Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines im Ausland als Belastingadviseur/Belastingconsulent niedergelassenen Bevollmächtigten wegen nicht nur vorübergehender Hilfeleistung in Steuersachen im Inland
Leitsatz (NV)
Ein in den Niederlanden und Belgien niedergelassener Berater in Steuersachen (Belastingadviseur/Belastingconsulent), dessen inländische Bestellung zum Steuerberater wegen Vermögensverfall widerrufen wurde, ist in Deutschland als Prozessbevollmächtigter zurückzuweisen, wenn er hier mehr als nur vorübergehende Hilfe in Steuersachen leistet.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 2 S. 2; StBerG § 3 Nr. 4, § 3a Abs. 1 Sätze 1, 5, § 45 Abs. 1 Nr. 3, § 3 Nr. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 4; EGV Art. 49-50
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beschwerdeführer ist vom Finanzgericht (FG) im Klageverfahren 5 K 1856/07 (der sonstigen Beteiligten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens) als Bevollmächtigter zurückgewiesen worden wegen Widerrufs seiner Bestellung zum Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) im Jahr 2000. Gleichwohl ist der Beschwerdeführer, der als Belastingadviseur/Belastingconsulent Niederlassungen in Belgien und in den Niederlanden unterhält, nach den Feststellungen des FG dauerhaft, regelmäßig wiederkehrend und kontinuierlich im Inland steuerberatend tätig. Eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen nach § 3 Nr. 4 StBerG i.V.m. Art. 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) hat das FG verneint, weil der Beschwerdeführer seine Tätigkeit nicht nur vorübergehend im Inland ausübe und diese deshalb nicht unter die Vorschriften des Kapitels über die Dienstleistungen, sondern unter die des Niederlassungsrechts nach dem EGV fiele. Darauf sei der Beschwerdeführer durch eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen wiederholt hingewiesen worden.
Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Beschwerdeführer geltend, dass er uneingeschränkt zur Steuerberatung befugt sei. Sein Recht zur Berufsausübung gründe sich auf Art. 49 EGV auch in Ausgestaltung durch die Richtlinien 2005/36/EG und 2006/123/EG. Nach Art. 6, a) i.V.m. Art. 5 Abs. b) der Richtlinie 2005/36/EG sei er zur grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung befugt, ohne dass die Bundesrepublik dies von einer Zulassung oder Mitgliedschaft in einer Berufsorganisation abhängig machen dürfe, selbst wenn sie diese Voraussetzungen von in der Bundesrepublik Niedergelassenen verlange. Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 49 EGV lasse eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht zu. Der angefochtene Beschluss lege die entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht richtlinienkonform aus, wie nach Art. 10 Abs. 2 EGV geboten, sondern nach nationalen Normen, die nicht --oder zumindest nicht mehr-- auf den konkreten Fall anwendbar seien.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß, den Beschluss des FG vom 7. Januar 2008 5 K 1856/07 aufzuheben.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschwerdeführer war gemäß § 62 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Bevollmächtigter zurückzuweisen, weil er geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leistet, ohne hierzu nach den Vorschriften des StBerG befugt zu sein. Dies folgt aus dem Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 Nr. 1 StBerG) und daraus, dass ein Erlaubnistatbestand für eine grenzüberschreitende Dienstleistung von seinen im Ausland gelegenen beruflichen Niederlassungen aus im Streitfall nicht einschlägig ist.
a) Das FG hat die Prüfung des Erlaubnistatbestands noch an § 3 Nr. 4 StBerG a.F. ausgerichtet, der zwischenzeitlich durch den seit dem 12. April 2008 gültigen § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG ersetzt worden ist (Achtes Gesetz zur Änderung des Steuerberatergesetzes --8. StBerÄndG--, BGBl I 2008, 666).
Nach § 3 Nr. 4 StBerG a.F. war die Hilfeleistung in Steuersachen u.a. solchen Personen erlaubt, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung in Steuersachen eine Dienstleistung nach Art. 50 EGV erbringen. Art. 50 EGV wiederum bestimmt, dass der Leistende --unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit-- seine Tätigkeit zwecks Erbringung seiner Leistungen vorübergehend in dem Staat ausüben kann, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Zu Recht hat das FG insoweit auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. März 2007 IX B 240/06 (BFH/NV 2007, 1195) verwiesen, der in Sachen des Beschwerdeführers ergangen ist und in dem zutreffend darauf abgestellt wird, dass eine nicht nur vorübergehend, sondern in stabiler und kontinuierlicher Weise im Inland ausgeübte freiberufliche Tätigkeit unter die europarechtlichen Vorschriften über das Niederlassungsrecht fällt und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen im EGV. Hiervon ausgehend beeinträchtigte § 3 Nr. 4 StBerG a.F. die in Art. 43 ff. EGV gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49 ff. EGV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit nicht in unzulässiger Weise (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1195, 1196, m.w.N.). Von einer --nur wiederholenden-- Darstellung der rechtlichen Erwägungen der Entscheidung in BFH/NV 2007, 1195 im Einzelnen sieht der Senat ab.
