FinMin Nordrhein-Westfalen, 12.9.2014, S 0296

Die Abrechnung zum Steuerbescheid (Anrechnungsverfügung), in der die Anrechnung von Steuervorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG; § 31 Abs. 1 KStG, § 18 Abs. 4 UStG) und von Steuerabzugsbeträgen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) erfolgt, ist ein von der Steuerfestsetzung gesonderter Verwaltungsakt, der zur Steuererhebung gehört. Es handelt sich um einen deklaratorischen (bestätigenden) Verwaltungsakt, dessen Außenwirkung sich je nach Ergebnis der Anrechnung in einem Leistungsgebot oder einer Erstattungsverfügung äußert (BFH-Urteil vom 16.10.1986, VII R 159/83, BStBl 1987 II S. 405). Die Anrechnungsverfügung ist kein Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 AO (BFH-Urteil vom 14.11.1984, I R 232/80, BStBl 1985 II S. 216).

Die Möglichkeit der Änderung der Anrechnungsverfügung im Falle der Rechtswidrigkeit bestimmt sich – soweit nicht § 129 AO anzuwenden ist – nach § 130 AO (BFH-Urteil vom 16.10.1986, VII R 159/83, BStBl 1987 II S. 405). Rechtswidrig ist eine Anrechnungsverfügung u.a. dann, wenn hierbei von einem Sachverhalt (z.B. Schätzung der Besteuerungsgrundlagen) ausgegangen wurde, der sich später als unrichtig erweist. Dabei ist zu beachten, dass die Anrechnungsverfügung ein deklaratorischer Verwaltungsakt ist, welcher festhält, dass die Steuerschuld im Augenblick des Ergehens der Verfügung in einer bestimmten Höhe getilgt bzw. nicht getilgt ist.

 

1. Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen

Die Änderung der Anrechnungsverfügung zugunsten des Steuerpflichtigen (d.h. die nachträgliche Erhöhung der angerechneten Beträge) kann regelmäßig nach § 130 Abs. 1 AO erfolgen, wobei die Korrektur nur innerhalb der Zahlungsverjährungsfrist von fünf Jahren (§ 228 Satz 2 AO) zulässig ist (BFH-Urteil vom 12.2.2008, VII R 33/06, BStBl 2008 II S. 504 und vom 29.10.2013, VII R 68/11, BFH/NV 2014 S. 393).

Der Zahlungsverjährung unterliegen nur festgesetzte und fällig gestellte Ansprüche (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO). Ist z.B. der Einkommensteueranspruch wegen der in § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG getroffenen Fälligkeitsregelung mangels Anforderung einer Abschlusszahlung noch nicht fällig geworden und ist die Zahlungsverjährungsfrist folglich noch nicht angelaufen, ist die Korrektur der Anrechnungsverfügung nach § 130 Abs. 1 AO jederzeit ohne Bindung an eine Frist zulässig (BFH-Urteil vom 18.7.2000, VII R 32/99, VII R 33/99, BStBl 2001 II S. 133)

Für den Beginn der Zahlungsverjährungsfrist ist diejenige Anrechnungsverfügung maßgeblich, die auf Grund der Festsetzung ergeht, in der die dem Steuerabzug zugrundeliegenden Einnahmen (z.B. Kapitalerträge) erstmals berücksichtigt werden.

Wird die Steuerfestsetzung z.B. aufgrund nachträglich erklärter Kapitalerträge geändert, können die hierauf entfallenden Steuerabzugsbeträge (unter Vorlage der entsprechenden Steuerbescheinigungen) innerhalb der durch die Bekanntgabe des geänderten Steuerbescheides in Lauf gesetzten (neuen) fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist in einer nach § 130 Abs. 1 AO geänderten Anrechnungsverfügung berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 29.10.2013, VII R 68/11, BFH/NV 2014 S. 393).

Wird die für die Berücksichtigung von Steuerabzugsbeträgen erforderliche Steuerbescheinigung jedoch erst nach Ablauf der durch die Bekanntgabe des geänderten Steuerbescheides in Lauf gesetzten (neuen) fünfjährigen Zahlungsverjährungsfrist eingereicht, ist eine Korrektur der Anrechnungsverfügung nicht mehr zulässig (BFH-Urteil vom 12.2.2008, VII R 33/06, BStBl 2008 II S. 504).

Zu beachten ist ferner, dass eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur zulässig ist, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt. Die nachträgliche Anrechnung der Kapitalertragsteuer scheidet deshalb aus, wenn die betreffenden Kapitalerträge wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr der Einkommensteuer unterworfen werden können (Korrespondenzprinzip).

Hinweis: -> AO-Kartei NRW § 173 Karte 801, Tz. I.4, I.5 und II

 

2. Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen

Enthält die Anrechnungsverfügung einen Fehler zugunsten des Steuerpflichtigen (zu hohe Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen), liegt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt vor. Die Änderung einer derartigen Anrechnungsverfügung zuungunsten des Steuerpflichtigen (d.h. die nachträgliche Minderung der angerechneten Beträge) ist nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO zulässig.

Dabei ist nach § 130 Abs. 3 AO zu beachten, dass die Änderung (Rücknahme) nur innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt zulässig ist, an dem das Finanzamt von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Änderung (Rücknahme) des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen.

 

3. Besonderheiten nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen

Wenn der Steuerpflichtige erst nach Ablauf der Einspruchs-/Klagefrist anhand der Steuererklärung nachweist, dass Einkünfte und Abzugsbeträge niedriger sind als bei der Schätzung berücksichtigt, kommt die Änderung einer – nicht ...

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