Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit des Verzichts auf Leistung aus Sozialplan

 

Orientierungssatz

Der Verzicht eines Arbeitnehmers auf eine Abfindungssockelbetrag aus einem Sozialplan ist nur wirksam, wenn der Betriebsrat diesem Verzicht zugestimmt hat.

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. September 1998 - 19 Sa

2456/97 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und

Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das

Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung (Sockelbetrag).

Der Kläger war bei der Beklagten seit September 1993 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Er wurde als Kitter eingesetzt und verrichtete zudem Verpackungsarbeiten. 1996 entschied sich die Beklagte, die Produktion einzustellen. Sie schloß deshalb mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Dem Interessenausgleich zufolge sollte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem 31. März 1997 enden. Nr. 3 des Sozialplans lautet ua. wie folgt:

3.1 Mitarbeiter, die aufgrund der im Interessenausgleich

vereinbarten Betriebsänderung durch betriebsbedingte

Kündigungen oder Aufhebungsverträge aus dem Unternehmen

ausscheiden, erhalten nach ihrem Ausscheiden mit ihrer letzten

Abrechnung eine einmalige Abfindung, deren Höhe sich aus den

nachfolgenden Bestimmungen des Sozialplanes ergibt.

3.2 Mitarbeiter, die von der Betriebsänderung betroffen sind

und von sich aus kündigen oder einen Aufhebungsvertrag mit dem

Unternehmen abschließen, erhalten ebenfalls die Leistungen aus

diesem Sozialplan.

Nach Nr. 3.7 (iVm. 3.4 und 3.5 ) des Sozialplans setzt sich die Abfindung aus einem Sockelbetrag von 2.000,-- DM (3.7 a) und einem individuellen Anteil (3.7 b) zusammen, der sich aus dem zuletzt erzielten Monatsentgelt und den vollendeten Jahren der Betriebszugehörigkeit errechnet. Der Gesamtbetrag belief sich für den Kläger auf 8.754,23 DM.

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst selbst zum 31. Dezember 1996, weil er eine neue Stelle in Aussicht hatte. Kurz vor Weihnachten 1996 bat er darum, bis zum 31. März 1997 weiterbeschäftigt zu werden, da es Schwierigkeiten mit dem neuen Arbeitsplatz gegeben habe. Die Beklagte ging darauf ein. In der Folge äußerte der Kläger den Wunsch, sofort aus dem Arbeitsvertrag entlassen zu werden, weil er die neue Stelle nun doch bekomme, wenn er sie schon am 15. Januar 1997 antreten könne. Am 14. Januar 1997 bot die Beklagte ihm an, den Arbeitsvertrag aufzuheben, sofern er auf den Sockelbetrag der Abfindung verzichte. Zum 15. Januar 1997 schied der Kläger im Einvernehmen mit der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit der Abrechnung für den Monat Januar bezahlte die Beklagte nur den individuellen Teil der Sozialplanabfindung in Höhe von 6.724,23 DM, nicht aber den Sockelbetrag. Diesen macht der Kläger mit der Klage geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, selbst wenn er schlüssig auf die Sockelabfindung verzichtet haben sollte, sei dieser Verzicht unwirksam, weil der Betriebsrat nicht zugestimmt habe. Die Regelung sei auch nicht etwa deshalb wirksam, weil sie für ihn günstiger sei als der Sozialplan. Vielmehr habe die Beklagte seine Zwangslage ausgenutzt. Sein vorzeitiges Ausscheiden habe bei der Beklagten auch nicht zu organisatorischen Problemen geführt. Zum einen habe er vorwiegend Verpackungsarbeiten erledigt, zum anderen seien zwei andere Arbeitnehmer in die Tätigkeit als Kitter eingearbeitet gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.000,-- DM nebst 4 % Zinsen

