffend bestimmt. Diese Vorschrift will ebenso wie § 7 Abs. 1 AO 54 zweifache Begünstigungen vermeiden. Auf welchem Weg die anderweitige Zusatzversorgung dem Arbeitnehmer zugute kommt, spielt keine Rolle. Im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 Satz 2 AO 54 werden bestimmte Versorgungswege nicht mehr genannt.
(1) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (AAÜG, BGBl. I S. 1677) iVm. Anlage 1 Nr. 1 sind die in der gesetzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVI) erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsunfähigkeit, Alters oder Todes zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung überführt worden. Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI gelten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. § 5 Abs. 1 Satz 2 AAÜG bestimmt, daß auf diese Zeiten vom 1. Januar 1992 an die Vorschriften des SGB VI anzuwenden sind, soweit im AAÜG nichts anderes bestimmt ist. Das erzielte Arbeitsentgelt wird nach § 6 AAÜG bis zu bestimmten Höchstbeträgen berücksichtigt.
(2) Entgegen der Ansicht des Klägers ist es unerheblich, daß durch diese Überführung die Zugehörigkeit zur AVI einen Bedeutungswandel erfuhr. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Zusatzversorgung teilweise an Wert verlor. Diese Auswirkungen der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung ändern nichts daran, daß die Arbeitnehmer auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur AVI jedenfalls in der Regel deutlich besser stehen als ohne diese Zugehörigkeit.
Die Bemessungsgrundlage für die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung der DDR waren verhältnismäßig niedrig. Das AAÜG hebt den für die Sozialversicherung maßgeblichen Verdienst aus einem Arbeitsverhältnis in der früheren DDR an, führt zu weiteren Entgeltpunkten und damit zu höheren Sozialversicherungsrenten. Der Kläger hat auch zu keinem Zeitpunkt behauptet, daß sich auf Grund des Bescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. Oktober 1999, in dem seine Zugehörigkeit zur AVI festgestellt worden ist, seine Rente um weniger als 76,00 DM monatlich erhöhte.
d) Weder für die gesetzliche Rente noch für die tarifliche Zusatzrente kommt es darauf an, daß der Kläger zu DDR-Zeiten keine Versorgungszusage erhalten hatte. In den Urteilen vom 24. März 1998 (– B 4 RA 27/97 R – SozR 3-8570 § 5 Nr. 3) und vom 30. Juni 1998 (– B 4 RA 11/98 R –) hat das Bundessozialgericht erkannt, daß die Zugehörigkeit zu den für das AAÜG maßgeblichen Zusatzversorgungssystemen nicht davon abhängt, ob und wann in der DDR eine Versorgungszusage erteilt worden ist, sondern die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung ausreicht, die ihrer Art nach in den sachlichen Geltungsbereich bestimmter Versorgungssysteme fällt. Der Kläger kann nicht verlangen, daß er bessergestellt wird als die Arbeitnehmer mit einer ausdrücklichen AVI-Zusage. Sobald ihm die Zugehörigkeit zur AVI versorgungsrechtlich zugute kommt, greift die Ausschlußklausel des § 2 Abs. 4 TVV Energie ein.
3. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich keine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Zusatzrente weiterzuzahlen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch dann nicht verletzt, wenn die Arbeitnehmer, die sich für eine laufende Rente entschieden haben, keine Leistung mehr erhalten, während die Arbeitnehmer, die sich für eine höhere Abfindung entschieden haben, das gesamte Kapital behalten dürfen.
a) Kapitalzahlungen und laufende Renten weisen systembedingt unterschiedliche Chancen und Risiken auf. Die Arbeitnehmer konnten zwischen Abfindung und laufender Rentenzahlung wählen. Der Kläger hat sich im Gegensatz zu seiner Ehefrau für laufende Rentenzahlungen entschieden.
b) Die Beklagte konnte davon absehen, etwaige Rückforderungsansprüche einzuklagen. Bereits geleistete und künftige Zahlungen können nicht gleichgestellt werden. Das Vertrauen, keinen Rückforderungsansprüchen ausgesetzt zu sein, ist schutzwürdiger als das Vertrauen auf künftige Zahlungen. Erhaltene Beträge werden häufig eingeplant und verbraucht. Nicht selten entfallen Rückforderungsansprüche wegen Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB). Die Prozeßrisiken und das unterschiedliche Schutzbedürfnis stellen sachgerechte Differenzierungsgründe dar.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Kaiser, Perreng
Fundstellen
NZA 2004, 1119 |
AP, 0 |
NJOZ 2004, 3328 |