Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Kindergeldes bei der Berechnung des für die Prozessführung einzusetzenden Einkommens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Kindergeld ist dem Einkommen der Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt, zuzurechnen, wenn dieser das Kindergeld ausgezahlt wird. Es ist stets in voller Höhe bei der Partei zu berücksichtigen.

2. § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ist bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens einer Partei nach § 115 Abs. 1 ZPO weder unmittelbar noch analog anwendbar.

3. Die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts eines Kindes der Partei erfolgt durch die Freibetragsregelung des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b) ZPO. Das Kindergeld ist nicht als Einkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO mit dem Unterhaltsfreibetrag zu verrechnen. Andere Einkünfte sind nur in Höhe des Betrages anrechenbar, der unter Berücksichtigung der Frei- und Abzugsbeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 3 bis 5 ZPO verbleibt.

4. Barunterhalt, den das Kind einer Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt, erhält, ist nach dieser Maßgabe als eigenes Einkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO auf den der Partei zustehenden Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b) ZPO anrechenbar.

5. § 1612b BGB steht einer Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt, nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 1612b; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 3; ZPO § 115 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Entscheidung vom 10.03.2015; Aktenzeichen 3 Ca 9/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 10. März 2015 (3 Ca 9/15) hinsichtlich der Ratenzahlungsanordnung teilweise abgeändert.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin aus ihrem Einkommen monatliche Raten von 67,00 Euro zu zahlen hat.

Der Beginn der Ratenzahlung wird durch das Arbeitsgericht neu festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung von Ratenzahlungen.

Die Klägerin beantragte mit ihrer am 5. Januar 2015 eingegangenen Kündigungsschutzklage zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging am 29. Januar 2015 ein. Die Klägerin bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 588,60 Euro. Sie ist verheiratet, ihr Ehemann verfügt unter Berücksichtigung eines Abzugs für eine Pfändung über ein monatliches Nettoeinkommen von zuletzt 1.519,28 Euro. Für ihre am 18. März 2003 und 28. November 2008 geborenen Kinder bezieht sie monatlich Kindergeld in Höhe von 368,00 Euro (ab 1. Januar 2016: 380,00 Euro), zudem erhalten die Kinder von ihren Vätern Unterhalt in Höhe von jeweils 272,00 Euro monatlich. Als Verbindlichkeit hat die Klägerin lediglich Unterkunftskosten in Höhe von 795,00 Euro im Monat angeben, von denen sie nach ihren Angaben die Hälfte (397,50 Euro) trägt. Belegt sind Ausgaben von 645,00 Euro, wovon 45,00 Euro auf Strom entfallen.

Das Arbeitsgericht errechnete aufgrund der Angaben ein einzusetzendes Einkommen von 292,60 Euro, aus dem es monatliche Raten von 146,00 Euro festsetzte. Dabei berücksichtigte es das an die Klägerin gezahlte Kindergeld als deren Einkommen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 13. April 2015, die sie nicht weiter begründet hat.

II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die monatliche Ratenzahlung ist auf 67,00 Euro herabzusetzen. Im Übrigen war das Rechtsmittel zurückzuweisen.

1. Vorab ist hinsichtlich der geltend gemachten Unterkunftskosten festzustellen, dass lediglich 600,00 Euro Kosten für Miete und Heizung berücksichtigt werden können und der Anteil der Klägerin, der von ihrem Einkommen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO abgesetzt werden kann, weniger als die Hälfte beträgt.

a) Die berücksichtigungsfähigen Mietkosten sind nur in Höhe von 600,00 Euro durch den Mietvertrag (520,00 Euro) und die Bestätigung des Gasliefervertrages (80,00 Euro) glaubhaft gemacht worden. Dagegen sind die monatlichen Stromkosten von 45,00 Euro nicht zusätzlich als Unterkunftskosten abzusetzen, weil diese bereits vom persönlichen Freibetrag des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO umfasst sind (vgl. BGH, 8. Januar 2008, VIII ZB 18/06, NJW-RR 2008, 595, Rn. 8; OLG Brandenburg, 5. November 2008, 9 WF 309/08, NJW 2009, 2069, Nr. 1 der Gründe). Weitere Miet- und Heizungskosten von 150,00 Euro hat die Klägerin zwar geltend gemacht, aber nicht belegt.

b) Unterkunftskosten im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO sind unter mehreren Bewohnern, die über eigenes Einkommen verfügen, aufzuteilen. Die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der "unbereinigten" Nettoeinkommen der Bewohner, d. h. ohne den Abzug von...

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