Entscheidungsstichwort (Thema)

Befangenheitsablehnung eines Richters

 

Leitsatz (NV)

1. Zu den Voraussetzungen der Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit.

2. Lehnt der Vorsitzende die beantragte Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung ab, weil ein erheblicher Grund dafür trotz Verlangens nicht glaubhaft gemacht worden ist, so rechtfertigt dieses Vorgehen nicht die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit.

 

Normenkette

FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42 Abs. 1-2, § 227 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

In den vor dem Finanzericht (FG) geführten Verfahren wegen Klagen des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) betreffend Umsatz- und Lohnsteuer-Haftung war Termin zur mündlichen Verhandlung auf den ... anberaumt worden. Mit Schreiben ... bat der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers um Aufhebung des Termins und Neuanberaumung, da er - der Prozeßbevollmächtigte - sich einem seit langem fest eingeplanten Krankenhausaufenthalt unterziehen müsse. Der Vorsitzende des zuständigen Senats, Vorsitzender Richter am FG (VRFG) X, forderte den Prozeßbevollmächtigten unter Hinweis auf § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 227 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf, den angegebenen Verhinderungsgrund in geeigneter Weise glaubhaft zu machen. Der Prozeßbevollmächtigte reichte darauf folgendes Schreiben ein: Ich versichere an Eides Statt, daß ich aus gesundheitlichen und terminlich-beruflichen Gründen in der Zeit vom ... kanzleiabwesend bin. Eine andere Disposition ist nicht möglich. Eine weitergehende Stellungnahme bleibt vorbehalten. Es fehlt die Zeit vor Abreise. Hierauf teilte VRFG X dem Prozeßbevollmächtigten mit, dem Antrag auf Aufhebung des Verhandlungstermins könne auf der Grundlage des Schreibens nicht entsprochen werden. Anhand der darin enthaltenen vagen Angaben könne nicht geprüft werden, welcher Grund einem Erscheinen des Prozeßbevollmächtigten im Termin entgegenstehe. Der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung sei auch mit dem - früheren - Schreiben ... nicht in Einklang zu bringen. Ggf. werde um genaue Angabe des tatsächlichen Hinderungsgrundes gebeten (bei Krankenhausaufenthalt mit Benennung oder Bestätigung des Krankenhauses; bei terminlich-beruflicher Verhinderung mit Bezeichnung der - früher terminierten - Sache). Aufgrund dieser Mitteilung lehnte der Prozeßbevollmächtigte unter Wiederholung seines Antrags auf Terminaufhebung VRFG X wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Im Termin am ..., zu dem der Prozeßbevollmächtigte nicht erschienen war, lehnte das FG nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters den Befangenheitsantrag ab. Der Prozeßbeteiligte habe keinen Anlaß, wegen der Handhabung durch VRFG X dessen Unvoreingenommenheit zu befürchten, solange die Entscheidung des Richters nicht willkürlich oder aus unsachlichen oder parteiischen Gründen gefallen sei. Die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Verhandlungstermins sei sachgerecht gewesen, da widersprüchliche Gründe für die Verhinderung vorgebracht worden seien und auch nicht glaubhaft gemacht worden sei, daß wenigstens einer der geltend gemachten Hinderungsgründe vorgelegen habe.

Im Anschluß hieran wies das FG unter Mitwirkung von VRFG X die Klagen als unbegründet ab. Die Nichtzulassungsbeschwerden des Antragstellers hat der beschließende Senat als unzulässig verworfen.

Gegen die den Befangenheitsantrag ablehnenden Beschlüsse des FG richten sich die Beschwerden des Antragstellers. Zu ihrer Begründung wird (in den Nichtzulassungsbeschwerden) vorgebracht, die Ablehnung des Terminverlegungsantrags erscheine willkürlich und ungerechtfertigt, weil sie sich auf die unhaltbare Auffassung stütze, daß die vorgetragenen Verhinderungsgründe widersprüchlich gewesen seien. Es sei glaubhaft gemacht worden, daß zwingende gesundheitliche und damit verbunden terminliche und berufliche Gründe bestanden hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden, über die gemeinsam entschieden wird (§ 73 Abs. 1 FGO), haben keinen Erfolg. Sie sind zwar zulässig, aber nicht begründet.

Die Beschwerden sind zulässig, obwohl das FG unter Mitwirkung des abgelehnten Richters bereits Entscheidungen in der Hauptsache getroffen hat. Im Falle des Erfolgs der Beschwerden könnten nachträglich, unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Revisionsfrist, zulassungsfreie Revisionen gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 2, § 119 Nr. 2 FGO eingelegt werden (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. 1990, § 51 FGO Bem.6; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, 531, BStBl II 1982, 217). Dies gilt auch, nachdem der Senat die auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig verworfen hat.

Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 42 Abs. 1 und 2 ZPO). Das ist der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch bei objektiver, vernünftiger Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH, Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, 147, BStBl II 1985, 555). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.

Lehnt der Vorsitzende die beantragte Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung ab, weil ein erheblicher Grund dafür trotz Verlangens nicht glaubhaft gemacht worden ist (§ 227 Abs. 3 ZPO), so rechtfertigt dieses Vorgehen nicht die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit (Senat, Beschluß vom 27. September 1988 VII B 95/88, BFH/NV 1989, 379). Eine gesetzmäßige Handhabung vermag als solche die Befangenheitsbesorgnis nicht zu begründen. Selbst eine rechtsfehlerhafte Verneinung eines erheblichen Grundes (§ 227 Abs. 1 ZPO) läßt noch nicht ohne weiteres auf eine Befangenheit des Richters schließen. Hinzutreten müssen in jedem Falle Umstände, die einem vernünftig urteilenden Beteiligten den Eindruck der Voreingenommenheit des Richters vermitteln können.

In den Streitfällen rechtfertigt die Vorgehensweise des abgelehnten Richters keine derartige Beurteilung. Der Prozeßbevollmächtigte, ein Rechtsanwalt, hat - ohne nähere Angaben - sowohl gesundheitliche als auch terminlich-berufliche Hinderungsgründe, nicht etwa nur gesundheitliche Gründe mit der bloßen Folge der Kanzleiabwesenheit vorgebracht und sich nicht - mehr - allein auf einen schon seit längerem fest geplanten Krankenhausaufenthalt berufen. Diese Gründe schlossen einander aus, mit der Folge, daß es an einem glaubhaft zu machenden Gegenstand (konkreter Verhinderungsgrund) fehlte. Schon im Hinblick hierauf entsprach die Ablehnung der Terminaufhebung der Rechtslage. Dies hätte im übrigen selbst dann gegolten, wenn nur ein Grund (z.B. Krankenhausaufenthalt), wie hier ohne jegliche Substantiierung, angegeben gewesen wäre. Besondere Umstände, die, außerhalb der vom Antragsteller beanstandeten, jedoch gesetzmäßigen Vorgehensweise des Vorsitzenden, die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, sind weder vorgebracht worden noch ersichtlich. Das FG hat die Befangenheitsanträge sonach mit Recht abgelehnt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 327

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