OFD München, 20.11.2002, S 0351 - 31 St 312

Werden dem FA nach bestandskräftig durchgeführter Einkommensteuerfestsetzung vom Steuerpflichtigen bisher nicht erklärte, dem Steuerabzug (Kapitalertragsteuer) unterworfene Kapitalerträge bekannt, wird gebeten, wie folgt zu verfahren:

 

1. Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 AO

Die nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge stellen neue Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar, die zur Änderung der Steuerfestsetzung führen, wenn sich durch die Erfassung der Kapitalerträge eine geänderte (höhere) Einkommensteuer ergibt und noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die Steuerfestsetzung ist auch dann nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn sich nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer eine niedrigere verbleibende Einkommensteuerschuld und damit ein Steuererstattungsanspruch ergibt (AEAO zu § 173, Nr. 1.4).

 

2. Anrechnung der Kapitalertragsteuer bei Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

Die regelmäßig mit der Einkommensteuerfestsetzung verbundene Anrechnung der Steuerabzugsbeträge stellt einen selbstständigen Verwaltungsakt „Anrechnungsverfügung” dar, der im Fall der Rechtswidrigkeit unter den Voraussetzungen der §§ 130 und 131 AO korrigiert werden kann.

Eine Korrektur der Anrechnungsverfügung zur nachträglichen Berücksichtigung von Kapitalerträgen ist ohne Bindung an eine Frist zulässig ( BFH vom 18.7.2000, VII R 32, 33/99, BStBl 2001 II S. 133). Aus den Vorschriften zur Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) ergibt sich insoweit keine Einschränkung, da der Zahlungsverjährung nur festgesetzte und fällig gestellte Ansprüche unterworfen sind (§ 229 Abs. 1 AO). Die von nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträgen einbehaltene Kapitalertragsteuer kann somit jederzeit – durch Korrektur der Anrechnungsverfügung zu Gunsten des Steuerpflichtigen nach § 130 Abs. 1 AO – nachträglich berücksichtigt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nur zulässig ist, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt. Die nachträgliche Anrechnung der Kapitalerträge scheidet deshalb aus, wenn die betreffenden Kapitalerträge wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr der Einkommensteuer unterworfen werden können.

 

3. Anrechnung der Kapitalertragsteuer bei Unterbleiben der Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

Der nachträglichen Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer steht § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht entgegen, wenn die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung unterbleibt, weil die Einnahmen aus Kapitalvermögen – unter Einbeziehung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitalerträge – den Werbungskosten-Pauschbetrag (§ 9a EStG) und den Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) nicht übersteigen oder die Einkommensteuer aus anderen Gründen (z.B. Berichtigung von materiellen Fehlern nach § 177 AO), trotz Berücksichtigung der nachträglich bekannt gewordenen Kapitaleinkünfte, unverändert bleibt. Auch in solchen Fällen ist von der Erfassung der Kapitaleinkünfte i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auszugehen, weshalb – bei Vorlage der Steuerbescheinigung – die Kapitalertragsteuer auch in diesen Fällen noch nachträglich angerechnet werden kann.

 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1

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