Leitsatz

1. Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, sofern sie beruflich veranlasst sind.

2. Die Auffassung, wonach Ausgaben für ein Erststudium an einer Universität oder Fachhochschule stets der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und deshalb nur als Sonderausgaben begrenzt abziehbar sind, wird aufgegeben (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG

 

Sachverhalt

Die im Streitjahr 1997 31 Jahre alte Klägerin ist ausgebildete Rechtsanwalts- und Notargehilfin und seit dem 1.2.1988 bei der X-Bank tätig. 1994 erwarb sie berufsbegleitend den Abschluss "Staatlich geprüfte Betriebswirtin" an einer Studienakademie. Ab September 1995 war die Klägerin als Personalreferentin der Bank tätig. Voraussetzung für die endgültige Besetzung dieser Stelle war ein akademischer Studienabschluss. Die Klägerin nahm daher zum 1.12.1996 ein berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaft mit der Fachrichtung Personalwesen an der Fachhochschule für Berufstätige (AKAD) auf, um den Abschluss "Diplom-Betriebswirtin (FH)" zu erwerben.

In der ESt-Erklärung für 1997 machte die Klägerin bei Einnahmen i.H.v. rd. 91.000 DM Kosten für ihr FH-Studium i.H.v. rd. 7.500 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das FA sah darin Berufsausbildungskosten und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 1.800 DM als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) zum Abzug zu. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – die Entscheidung des FG. Die Aufwendungen der Klägerin für das berufsbegleitende Erststudium seien Werbungskosten. Der berufliche Anlass sei gegeben, weil die Klägerin nach Jahren der Berufstätigkeit an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen habe, um in ihrem Beruf besser voranzukommen, ihre Kenntnisse zu erweitern und ihre Stellung im Unternehmen zu festigen.

 

Hinweis

1. Die Besprechungs-Entscheidung und das weitere Grundsatzurteil vom 4.12.2002, VI R 120/01, Seite 97 in diesem Heft, stehen im rechtssystematischen Zusammenhang. Auf die dortige Besprechung wird verwiesen. Der Wortlaut beider Entscheidungen ist teilweise deckungsgleich.

2. Die bisherige Rechtsprechung hatte Aufwendungen für ein Erststudium stets als Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) angesehen. Dies galt auch dann, wenn ein Hochschulstudium in berufsbegleitender Weise ausgeübt wurde. Lediglich für ein Zweitstudium (Zusatz-, Aufbau- oder Ergänzungsstudium) waren Aufwendungen unter engen Voraussetzungen als Werbungskosten absetzbar.

3. Auch diese Grundsätze hat der BFH nunmehr aufgegeben. Auch für ein (berufsbegleitendes) Erststudium ist maßgeblich, ob ein hinreichend konkreter beruflicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den (ggf. zukünftigen) Einnahmen besteht. Wie bei den Umschulungskosten ist es nicht mehr von Belang, ob das berufsbegleitende erstmalige Hochschulstudium eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet.

4. Offen bleibt, inwieweit benachbarte Problemkreise von der neuen Rechtsprechung beeinflusst werden. Möglicherweise ist auch die Abzugsfähigkeit von Kosten im Zusammenhang mit einer Promotion neu zu überdenken. Wie bekannt, können Promotionskosten nach bisheriger Rechtsprechung nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Verpflichtung zur Promotion alleiniger oder ganz wesentlicher Inhalt des Arbeitsverhältnisses ist.

Ähnliches gilt für die Kosten eines (gezielt betriebenen) Studiums. Welche Anforderungen sind hierbei an den "hinreichend konkreten beruflichen Zusammenhang" zu stellen? Insoweit mag auch die Frage erlaubt sein, ob Studienkosten nicht weitgehend "Investitionen auf die berufliche Zukunft eines Steuerpflichtigen" mit dem Ziel darstellen, in und mit einem bestimmten Beruf (höhere) Einnahmen zu erzielen?

5. Die Besprechungs-Entscheidung bewirkt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG erheblich eingeschränkt wird.

6. In naher Zukunft sind insbesondere Entscheidungen des BFH zur Höhe der abzugsfähigen Kosten anlässlich von Bildungsmaßnahmen zu erwarten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.12.2002, VI R 137/01

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