Leitsatz

1. Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabeansprüche des Vertragserben bzw. des Nacherben sind als Aufwendung zur Erlangung und Sicherung des Erwerbs gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen.

2. Solche Zahlungen stellen rückwirkende Ereignisse i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1, § 1 Abs. 2 ErbStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, § 816, § 1942 Abs. 1, § 1922 Abs. 1, § 2113 Abs. 1 und 2, § 2287 Abs. 1 BGB

 

Sachverhalt

Nach dem Tod des Vaters des Klägers im Jahr 1997 war das gemeinsame Ehegattentestament der Eltern des Klägers dahin gehend ausgelegt worden, dass die Mutter Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann und der Kläger und seine beiden Brüder nach dem Tod der Mutter Schlusserben seien. Dementsprechend wurde die Mutter als Alleineigentümerin eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks eingetragen, das den Eltern des Klägers bis zum Tod des Vaters je zur Hälfte gehört hatte.

Durch notariellen Vertrag vom 17.11.2000 übertrug die Mutter dem Kläger im Wege der Schenkung zunächst ein unbebautes Teilstück aus dem Grundstück. Mit weiterem notariellem Vertrag vom 25.2.2003 erhielt der Kläger dann den Grundbesitz in Gänze. Einer der beiden Brüder des Klägers erhielt von der Mutter ein anderes Grundstück. Das FA setzte für die Übertragung vom 25.2.2003 Schenkungsteuer fest.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2011 stellte das Nachlassgericht fest, dass das Testament bisher fehlerhaft ausgelegt worden sei. Die Mutter des Klägers sei nach dem Tod des Vaters Vorerbin und der Kläger und seine zwei Brüder seien mit ihrem Tod Nacherben geworden. In der Folgezeit führten der Kläger und seine Brüder einen Zivilrechtsstreit bezüglich des am 25.2.2003 geschenkten restlichen Grundstücks. Es ging darum, ob aus §§ 2113, 2287 BGB ein Anspruch auf Rückübertragung von Miteigentumsanteilen an dem Grundstück oder auf Wertersatz in Geld bestehen könnte. Die Frage wurde nicht abschließend geklärt. Aufgrund eines Vergleichs vom 13.5.2015 leistete der Kläger bezüglich des 2000/2003 an ihn übertragenen Grundstücks und zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Zahlung von 150.000 EUR an einen seiner Brüder.

Den Antrag des Klägers, diese Zahlung bei der Schenkungsteuer für die Übertragung vom 25.2.2003 erwerbsmindernd zu berücksichtigen und die Steuer entsprechend herabzusetzen, lehnte das FA ab. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, eine steuermindernde Berücksichtigung der Zahlung ergebe sich aus § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Die Abfindungszahlung stelle ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO dar (FG Münster, Urteil vom 14.2.2019, 3 K 1237/17 Erb, Haufe-Index 13012006, EFG 2019, 730).

 

Entscheidung

Die Revision des FA blieb erfolglos. Der BFH folgte der Auffassung des FG. Die Zahlung des Klägers an den Bruder stelle eine Aufwendung zur Erlangung des Erwerbs nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG dar. Sie führe rückwirkend zu einer Minderung des steuerpflichtigen Erwerbs.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit den Folgen einer Zahlung des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabe des Vertragserben bzw. des Nacherben für die bereits bestandskräftig festgesetzte Schenkungsteuer.

1. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt bei einer Schenkung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Als Bereicherung gilt der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Verbindlichkeiten abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

2. Nach § 10 Abs. 5 ErbStG sind die dort aufgeführten Schulden und Lasten vom steuerpflichtigen Erwerb abzuziehen, soweit sich nicht aus § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG etwas anderes ergibt. Die Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für Erwerbe von Todes wegen und "Nachlassverbindlichkeiten" im engeren Sinn anwendbar. Sie gilt über den Verweis in § 1 Abs. 2 ErbStG, wonach die Vorschriften über Erwerbe von Todes wegen, soweit nichts ­anderes bestimmt ist, auch für Schenkungen ­unter Lebenden gelten, auch für die Ermittlung des ­steuerpflichtigen Erwerbs bei freigebigen Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

3. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zählen zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.

a) Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen. Er umfasst u.a. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Ausgaben, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.

b) Ein Abzug ...

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