Leitsatz

Eine die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt nicht vor, wenn der Immobilieneigentümer die Immobilie aufgrund einer Scheidungsfolgevereinbarung seiner ehemaligen Ehefrau und den gemeinsamen Kindern überlässt.

 

Sachverhalt

Streitig war, ob eine zu eigenen Wohnzwecken erfolgte Nutzung im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorliegt, wenn das Wirtschaftsgut von der ehemaligen Ehefrau sowie den 2 gemeinsamen Kindern genutzt wurde. Die Ehe wurde im Jahr 2014 geschieden. Die Eheleute waren je hälftige Miteigentümer eines Grundstücks. Zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung im Zusammenhang mit der Ehescheidung schloss der Ehemann mit der Kindesmutter eine Scheidungsfolgevereinbarung mit Grundstücksübertragung, durch welche die Kindesmutter ihren Miteigentumsanteil auf den Ehemann übertrug. Im Gegenzug stellte dieser die Kindesmutter von allen gemeinsamen privaten Verbindlichkeiten inklusive der Darlehensverbindlichkeiten, für die Grundschulden bestellt worden waren, frei und leistete einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag in Höhe von 359.000 EUR. Zusätzlich bestand die Vereinbarung, dass die Kindesmutter das Recht hatte, das Hausgrundstück mit den gemeinsamen Kindern bis 2018 bzw. evtl. bis zum 31.12.2019 unentgeltlich zu nutzen. Der Ehemann veräußerte das Objekt im Jahr 2018 und machte geltend, wegen der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung an seine Kinder sei die Annahme eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG ausgeschlossen. Das Finanzamt ging dagegen von einem nach § 23 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang aus.

 

Entscheidung

Das FG folgte der Rechtsauffassung des Finanzamts und wies die Klage ab. Der Begriff der "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ist im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 Satz 1 EigZulG. Danach liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (§ 32 EStG) unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Demgegenüber ist die Überlassung an andere – auch unterhaltsberechtigte – Angehörige sowie an sonstige Personen nicht begünstigt. Ebenso liegt keine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" vor, wenn nach dem Auszug des Steuerpflichtigen aus dem Familienheim eine gemeinsame Nutzungsüberlassung an nicht begünstigte Personen und einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kinder erfolgt. Denn in dieser Konstellation erfolgt die Überlassung an die Kinder gerade nicht zur alleinigen Nutzung. Im Streitfall lag daher keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, da die Mitnutzung des streitbefangenen Wohngrundstücks durch die Kindesmutter die alleinige Nutzung der Kinder und somit die Selbstnutzung des Steuerpflichtigen ausgeschlossen hatte.

 

Hinweis

Auf dieser Linie liegen auch die klageabweisenden Entscheidungen des FG München, Urteil v. 11.3.2021, 11 K 2405/19, EFG 2021 S. 1625 (Revision eingelegt, Az beim BFH IX R 11/21) und des Niedersächsischen FG, Urteil v. 16.6.2021, 9 K 16/20, EFG 2022 S. 670 (Revision eingelegt, Az beim BFH IX R 28/21). Entsprechend hat auch das FG Münster die Revision zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil v. 19.05.2022, 8 K 19/20 E

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