Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Kosten der Unterkunft. Voraussetzung der Anerkennung von Unterkunftskosten bei einem Mietverhältnis unter nahen Angehörigen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu Fragen der tatsächlichen Vollziehung eines von Eltern mit ihrem schwerstbehinderten Kind abgeschlossenen, rechtswirksamen Mietvertrages.

 

Orientierungssatz

1. Auch bei einem wirksam geschlossenen Mietvertrag zwischen nahen Angehörigen ist jedenfalls dann ein Anspruch auf Übernahme der Mietforderungen aus diesem Vertrag durch den Sozialhilfeträger ausgeschlossen, wenn der Vertrag durch die Vertragsparteien tatsächlich nicht praktiziert wird, mithin die Mietforderung durch die als Vermieter auftretenden Angehörigen erkennbar nicht geltend gemacht werden soll. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Mietvertrag nach der Stellung eines Antrags auf Sozialhilfeleistungen erstmals abgeschlossen wird und die Konditionen des Mietvertrags an die Leistungsgewährung durch den Sozialhilfeträger angepasst werden, so dass in einer Gesamtwürdigung der Sozialhilfeträger und nicht der Mieter verpflichtet werden soll.

2. Einzelfall zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Mietvertrags unter nahen Angehörigen als Grundlage der Geltendmachung von Kosten der Unterkunft im Rahmen der Sozialhilfe (hier: abgelehnt).

 

Normenkette

SGB I § 30 Abs. 1 S. 2; SGB II § 22 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 43; SGB XII § 19 Abs. 2, § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, §§ 41, 42 S. 1 Nr. 4, §§ 45, 97 Abs. 1-2, § 98 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 116-117, 133, 138, 157, 535, 573c Abs. 1 S. 1, § 1901 Abs. 2 S. 1, § 1907 Abs. 3

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.06.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.02.2012.

Die am 00.00.1994 geborene Klägerin leidet nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen nach einer im Alter von 6 Monaten durchgeführten Hirnoperation an einem tetraspastischen Syndrom mit einer schweren generalisierten Dyston-dyskinetischen Bewegungsstörung aufgrund einer Stoffwechselerkrankung (Glutarazidurie Typ 1 / Störung des Lysin- und Hydroxylysinstoffewechsels). Bei ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 mit den Nachteilsausgleichen "B, G, aG, H und RF" sowie die Pflegestufe III festgestellt worden. Mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 31.01.2012 sind die Eltern der Klägerin zu ihren Betreuern in allen Angelegenheiten bestellt worden.

Die Klägerin wohnt mit ihren Eltern gemeinsam in einem im Eigentum ihres Vaters stehenden Mehrfamilienhaus auf der L-str. 00 in der C Südstadt mit einer Gesamtwohnfläche von etwa 310 qm und einem Verkehrswert i.H.v. ca. 685.000 EUR (vgl. Verkehrswertgutachten Stand November 2011). Die Familie bewohnt das Erd- und Teile des 1. Obergeschosses des Hauses auf einer Wohnfläche von insgesamt ca. 130 qm. Im ersten Obergeschoss befinden sich zudem die vom Vater der Klägerin genutzten Kanzleiräume mit einer Fläche von 56 qm. Das 2. Obergeschoss und das Dachgeschoss mit einer Wohnfläche von insgesamt 124 qm sind an eine Wohngemeinschaft zu einem Nettokaltmietzins von jährlich 12.762 EUR vermietet. Das Grundstück hatte der Vater im Januar 1984 erworben und wohnte bis März 1997 zunächst mit der Familie im 2. Obergeschoss und dem ausgebauten Dachgeschoss, während er seine Kanzlei im ersten Obergeschoss betrieb und das Erdgeschoss an eine Steuerberatungsgesellschaft vermietet war. Aufgrund der mit der Erkrankung der Klägerin verbundenen Bewegungseinschränkungen entschloss sich die Familie, in das Erdgeschoss zu ziehen. Hierfür bauten die Eltern das Erdgeschoss und Teile des 1. Obergeschosses in den Jahren 1996/1997 behindertengerecht um und erweiterten das Haus mit einem Wintergarten und einem Anbau auf der Tiefparterre mit einem Obergeschoss zum Garten hin, wo sie im Jahre 2006 zusätzlich einen Aufzug einbauten. Aufgrund der auch im Zusammenhang mit dem Ausbau des Hauses verbundenen Kreditaufnahmen lasten auf dem Grundstück derzeit noch grundschuldgesicherte Bankverbindlichkeiten von etwa 89.677,34 EUR, für welche monatlich insgesamt 853,14 EUR für Zinsen und Tilgung aufgewendet werden. Im Jahr 2012 betrugen die Restschuld noch 128.000 EUR und die monatlich durchschnittlich zu entrichtenden Zinsen 418,48 EUR. Im Jahr 2011 waren nach Angaben der Eltern der Klägerin von ihnen Nebenkosten i.H.v. monatlich insgesamt 102,78 EUR zzgl. Strom- und Gaskosten von 101,11 EUR bzw. 125,22 EUR und damit insgesamt 329,11 EUR aufzuwenden.

Die Klägerin wird von ihrer am 11.11.1957 geborenen Mutter in der gemeinsamen Wohnung gepflegt. Diese hatte ihren Beruf als Erzieherin für die Pflege der Klägerin aufgegeben. Seit 2009 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. derzeit monatlich 1.022,43 EUR sowie eine Betriebsrente i.H.v. 194,48 EUR. Für die Klägerin wird Kindergeld i.H.v. 184 EUR gezahlt. Der am...

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