Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstück mit Betriebshalle als wesentliche Betriebsgrundlage

 

Leitsatz (NV)

Grundstücke, die der Fabrikation dienen, gehören im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (Anschluß an BFH-Urteil vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347; vom 26. März 1992 IV R 50/91, BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830). Es ist nicht erforderlich, daß die Baulichkeiten (hier: Betriebshalle) nur noch oder ausschließlich von dem Betriebsunternehmen genutzt werden können.

 

Normenkette

EStG § 15

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit Vertrag vom 25. August 1972 ein Grundstück. Ein Teil dieses Grundstücks (55 v. H.) mit der aufstehenden Fabrikationshalle wurde von dem Veräußerer X betrieblich zur Herstellung von Backwaren genutzt. Am 12. September 1972 errichteten der Kläger, sein Bruder und X eine GmbH, deren Gegenstand ebenfalls die Herstellung von Backwaren war.

Die Geschäftsanteile an dieser GmbH sind kurz nach der Gründung von dem Kläger übernommen worden. Diese GmbH mietete zum 1. Oktober 1972 die von dem Kläger erworbene Halle für ihren Betrieb an. Zum selben Zweck erwarb sie von X die Betriebsausstattung der Halle, die im wesentlichen aus einem Bandofen mit Blechkamin bestand. In der Folgezeit erweiterte die GmbH ihre Betriebsausstattung durch Anschaffung weiterer Backmaschinen und Ausrüstungsgegenstände.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah in der Vermietung des Grundstücks und der Halle eine Betriebsaufspaltung. Dementsprechend ergingen für die Streitjahre bzw. die streitgegenständlichen Stichtage Gewinnfeststellungsbescheide, Gewerbesteuermeßbescheide und Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens.

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt, weil es an der für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderlichen sachlichen Verflechtung zwischen dem Kläger und der GmbH mangele.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig.

Insbesondere genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 120 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA stellt in seiner Revisionsbegründungsschrift auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 23. Januar 1991 X R 47/87, BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405; vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347) zur Betriebsaufspaltung ab und zieht hieraus - in Auseinandersetzung mit dem Urteil des FG - die Schlußfolgerung, daß die Voraussetzungen für das Vorliegen der sachlichen Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung im Streitfall gegeben seien. Die Revisionsbegründung läßt mithin aus sich heraus erkennen, daß das FA anhand der finanzgerichtlichen Urteilsgründe seine bisherige Auffassung und sein bisheriges Vorbringen geprüft und aufrechterhalten hat. Daß die für letzt gehaltene Rechtsnorm nicht ausdrücklich bezeichnet worden ist (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO), ist im Hinblick hierauf nicht schädlich (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480).

2. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Grundstücksvermietung durch den Kläger ist eine gewerbliche Tätigkeit (§ 15 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entfaltet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn einer Kapitalgesellschaft wesentliche Grundlagen ihres Betriebes überlassen werden (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können (persönliche Verflechtung; vgl. Beschluß des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).

An der persönlichen Verflechtung bestehen im Streitfall keine Zweifel, weil der Kläger sämtliche Anteile an der GmbH hält. Im Gegensatz zu der Auffassung des FG handelt es sich bei dem der GmbH überlassenden (bebauten) Grundstück um eine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen.

Ein Grundstück ist für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es zur Erreichung des Betriebszweckes erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt (BFH-Urteile vom 10. April 1991 XI R 22/89, BFH/NV 1992, 312; vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334; vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723; vom 26. März 1992 IV R 50/91, BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830). Grundstücke, die der Fabrikation dienen, gehören nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (z. B. BFH-Urteile vom 12. März 1970 I R 108/66, BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439; vom 26. Juni 1975 IV R 59/73, BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700; vom 15. Mai 1975 IV R 89/73, BFHE 116, 277, BStBl II 1975, 781; vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78, BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379). Denn bei Fabrikgrundstücken sind die Gebäude durch ihre Gliederung oder sonstige Bauart in der Regel dauernd für den Betrieb eingerichtet oder nach Lage, Größe und Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten (Urteile vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014 unter 7; vom 1. Februar 1990 IV R 91/89, BFH/NV 1990, 562; in BFH/NV 1992, 312; vom 5. September 1991 IV R 113/90, BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349; in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334; in BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830; vgl. auch Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987 und Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 EStR 1990).