b) Aus dem nunmehr geltenden § 3a Abs. 1 Satz 1 StBerG folgt keine zu Gunsten des Beschwerdeführers wirkende Änderung der Rechtslage. Vielmehr ergibt sich nunmehr unmittelbar aus dem StBerG für in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union niedergelassene Personen --unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen-- eine Erlaubnis nur zur "vorübergehenden und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland". Die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) erarbeiteten Kriterien zur Abgrenzung von vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung einerseits und darüber hinausgehender Hilfeleistung andererseits (Dauer, Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr, Kontinuität, vgl. BFH-Beschluss vom 9. Juli 2007 I B 70/07, BFH/NV 2007, 2357, m.w.N.; vgl. ferner Richtlinie 2005/36/EG, Art. 5 Abs. 2, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 255 vom 30. September 2005, S. 22 ff.) sind nunmehr in das Gesetz aufgenommen (§ 3a Abs. 1 Satz 5 StBerG). Dass der Beschwerdeführer die tatsächlichen Voraussetzungen einer derartigen kontinuierlichen Inlandsberatung erfüllt, ist unbestritten.
c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gebieten die von ihm angeführten Richtlinien keine andere rechtliche Beurteilung. Vielmehr dient das 8. StBerÄndG nach dem ihm mitgegebenen amtlichen Hinweis gerade der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 7. September 2005, geändert durch die Richtlinie 2006/100/EG des Rates vom 20. November 2006.
Soweit der Beschwerdeführer sich auf einzelne in den Richtlinien getroffene Bestimmungen zur Dienstleistungsfreiheit beruft (Richtlinie 2005/36/EG, Art. 6, a) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 b), aus denen er eine Berechtigung zur Berufsausübung im Inland herleiten will, geschieht dies zu Unrecht, weil seine Inlandstätigkeit aus den genannten Gründen nicht unter diese Regelungen fällt. Die Bestimmungen über die anderen Grundfreiheiten des EGV gehen vor, die Dienstleistungsfreiheit ist insoweit subsidiär (s. Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl., Art. 50 EGV Rz 1; Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 49/50 EGV Rz 8). Damit übereinstimmend bestimmt Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABlEG Nr. L 255 vom 30. September 2005, S. 22 ff.), dass die Bestimmungen des Titels II ("Dienstleistungsfreiheit", Art. 5 ff.) nur für den Fall gelten, dass sich der Dienstleister zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung des Berufs in den Aufnahmemitgliedstaat begibt, also den Staat, der nicht Niederlassungsmitgliedstaat ist. Da es sich bei der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers im Inland gerade nicht um eine nur vorübergehende Ausübung handelt, betreffen die Bestimmungen im Titel II der Richtlinie nicht den vom Beschwerdeführer verwirklichten Sachverhalt.
Im Übrigen greift der Einwand des Beschwerdeführers, dass die grenzüberschreitende Dienstleistungstätigkeit nicht von einer Zulassung oder Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation abhängig gemacht werden dürfe, auch deswegen nicht durch, weil die Begründung des angefochtenen Beschlusses hierauf nicht abgestellt hat.
Schließlich bezwecken die Richtlinien nicht, das deutsche Berufsorganisationsrecht für Steuerberater zu unterlaufen. In den einleitenden Entscheidungserwägungen der Richtlinie 2005/36/EG heißt es in diesem Zusammenhang in Abs. 11 u.a., dass diese Richtlinie nicht auf einen Eingriff in das berechtigte Interesse der Mitgliedstaaten abziele, "zu verhindern, dass einige ihrer Staatsangehörigen sich in missbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts im Bereich der Berufe entziehen". Wenn es in § 3a Abs. 1 Satz 3 StBerG nunmehr heißt, dass Hilfeleistung in Steuersachen erbringende Personen bei ihrer Tätigkeit im Inland den selben Berufsregeln wie die in § 3 genannten Personen unterliegen, dann bedeutet dies auch, dass die Untersagung einer im Inland ausgeübten steuerberatenden Tätigkeit des Beschwerdeführers, dessen Bestellung zum Steuerberater aus dem Grund des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG (Vermögensverfall) widerrufen worden ist, nicht durch eine grenzüberschreitende steuerberatende Dienstleistung umgangen werden darf.
d) Zu der vom Beschwerdeführer angeführten Richtlinie 2006/123/EG vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABlEG Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006, S. 36 ff.), in deren Entscheidungserwägungen in Abs. 31 ausdrücklich festgehalten wird, dass sie im Einklang mit der Richtlinie 2005/36/EG steht und diese unberührt lässt, fehlt es an jedweder Beschwerdebegründung, so dass der Senat insoweit von einer weiteren Begründung absieht.
Fundstellen
Haufe-Index 2059378 |
DStR 2008, 2440 |