Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung; Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen
Leitsatz (NV)
1. Zur Aufrechnung des FA mit einer Forderung des Landesarbeitsamtes.
2. Zur Wirksamkeit der Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 4, 6 S. 2, § 226 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Bank, gewährte dem Arbeiter T ein Darlehen in Höhe von 738,80 DM gegen Verpfändung des Erstattungsanspruchs aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980. Sie zeigte die Verpfändung mit einem vom Darlehensnehmer mitunterzeichneten Formular dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) an.
Das FA erklärte mit Schreiben vom 13. Juli 1983 namens des Landes Berlin gegenüber der Klägerin die Aufrechnung mit einer Forderung des Landesarbeitsamtes Berlin gegen den T in Höhe von 571,60 DM wegen zurückzuzahlender Arbeitslosenhilfe zuzüglich 6 DM für Vollstreckungskosten. Dieser Aufrechnung lag ein Amtshilfeersuchen des Landesarbeitsamtes Berlin vom 27. Februar 1981 zugrunde, mit dem das FA um Vollstreckungshilfe ersucht worden war. Den nicht durch die Aufrechnung betroffenen Überschuß aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 des T überwies das FA an die Klägerin.
Den Antrag der Klägerin auf Erstattung weiterer 577,60 DM lehnte das FA ab. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Dagegen hatte ihre Klage überwiegend (in Höhe von 571,60 DM) Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß das FA nicht mit der Forderung des Landesarbeitsamtes habe aufrechnen können, da es insoweit an der Gegenseitigkeit fehle. Denn das Landesarbeitsamt sei eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Aus § 252 der Abgabenordnung (AO 1977) werde nur eine Gläubigerstellung im Vollstreckungsverfahren begründet, so daß die Aufrechnung als außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geregelte Maßnahme durch das FA nicht zulässig sei. Die Gegenseitigkeit sei aber hinsichtlich des Gebührenanspruchs in Höhe von 6 DM für Vollstreckungskosten gegeben, da dieser Anspruch dem Land Berlin erwachsen sei. Die Einwendungen des FA gegen die Wirksamkeit der Verpfändung seien in gefestigter Rechtsprechung als nicht durchgreifend behandelt worden. Dieser Rechtsprechung schließe sich das FG an.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Es rügt, daß das FG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen habe, ob der Klägerin ein Zahlungsanspruch zustehe. Ohne Kenntnis des Inhalts des Abtretungsvertrages, den das FG nicht festgestellt habe, lasse sich nicht nachvollziehen, ob eine nach § 46 Abs. 4 AO 1977 zulässige Sicherungsabtretung vorliege oder ob es sich um eine nichtige Abtretung erfüllungshalber handele. Das FA verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1983 VII R 146/82 (BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183).
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Ohne Rechtsverstoß hat das FG die Wirksamkeit der Aufrechnung mangels Gegenseitigkeit verneint, soweit die Aufrechnung durch das FA mit einer Forderung des Landesarbeitsamtes betroffen ist (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats in BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob sich aufgrund der Neufassung des § 226 Abs. 4 AO 1977 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 - StBereinG 1986 - (BGBl I 1985, 2436) eine andere Rechtslage ergibt. Dies könnte nur für Aufrechnungserklärungen der Fall sein, die seit dem 1. Januar 1987 abgegeben werden. Denn die hier maßgebliche Vorschrift ist erst mit diesem Zeitpunkt in Kraft getreten (vgl. Art. 1 Nr. 40 und Art. 25 StBereinG 1986).
2. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen indes nicht zu der Annahme aus, daß der Klägerin ein Zahlungsanspruch zusteht. Die Frage, ob die Verpfändung wirksam ist, muß anhand der im Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1984 VII R 102/83 (BFHE 140, 415, BStBl II 1984, 413) dargelegten Rechtsausführungen geprüft werden. Danach ist der geschäftsmäßige Erwerb von Pfandrechten an Steuererstattungsansprüchen nur zulässig, wenn der Verpfändungsvertrag den Pfandgläubiger (Kreditinstitut) im wirtschaftlichen Ergebnis keine weitergehenden Rechte an der verpfändeten Forderung als bei einer Sicherungsabtretung verschafft. Aus den Ausführungen der Vorinstanz läßt sich mangels zureichender tatsächlicher Feststellungen ohne Kenntnis des Inhalts der Verpfändungsvereinbarung diese rechtliche Wertung nicht nachvollziehen. Das FG hat den Vertragsinhalt nicht festgestellt und auf den Vertrag auch nicht zulässig Bezug genommen. Der bloße Hinweis auf die gefestigte Rechtsprechung läßt weder die diesbezüglichen Urteile erkennen noch ist in ausreichendem Maße nachprüfbar, von welchem Vertragsinhalt in der genannten Rechtsprechung bzw. im Streitfall auszugehen ist.
3. Der Senat kann im Streitfall nicht selbst entscheiden, weil Feststellungen darüber fehlen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die Verpfändung wirksam ist. Das FG wird entsprechende Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 415333 |
BFH/NV 1988, 344 |