seit dem 6. März 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Meinung war der Verzicht des Klägers auf die Sockel-Abfindung wirksam. Ihr Betriebsleiter K habe sofort Kontakt zu der Betriebsratsvorsitzenden R aufgenommen, als der Kläger in der ersten Januarhälfte darum nachgesucht habe, das Arbeitsverhältnis zu lösen. Nachdem Herr K die Betriebsratsvorsitzende gebeten hatte, dem Verzicht zuzustimmen, habe diese spontan Bedenken geäußert, jedoch zunächst Rücksprache mit den anderen Betriebsratsmitgliedern halten wollen. Bei einem zweiten Gespräch unmittelbar vor dem 15. Januar 1997 habe Frau R gegenüber dem Betriebsleiter die Zustimmung des Betriebsrats zu der Vertragsaufhebung unter Verzicht des Klägers auf eine Abfindung von 2.000,-- DM erklärt. Die Betriebsratsvorsitzende habe geäußert, sie habe erhebliche Bedenken, einer solchen Bedingung zuzustimmen. Sie wolle dem Arbeitnehmer aber keine Steine in den Weg legen. Die Beklagte hat gemeint, auf die Zustimmung des Betriebsrats komme es im übrigen nicht an, weil die getroffene Regelung günstiger sei als die im Sozialplan enthaltene. Sie habe es dem Kläger ermöglicht, ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen und seinen Verdienst zu sichern, während er sonst mit seinem Ausscheiden Ende März 1997 arbeitslos geworden wäre. Zumindest sei das weitere Abfindungsverlangen des Klägers treuwidrig. Er habe ursprünglich möglichst lange beschäftigt werden sollen, weil er der einzige Kitter im Betrieb gewesen sei. Obwohl seine Kündigung zu dem früheren Termin des 31. Dezember 1996, sein späterer Wunsch, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, und die letztlich doch vorzeitige Beendigung zum 15. Januar 1997 mit organisatorischen Schwierigkeiten und Verdienstausfällen verbunden gewesen seien, sei sie auf die Anliegen des Klägers eingegangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist erfolgreich. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Anspruch des Klägers nicht bejaht werden.

Zur abschließenden Entscheidung bedarf es allerdings noch weiterer Sachaufklärung. Für die Frage der Wirksamkeit des Verzichts des Klägers auf den Sockelbetrag der Sozialplanabfindung kommt es darauf an, ob der Betriebsrat diesem Verzicht zugestimmt hat. Die Beklagte hat dies vorgetragen und unter Beweis gestellt, der Kläger hat es bestritten. Da das Landesarbeitsgericht die Beweisaufnahme nicht durchgeführt hat, ist der Rechtsstreit auf die Revision der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der - konkludente - Verzicht des Klägers auf den Sockelbetrag der Sozialplanabfindung sei unwirksam. Die von der Beklagten vorgebrachten Tatsachen ließen nicht den Schluß zu, daß der Betriebsrat dem Verzicht unmißverständlich zugestimmt habe. Die Zustimmung des Betriebsrats sei aber erforderlich, da die mit dem Kläger vereinbarte Regelung für ihn nicht günstiger sei als der Sozialplan und ein Tatsachenvergleich nicht vorliege. Die Rechtsausübung des Klägers sei auch nicht treuwidrig.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgericht halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

II. Ob die Klage begründet ist oder nicht, hängt davon ab, ob der Kläger auf den Sockelbetrag der Sozialplanabfindung wirksam verzichtet hat. Dies kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da es insoweit auf die vom Berufungsgericht nachzuholende Beweisaufnahme ankommt.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Anspruch des Klägers auf den Abfindungs-Sockelbetrag entstanden ist (a) und der Kläger auf diesen konkludent verzichtet hat (b).

a) Der Anspruch des Klägers auf den Sockelbetrag der Abfindung ist nach Nr. 3.2, 3.1 und 3.7 a des Sozialplans entstanden. Der Kläger ist als Mitarbeiter der Produktion von der Betriebsänderung - Einstellung der Fertigung - gemäß Nr. 3.2 des Sozialplans betroffen; er ist aufgrund der Betriebsänderung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, wobei Nr. 3.2 des Sozialplans auch diejenigen Mitarbeiter erfaßt, die - wie der Kläger - von sich aus kündigen oder einen Aufhebungsvertrag mit dem Unternehmen abschließen.

Der Umstand, daß der Kläger ursprünglich sein Arbeitsverhältnis zu einem vor der Betriebsstillegung liegenden Zeitpunkt gekündigt hatte, daß das Arbeitsverhältnis später bis zum 31. März 1997 verlängert worden war und der Kläger schließlich am 14./15. Januar 1997 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Aufgrund der im Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung stand fest, daß der Kläger ausscheiden sollte; dementsprechend ist die tatsächliche Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten auch beendet worden.

b) Der Kläger hat durch sein Verhalten konkludent erklärt, er verzichte auf den Sockelbetrag der Sozialplanabfindung.

Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, im Verhalten des Klägers sei ein solcher Verzicht zu sehen, da ihm daran gelegen gewesen sei, einen neuen Arbeitsplatz antreten zu können, und da er nur auf diese Weise einvernehmlich das frühere Vertragsende habe herbeiführen können, ist ohne weiteres nachvollziehbar und verstößt nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder allgemeine Auslegungsregeln. An diese lediglich beschränkt revisible Auslegung des atypischen Einzelvertrags ist das Bundesarbeitsgericht gebunden (st. Rspr. des BAG, zB Senatsurteil 22. September 1992 - 1 AZR 235/90 - BAGE 71, 164, zu I 2 der Gründe).

2. Ob diese Vereinbarung unwirksam ist, weil sie gegen das Verbot des § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG verstößt, ohne Zustimmung des Betriebsrats auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung zu verzichten, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, daß in der Vereinbarung kein - nicht von § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG erfaßter - sog. Tatsachenvergleich (dazu BAG 31. Juli 1996 - 10 AZR 138/96 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 63 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 88, zu 2 b der Gründe; 5. November 1997 - 4 AZR 682/95 - AP TVG § 4 Nr. 17 = EzA TVG § 4 Verzicht Nr. 3, zu I 2.2 und 2.3 der Gründe) liegt. Die tatsächlichen Voraussetzungen des Abfindungsanspruchs waren zwischen den Parteien nicht streitig. Der Verzicht beseitigte keine tatsächliche Ungewißheit.

b) Weiter hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, daß die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, weil sie von einer Betriebsvereinbarung abweicht, ohne günstiger für den Kläger zu sein als diese.

Der Sozialplan hat nach § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung (Senatsurteil 8. November 1988 - 1 AZR 721/87 - BAGE 60, 94, 98, zu II 2 a der Gründe); der Verzicht auf Sozialplanleistungen verletzt daher die zwingende Wirkung des § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Nach dem Günstigkeitsprinzip (BAG GS 16. September 1986 - GS 1/82 - BAGE 53, 42, 59 ff., zu C II 3 der Gründe; BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - BAGE 63, 211, 219 f., zu C II 1 der Gründe, jeweils mwN) führt das jedoch nur dann zur Unwirksamkeit der Individualvereinbarung, wenn diese nicht zugunsten des Arbeitnehmers wirkt.

Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Der Verzicht des Klägers auf den Sockelbetrag der Sozialplanabfindung ist auch in seiner Verbindung mit der vorzeitigen Vertragsaufhebung nicht vom Günstigkeitsprinzip gedeckt. Der Verzicht mindert den durch den Sozialplan begründeten Abfindungsanspruch. In den Günstigkeitsvergleich kann die Gegenleistung für den Verzicht, die Möglichkeit der früheren Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, nicht einbezogen werden. Die Gegenstände der beiden Regelungen können nicht miteinander verglichen werden, sie stehen nach dem Sozialplan in keinem sachlichen Zusammenhang. Dieser ist aber die Voraussetzung für einen Günstigkeitsvergleich (Sachgruppenvergleich - dazu Senatsbeschluß 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - AP GG Art. 9 Nr. 89 = EzA GG Art. 9 Nr. 65, zu B III 1 b aa der Gründe). Die frühere Vertragsaufhebung ist danach nicht als günstigere Regelung geeignet, den teilweisen Verlust des Abfindungsanspruchs zu rechtfertigen.

c) Der Verzicht des Klägers auf den Abfindungs-Sockelbetrag aus dem Sozialplan ist somit nur wirksam, wenn der Betriebsrat diesem Verzicht zugestimmt hat (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG). Die Beklagte hat insoweit zulässig (aa) und im Ergebnis begründet (bb) gerügt, das Landesarbeitsgericht habe den für die Zustimmung des Betriebsrats zu dem Verzicht des Klägers angebotenen Beweis nicht erhoben (Verfahrensrüge nach §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 284, 373 ff., 139 ZPO).

aa) Die Verfahrensrüge ist zulässig.

Die Beklagte hat innerhalb der Revisionsfrist die Verfahrensrüge geltend gemacht und begründet. Dabei ist dem Zweck der Bestimmung des § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO genügt, obwohl die Beklagte die aus ihrer Sicht verletzten Normen nicht benannt hat. Die Richtung des mit der Verfahrensrüge vorgebrachten Angriffs ist eindeutig (BAG 19. Juni 1957 - 4 AZR 499/55 - BAGE 4, 291, 294 f.). Die Revision beanstandet die unterbliebene Vernehmung des Betriebsleiters der Beklagten, Udo K , und hält damit die §§ 286, 284, 373 ff. ZPO für verletzt.