Der IV. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347 mit Zustimmung des VIII. Senats des BFH entschieden, daß der Regelfall, demzufolge ein Fabrikationsgrundstück als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, insbesondere dann vorliege, wenn das Betriebsgebäude in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Vermietung an die Betriebsgesellschaft errichtet worden ist. Aber auch ein ursprünglich für die Zwecke eines anderen Betriebes errichtetes, später vom Besitzunternehmen gekauftes Grundstück könne wesentliche Betriebsgrundlage sein (Urteil in BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830). Der Ausnahmefall (keine wesentliche Betriebsgrundlage) sei dagegen dann gegeben, wenn das Grundstück für das Betriebsunternehmen nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung sei (BFH-Urteil in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334). Das komme beispielsweise dann in Betracht, wenn das Gebäude entweder seiner Art nach überhaupt nicht für gewerbliche Fertigungszwecke bestimmt sei (ehemalige Schule, Wohngebäude, vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 VIII R 339/82, BFHE 154, 539; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1989, 145; Söffing, Finanz-Rundschau - FR - 1992, 74) oder im Vergleich zu vom Betriebsunternehmen in gleicher Weise genutzten Grundstücken nur eine geringe Größe habe (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Im Streitfall ist das FG nach Würdigung der von den Beteiligten gelieferten Beschreibung der Halle und von Fotos zu deren Außen- und Innenansicht davon ausgegangen, es handle sich bei der Halle um einen gewerblichen oder industriellen ,,Allzweckbau" ohne den für die Backwarenproduktion typischen Zuschnitt. Den Bedürfnissen des Betriebsunternehmens diene die Halle allein infolge der in ihr lose aufgestellten Vorrichtungen (Backstraße, Paletten, Tische, Transportwagen usw.). Diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen der wesentlichen Betriebsgrundlage für Fertigungsgebäude zu verneinen.

Die GmbH hat das am 25. August 1972 vom Kläger erworbene Grundstück ein- schließlich der aufstehenden Halle kurz nach ihrer Gründung, am 1. Oktober 1972, angemietet. Übernommen wurde dabei auch die für Backbetriebe erforderliche und dementsprechend von dem Voreigentümer, X, genutzte Betriebsausstattung. Bereits daraus wird ersichtlich, daß die Halle nach Größe und Grundriß für die Backwarenproduktion besonders geeignet und zugeschnitten war. Zu diesem Zweck wurde sie von der GmbH genutzt; hierfür war sie nach der genehmigten Bauvorlage ursprünglich konzipiert. Im Hinblick auf diesen Zweck ist die Halle auch, wie das FG festgestellt hat, ausgestattet worden (Dimensionen, Bodenbelag, Wandanstrich, bäckereibetriebliche Unfallverhütungsmaßnahmen). Daß nicht allein das lose Inventar (Paletten, Tische, Transportwagen, Regale), sondern auch die Backstraße, der sog. Bandofen, in der Halle nur aufgestellt und nicht fest installiert waren, steht dem nicht entgegen. Es reicht aus, daß die Halle nach Größe und Grundriß die Möglichkeit bot, die notwendigen Produktionsanlagen aufzubauen.

Nicht von Bedeutung ist ferner, daß das Grundstück ebenso wie die Halle nach der Beurteilung des FG ohne weiteres ,,für diverse Leichtgewerbe anderer Art" geeignet wären. Wie der BFH wiederholt entschieden hat (Urteile in BFHE 163, 460, BStBl II 1991, 405; BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349), erfordert die für die Annahme einer sachlichen Verflechtung gebotene besondere Gestaltung lediglich Baumaßnahmen, die es dem Betriebsunternehmen ermöglichen, seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Es bedarf keiner branchenspezifischen Ausgestaltung derart, daß Baulichkeiten nur noch und ausschließlich von dem Betriebsunternehmen genutzt werden können. Auch darauf, daß die in der Halle befindlichen Betriebsvorrichtungen im Falle eines erforderlich werdenden Umzuges ohne besondere Schwierigkeiten in einem anderen Gebäude wieder aufgebaut werden, kommt es nicht entscheidend an.

Entgegen der Auffassung des Klägers war der Senat schließlich aus revisionsrechtlichen Gründen nicht gehindert, eine andere Auffassung als das FG zu vertreten. Zwar ist der BFH an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Bei den Voraussetzungen, nach denen eine sachliche Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung anzunehmen ist, handelt es sich jedoch um Rechts- und nicht um Tatsachenfragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418928

BFH/NV 1993, 523

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