Leitsatz

1. Die Beantwortung der Frage, ob ein Verwaltungsakt mehrdeutig ist, richtet sich danach, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen musste; demgegenüber ist für die Auslegung eines Verwaltungsakts maßgeblich, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.10.2005, IV R 55/04, BFH-PR 2006, 156, BStBl II 2006, 404).

2. Die für die Ausübung des Verpächterwahlrechts erforderliche Absicht der Wiederaufnahme umfasst den Betrieb in dem Zustand, in dem sich das Unternehmen befand, als die letzte werbende Tätigkeit eingestellt wurde.

 

Normenkette

§ 125, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 16 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Eine OHG hatte nach dem Krieg zunächst eine Weberei und einen Textilgroßhandel betrieben. Später hatte sie die Produktion eingestellt und zunächst die Produktionshalle, später auch die Verwaltungsräume vermietet. Den Großhandel übernahm dann im Weg einer Betriebsaufspaltung eine Betriebs-GmbH. Die Produktionshalle wurde zwischenzeitlich zu einem Supermarkt umgebaut und verpachtet; ehemalige Betriebswohnhäuser wurden entnommen. Nach Wegfall der personellen Verflechtung übernahm den Betrieb eine zweite OHG.

Im Jahr 1992 setzten sich die beiden Gesellschafter der Alt-OHG auseinander. Das FA sah darin eine Entnahme der ehemaligen Produktionshalle und des Verwaltungsgebäudes. Dem an die OHG gerichteten Gewinnfeststellungsbescheid fügte das FA die um den Aufgabegewinn ergänzte Anlage ESt 1,2,3, B bei.

Nachdem das FG die Bekanntgabe für unwirksam hielt, gab das FA den Feststellungsbescheid noch einmal jedem der Gesellschafter bekannt, fügte allerdings die Anlage ESt 1,2,3, B nicht nochmals bei.

Im erneuten Klageverfahren hielt das FG den Gewinnfeststellungsbescheid für wirksam und materiell für richtig.

 

Entscheidung

Auch der BFH war dieser Auffassung. Der Bescheid sei wirksam, weil bei Auslegung des Bescheids durch die Beteiligten kein Zweifel über die Gewinnverteilung bestehen könne. Der Sache nach sei der Betrieb nicht vor Auseinandersetzung der OHG aufgegeben worden. Entweder habe zuvor eine Betriebsverpachtung oder aber eine Betriebsunterbrechung vorgelegen.

 

Hinweis

1. Der vom Sachverhalt sehr unübersichtliche Fall enthält – wie den Leitsätzen zu entnehmen – bedeutsame verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Aussagen.

2. Verfahrensrechtlich war über die Auslegung eines missverständlichen Gewinnfeststellungsbescheids zu entscheiden, dem zwar eine Aufteilung des Gewinns auf die Feststellungsbeteiligten beigefügt war, in der die Beteiligten aber nur als "Beteiligter zu 1" und "Beteiligter zu 2" angegeben waren. Die Aufschlüsselung der Namen ergab sich aus der Anlage FB zur Steuererklärung.

Ein fremder Dritter hätte dem Bescheid nicht entnehmen können, welchem Feststellungsbeteiligten welcher Gewinnanteil zugerechnet worden war. Für die Beteiligten selbst war aber einerseits wegen der Steuererklärung, andererseits auch deshalb, weil nur ein Gesellschafter eine Sondervergütung erhalten hatte, völlig klar, wem welcher Gewinnanteil zugerechnet wurde. Dies hält der BFH für ausreichend, denn er stellt auf den konkreten Empfängerhorizont ab. Für die Auslegung des Bescheidinhalts ist also immer das Sonderwissen des Adressaten zu berücksichtigen.

Beachten Sie aber, dass die vom Bescheid getroffene Regelung immer objektiv eindeutig sein muss. Das war hier der Fall, weil die Gewinnverteilung feststand und nur die Zuordnung ohne Sonderwissen nicht möglich gewesen wäre.

3. In der Sache ging es darum, ob durch die während dreieinhalb Jahrzehnten erfolgten verschiedenen Umstrukturierungen der Betrieb oder ein Teilbetrieb irgendwann ohne diesbezügliche Erklärung aufgegeben worden war oder ob Betriebsgrundstücke zwangsweise entnommen worden waren.

Das Urteil nimmt vor allem zu folgenden Umstrukturierungsmaßnahmen Stellung:

  • Die Einstellung eines Teilbetriebs führt nicht zur Zwangsaufgabe; die Wirtschaftsgüter können als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen in den verbleibenden Betrieb überführt werden.
  • Eine Betriebsverpachtung kann zugleich zum Entstehen einer echten Betriebsaufspaltung durch Ausgliederung eines Betriebsunternehmens führen. Dies ändert nichts daran, dass nicht vom Betriebsunternehmen genutzte Grundstücke gewillkürtes Betriebsvermögen des Besitzunternehmens bleiben können.
  • Bauliche Veränderungen an Wirtschaftsgütern des gewillkürten Betriebsvermögens im Besitzunternehmen führen nicht zur Aufgabe des an das Betriebsunternehmen verpachteten Betriebs.
  • Das Ende der Betriebsaufspaltung durch Wegfall der personellen oder sachlichen Verflechtung hat keine Betriebsaufgabe zur Folge, wenn zugleich eine Betriebsverpachtung vorlag. Vielmehr lebt dann das Verpächterwahlrecht auf, im Weg dessen bei Wiederaufnahmeabsicht der Betrieb als ruhend fortgeführt werden darf. Die Wiederaufnahmeabsicht muss sich auf den Betrieb in seinem Bestand bei Beginn der ...

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