Verfahrensgang

AG Recklinghausen (Aktenzeichen 45 F 80/23)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Recklinghausen vom 14.07.2023 (45 F 80/23) in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 31.07.2023 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mit dem angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe bewilligt und dem Antragsteller aufgegeben, monatliche Raten in Höhe von 175,00 Euro, beginnend mit September 2023, zu zahlen. Das einzusetzende Einkommen des Antragstellers betrage 351,00 Euro. Dabei hat das Amtsgericht Unterhaltszahlungen des Antragstellers für seinen elf Jahre alten Sohn G. in Höhe von 200,00 Euro berücksichtigt, im Übrigen jedoch keine Unterhaltspflichten.

Gegen die Anordnung der Ratenzahlung wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Der Antragsteller, der mit seiner Partnerin in einem Haushalt lebt, unterhalte dort den am 00.00.2021 geborenen Sohn D.. Das Kindergeld beziehe seine Partnerin, deshalb sei der volle Freibetrag für das Kind zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen. Für das Kind D. hat es nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO einen Freibetrag in Höhe von 350,00 Euro abzüglich des Kindergeldes in Höhe von 250,00 Euro, insgesamt daher 100,00 Euro berücksichtigt. Das einzusetzende Einkommen des Antragstellers betrage daher 251,00 Euro, so dass sich eine monatliche Rate in Höhe von 125,00 Euro ergebe. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, Kindergeld sei dem Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes benötigt werde. Davon sei aufgrund der Einkommensverhältnisse des Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass das Kindergeld aufgrund der Einkommensverhältnisse der Kindesmutter nicht für den Lebensunterhalt des Kindes benötigt werde.

II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingelegt.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde - nach der teilweisen Abhilfe durch das Amtsgericht - keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht das von der Kindesmutter des Kindes D. bezogene Kindergeld als Einkommen des Kindes nach § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO berücksichtigt. Denn gemäß § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII gilt das Kindergeld als Einkommen des Kindes.

Es ist allerdings umstritten, ob die Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII im Recht der Verfahrenskostenhilfe anwendbar ist. Nach einer Auffassung ist dies nicht der Fall, weil es sich bei § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO um eine eigenständige Regelung der Unterhaltsfreibeträge handele, welche sich von der Regelung der Einkommensgrenzen in § 85 SGB XII unterscheide. Eine Anwendung aus systematischen Gründen sei ebenfalls nicht geboten, weil der Gesetzgeber bewusst lediglich punktuell einzelne sozialhilferechtliche Vorschriften zur Ermittlung des Einkommens für anwendbar erklärt habe (LAG Hamm, Beschluss vom 09.02.2016, 14 Ta 370/15, FamRZ 2016, 1953, Juris Rn. 25, 26).

Nach überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, ist das Kindergeld bei dem Kind als Einkommen zu berücksichtigen, soweit es zur Deckung des Lebensunterhalts des Kindes benötigt wird (BGH, Beschluss vom 14.12.2016, XII ZB 207/15, FamRZ 2017, 633, Rn. 8; OLG Dresden, Beschluss vom 03.12.2021, 22 WF 888/21, Juris Langtext Rn. 22; Christl, FamRZ 2016, 1161, 1162; Schultzky, in Zöller, ZPO, 35. Auflage 2024, § 115 ZPO, Rn. 36; Reichling, in BeckOK ZPO, Stand 01.09.2023, § 115 ZPO, Rn. 37; Wache, in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 115 ZPO, Rn. 22). Denn Verfahrenskostenhilfe stellt eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar. So gehören nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zum Einkommen im Sinne der Verfahrenskostenhilfe alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Diese Definition stimmt wörtlich mit derjenigen des § 82 Abs. 1 SGB XII überein. Auch hinsichtlich der vorzunehmenden Abzüge verweist § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO auf § 82 Abs. 2 SGB XII. Daraus wird deutlich, dass der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 ZPO an denjenigen des Sozialhilferechts anknüpft (BGH, Beschluss vom 14.12.2016, XII ZB 207/15, FamRZ 2017, 633, Rn. 7; Christl, FamRZ 2016, 1161f.). Demensprechend ist auch der Gedanke des § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII, wonach Kindergeld, soweit es zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts minderjähriger Kinder benötigt wird, ausnahmsweise dem Kind als Einkommen zugerechnet wird (BGH, Beschluss vom 14.12.2016, XII ZB 207/15, FamRZ 2017, 633, Rn. 8; Christl, FamRZ 2016, 1161, 1162).

Von diesem Ausnahmefall des § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ist vorliegend auszugehen. Denn es gilt die Vermutung, dass dem im Haushalt des Kindergeldberechtigten lebenden Kindes das Kindergeld bis zur Höhe seines tatsächlichen Bedarfs zugewendet wird, ohne dass es auf di...

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