vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Zeitlicher Umfang der Bestandskraftwirkung eines nicht angefochtenen Ablehnungsbescheids – Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Bestandskraft eines nicht angefochtenen Bescheids, durch den die Gewährung von Kindergeld abgelehnt oder aufgehoben wird, erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht nur bis zum Tag seiner Bekanntgabe (entgegen BFH-Rspr., die von einer Bestandskraftwirkung bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe ausgeht).
  2. Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG ist nicht der Monat als kleinster kindergeldrelevanter Zeitraum, sondern der Tag der neuen Verwirklichung des Kindergeldtatbestands.
 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1. AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 66 Abs. 2, § 70 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.10.2015; Aktenzeichen VI R 35/14)

BFH (Urteil vom 21.10.2015; Aktenzeichen VI R 35/14)

 

Tatbestand

Die Klägerin bezog Kindergeld für ihre Tochter M (geboren im Juni 1993). Diese suchte nach Beendigung ihrer Schulausbildung im Juli 2012 einen Studienplatz bzw. Ausbildungsplatz. Ende November 2012 teilte die Berufsberatung („Kundenbereich Ausbildungsmarktpartner”) der Beklagten (der Familienkasse) mit, dass M dort seit 29.11.2012 (offenbar im Anschluss an ein Beratungsgespräch) nicht mehr als Ausbildungsplatzsuchende geführt werde.

Die Klägerin erklärte der Familienkasse, M interessiere sich für den Studiengang Retailmanagement an der privaten Hochschule „…” Düsseldorf. Das Studium koste allerdings monatlich 670 € nebst Kosten für die Auslandssemester. Es beginne im nächsten Wintersemester, wobei die Bafög-Angelegenheiten frühestens 4 Monate vor Studienbeginn geregelt werden könnten. Derzeit werde versucht, die möglichen Finanzierungsmaßnahmen zu klären. Daraufhin hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Dezember 2012 auf (Bescheid vom 29.01.2013), mit der Begründung, die Ausbildungswilligkeit der Tochter M sei (nur) bis November 2012 nachgewiesen worden. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid trägt den Vermerk: „Ich stelle Ihnen anheim, beigefügten Vordruck ausgefüllt und unterschrieben wieder bei uns einzureichen. Legen Sie bitte weitere Ausbildungsnachweise (Bewerbungen, Ablehnungsschreiben, Eigenbemühungen um einen Ausbildungsplatz) vor.”

Anfang Juli 2013 stellte die Klägerin bei der Familienkasse einen Kindergeldantrag für M. Sie fügte eine Studienbescheinigung der „…” Hochschule vom 17.06.2013 bei, wonach die Tochter voraussichtlich ab dem WS 2013/14 ein 6-semestriges Studium zum Bachelor of Arts im Studiengang „Fashion, Luxury & Retail Management” absolvieren werde. Die Familienkasse setzte daraufhin laufendes Kindergeld ab Juni 2013 fest (Bescheid vom 9.07.2013). Daneben bat die Familienkasse, Unterlagen einzureichen (Bescheinigungen der Hochschule, Einladung zum Eignungstest, Ablehnungsbescheids zum Sommersemester u. ä.), woraus sich Eigenbemühungen im Zeitraum Dezember 2012 bis Mai 2013 ergäben. Die Klägerin wies nach, dass M u. a. im Januar 2013 wegen einer Terminvereinbarung im laufenden Kontakt mit der „..”-Hochschule stand, dass sie Anfang Februar eine Bewerbungsmappe übersandt (Eingangsbestätigung am 7.02.2013) und einen Termin für den Aufnahmetest vereinbart hatte. Mitte Mai 2013 wurde M die Zusendung der Immatrikulationsbescheinigung (nach Eingang der Einschreibegebühr) zugesagt.

Mit Bescheid vom 29.08.2013 setzte die Familienkasse gegenüber der Klägerin Kindergeld für März 2013 bis Mai 2013 fest. Sie erläuterte, da die Klägerin erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den Aufhebungsbescheid vom 29.01.2013 ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen sei, könne die Aufhebung für die Vergangenheit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) nicht mehr korrigiert werden. Kindergeld könne frühestens ab dem Monat erneut festgesetzt werden, der dem Monat der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids vom 29.01.2013 folge, also ab März 2013.

Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und protestierte gegen die Ablehnung des Kindergelds „für die Monate Januar, Februar und März”. Sie trug vor, sie habe bis 9.12.2012 (mit Zusendung ausführlicher Unterlagen) in laufender Korrespondenz mit der Familienkasse gestanden und habe im Januar und Februar 2013 mehrmals mit der Service-Hotline der Familienkasse telefoniert. Aus diesen unterschiedlichen Schreiben habe die Familienkasse entnehmen können, dass sich die Tochter von August bis Oktober 2012 bei verschiedenen Hochschulen beworben habe. Schon seit Dezember 2012 sei klar gewesen, dass die Tochter im Wintersemester 2013 an der „…”-Hochschule studieren werde. Somit seien Bemühungen um einen Studienplatz auch für Januar bis März 2013 nachgewiesen.

Die Familienkasse wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 2.10.2013). Sie führte aus, die erneute Kindergeldfestsetzung sei für Monate vor März 2013 (gemeint ist der Zeitraum Dezember 2...

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