Leitsatz

Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag gem. § 312 Abs. 2 BGB, wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteils-(ergänzungs-) ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 dar. Die Steuerklasse richtet sich nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum künftigen Erblasser.

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974

 

Sachverhalt

Eine Mutter überträgt ihr gesamtes Vermögen auf einen ihrer beiden Söhne. Daraufhin schließen die beiden Söhne noch zu Lebzeiten der Mutter einen Vertrag, wonach der übergangene Sohn sich gegenüber dem Bruder verpflichtet, etwaige künftige Pflichtteils-(ergänzungs-)ansprüche gegen ihn nicht geltend zu machen, und der Bruder sich verpflichtet, an den anderen in zwei Teilen eine Zahlung in Höhe eines Viertels des Werts des erhaltenen Vermögens zu leisten, wobei der eine Teil sofort und der andere nach dem Tod der Mutter zu zahlen war. So ist es dann auch geschehen.

Das FA sah in den Zahlungen freigiebige Zuwendungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974; das FG nahm dagegen an, dass der Verzicht auf etwaige künftige Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht eine Gegenleistung darstelle.

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FA und behandelte die Zahlungen ebenfalls als freigebige Zuwendungen. Der Verzicht auf künftige etwaige Pflichtteils-(ergänzungs-)ansprüche stelle keine Gegenleistung dar, da diese Ansprüche noch keinen in Geld bewertbaren Vermögenswert verkörperten. Der Bruder habe auch gewusst, zu den Zahlungen nicht verpflichtet gewesen zu sein. Die Besteuerung habe allerdings nach der im Verhältnis zur Mutter geltenden günstigeren Steuerklasse zu erfolgen. Der Bruder könne – soweit dies verfahrensrechtlich noch möglich ist – Zahlungen bei seinem Erwerb von der Mutter als Erwerbskosten im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 abziehen.

 

Hinweis

§ 312 Abs. 2 BGB stellt eine Ausnahme von der Regel dar, dass Verträge über den Nachlass eines noch lebenden Dritten nichtig sind. Solche ausnahmsweise wirksamen Verträge bedürfen notarieller oder gerichtlicher Beurkundung. Durch die Anknüpfung der Steuerklasse an den künftigen Erblasser und die Anerkennung der Abfindungszahlung als Erwerbskosten i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 beim Zuwendenden ergibt sich insgesamt dieselbe Steuerbelastung, wie sie sich nach dem Tod des Erblassers – gleichgebliebenes Vermögen vorausgesetzt – ergäbe, wenn der eine von den beiden gesetzlichen Erben enterbt worden wäre, aber seinen Pflichtteil geltend gemacht hätte. Allerdings muss der Erbe, dem der künftige Erblasser bereits zu Lebzeiten sein Vermögen übertragen hat, bei seiner eigenen Veranlagung zur Schenkungsteuer eine etwaige Abfindungszahlung rechtzeitig geltend machen und ggf. die Frist des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 AO beachten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.1.2001, II R 22/98

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