rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Grobes Verschulden. in der Jahreslohnbescheinigung nicht gesondert ausgewiesene Kinderzulage eines Grenzgängers zur Schweiz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Erstellung der Steuererklärung stellen Fehler und Nachlässigkeiten des Steuerpflichtigen oder seines steuerlichen Beraters, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten – mechanischen – Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit – nicht stets, aber im Einzelfall – ausgeschlossen sein.

2. Im Streitfall lag in dem Umstand, dass der steuerliche Berater eines Grenzgängers zur Schweiz die im Formular N-Gre gestellte Frage nach einer „Kinderzulage” (mittelbar) mit „nein” beantwortet hat, kein grobes Verschulden, da die Kinderzulage in der Jahreslohnbescheinigung, anhand derer die Steuererklärung erstellt wurde, nicht gesondert ausgewiesen, sondern – entsprechend der Schweizer Rechtslage – im Bruttolohn enthalten war.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2020; Aktenzeichen VI R 24/17)

 

Tenor

1.) Der Bescheid über die Ablehnung der Änderung vom 6. Dezember 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 25. April 2014 werden aufgehoben. Die EStBescheide für 2009 vom 26. Oktober 2010, für 2010 vom 6. September 2011 und für 2011 vom 14. Dezember 2012 werden dahingehend geändert, dass der Bruttoarbeitslohn des Klägers im Jahr 2009 auf 51.300 EUR, im Jahr 2010 auf 60.063 EUR und im Jahr 2011 auf 67.744 EUR vermindert wird. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

2.) Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3.) Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die bestandskräftigen Einkommensteuer-ESt-Festsetzungen für die Streitjahre 2009, 2010 und 2011 zugunsten der Kläger (Kl) geändert werden können.

Die Kl haben drei Kinder und wurden in den Streitjahren zusammen zur ESt veranlagt. Der Kl arbeitete seit dem xx.xx. 2009 als Assistent […] in X in der Schweiz. Er pendelte täglich zwischen dem Arbeitsort und der Familienwohnung in Y, Deutschland. Gemäß Ziffer 2 des Arbeitsvertrages, den der Kl dem Beklagten (Bekl) vorlegte (Bl. 9 der EStAkte des Bekl), war ein Monatsgehalt während der „Probezeit von 3 Monaten brutto Fr. 6.000.-, nach erfolgreichem Qualifikationsgespräch Fr. 6.250.- (zuzüglich der gesetzlichen Kinderzulage für jedes bezugsberechtigte Kind, Sozialleistungen, abzüglich AHV / IV / Pensionskasse)” vereinbart. Der Bekl prüfte und bejahte die Grenzgängereigenschaft des Kl und stellte eine Ansässigkeitsbescheinigung aus.

Die ESt-Erklärung für das Streitjahr 2009 reichten die Kl am 21. Juni 2010 ein. Auf der Anlage N für Grenzgänger (N-Gre) erklärte der Kl einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 84.548 CHF (55.801 EUR). Die in der Schweiz einbehaltene Abzugssteuer trug der Kl bzw. der steuerliche Berater der Kl mit 3.805 CHF (2.511,30 EUR) und den Arbeitnehmeranteil zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV/ IV) mit 9.901 CHF (6.535 EUR) ein. Außerdem beantragte der Kl neben weiteren Werbungskosten die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen wegen beruflich veranlasster Auswärtstätigkeit für 230 Tage mit einer Abwesenheit von 14 Stunden (3.220 EUR). Das Feld „Kinderzulage” in Zeile 6 der Anlage N-Gre blieb unausgefüllt. In den für die drei Kinder eingereichten Anlagen Kind trugen die Kl jeweils den Jahresbetrag des deutschen gesetzlichen Kindergeldes ein.

Der Bekl setzte mit ESt-Bescheid vom 23. September 2010 die ESt für das Jahr 2009 fest. Er berücksichtigte die Angaben der Kl erklärungsgemäß, nicht jedoch die Verpflegungsmehraufwendungen, da eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit nicht nachgewiesen worden sei. Kinderfreibeträge berücksichtigte der Bekl nicht, da nach der Vergleichsberechnung die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder durch das ausgezahlte Kindergeld / den Anspruch auf Kindergeld bzw. vergleichbarer Leistungen bewirkt worden sei (vgl. Erläuterungstext zum Bescheid).

Der steuerliche Berater der Kl, der Prozessbevollmächtigte, reichte mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 – nach telefonischer Rücksprache mit dem Bekl – folgenden Lohnausweis für das Jahr 2009 üb...

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