Auch die Voraussetzungen des § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO liegen vor. Das übergangene Beweisangebot ist nach Schriftsatz, Seite und Absatz bezeichnet und das Beweisthema genannt. Die Beklagte bezieht sich auf ihre Behauptung, die Betriebsratsvorsitzende habe die Zustimmung des Betriebsrats zu der vorgeschlagenen Vertragsaufhebung unter Verzicht des Klägers auf eine Abfindung in Höhe von 2.000,-- DM erklärt. Die Ausführungen in der Revisionsbegründung, das Berufungsgericht hätte den angebotenen Beweis erheben müssen, beinhalten auch die Aufrechterhaltung des Beweisantritts in der Berufungsinstanz.

Daß die Beklagte nicht ausdrücklich angegeben hat, welches Ergebnis die Einvernahme des Zeugen gebracht hätte, steht der Zulässigkeit der Verfahrensrüge nicht entgegen. Daraus, daß die Beklagte die unterbliebene Vernehmung des Zeugen K rügt, ergibt sich auch, was der Zeuge nach Auffassung der Beklagten ausgesagt hätte. Zudem macht die Beklagte mit ihrer Revisionsbegründung ausdrücklich geltend, daß die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt; auch daraus ist zu ersehen, daß sie die Bestätigung ihrer Behauptung durch den Zeugen annahm.

Die Beklagte macht weiter geltend, bei richtiger Verfahrensweise durch das Landesarbeitsgericht sei eine andere Entscheidung zu erwarten gewesen (Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 38; Hauck ArbGG § 74 Rn. 19).

bb) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Betriebsratsvorsitzende R habe bei einem zweiten Gespräch mit dem Betriebsleiter K unmittelbar vor dem 15. Januar 1997 die Zustimmung des Betriebsrats zu der vorgeschlagenen Vertragsaufhebung unter Verzicht des Klägers auf eine Abfindung in Höhe von 2.000,-- DM erklärt; damit hat die Beklagte - entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts - unmißverständlich vorgetragen, daß der Betriebsrat - als Gremium - seine Zustimmung erteilt habe. Dies folgt aus dem Zusammenhang mit dem von der Beklagten dargelegten ersten Gespräch zwischen dem Betriebsleiter K und der Betriebsratsvorsitzenden R , in dem die Betriebsratsvorsitzende spontan Bedenken geäußert haben soll, zunächst jedoch Rücksprache mit den anderen Betriebsratsmitgliedern nehmen wollte. Geht man von diesem zeitlichen Ablauf aus, ist der Sachvortrag der Beklagten hinsichtlich des zweiten Gespräches zwischen dem Betriebsleiter K und der Betriebsratsvorsitzenden R so zu verstehen, daß sie - nach Rücksprache mit den anderen Betriebsratsmitgliedern - nunmehr die Zustimmung des Betriebsrats mitteilte. Dem steht nicht entgegen, daß die Behauptung der Zustimmung eine sog. juristische Tatsache, also eine rechtliche Beurteilung, eine Einordnung unter den Rechtssatz des § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG enthält. Die Zustimmung als einfacher, jedem geläufiger Rechtsbegriff ist als Beweistatsache anzusehen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Aufl. Einf § 284 Rn. 21).

Auch der Umstand, daß die Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt hat, wann der Betriebsrat in welcher Weise einen Zustimmungsbeschluß gefaßt haben soll, steht der Annahme eines bestimmten, unmißverständlichen Beweisangebots nicht entgegen. Die Abläufe der Betriebsratsarbeit stehen außerhalb des Wissensbereichs der beklagten Arbeitgeberin.

Gegen die Annahme eines insoweit konkreten Sachvortrags und bestimmten Beweisantritts spricht auch nicht die weitere - von der Beklagten selbst vorgetragene - Äußerung der Betriebsratsvorsitzenden, daß sie erhebliche Bedenken habe, einer solchen Bedingung zuzustimmen, sie dem Arbeitnehmer aber keine Steine in den Weg legen wolle. Dies gibt die persönliche Einstellung der Betriebsratsvorsitzenden R wieder, nicht aber die Stellungnahme des Betriebsrats als Gremium.

3. Die unterbliebene Aufklärung, ob der Betriebsrat dem Verzicht zugestimmt hat, ist entscheidungserheblich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es dem Kläger nicht verwehrt, sich auf die Verletzung des Verzichtsverbots zu berufen. Eine unzulässige Rechtsausübung läge erst dann vor, wenn die Berufung auf das Recht im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Gläubigers so sehr den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspräche, daß die Geltendmachung des Anspruchs keinen Rechtsschutz verdiente (BAG 25. Juli 1962 - 4 AZR 535/61 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 114). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

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Fundstellen

Dokument-Index HI610852

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