Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den Nachweis der Ernsthaftigkeit eines abgeschlossenen Mietvertrags zur Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung durch den Sozialhilfeträger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Umstand einer Behinderung hat bei der Prüfung, ob ein Mietzinsverlangen ernsthaft ist, schon im Ansatz keine Bedeutung. Dies ist unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung zu beurteilen, weil allein eine Behinderung die Ernsthaftigkeit eines Mietzinsverlangen weder begründet noch entkräftet.

2. Entscheidend ist vor allem der Umstand, ob Eltern überhaupt und wenn ja bis zu welchem Alter normalerweise in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht, darüber hinaus aber auch in elterlicher Fürsorge für ihr Kind aufkommen. Es ist durchaus vorstellbar oder anspruchsbegründend, dass ab einem bestimmten Lebensalter kostenfreie Logis weder von einem Kind noch überhaupt erwartet werden kann.

3. Dass Eltern von ihren volljährigen Kindern, unabhängig davon, ob sie behindert oder nicht behindert sind, ernsthaft Miete verlangen, solange sie ihrem noch jungem Alter entsprechend typischerweise über kein oder nur geringes Einkommen verfügen, welches sie nicht in die Lage versetzt, sich an den Unterkunftskosten zu beteiligen, ist absolut unüblich. Dies gilt erst recht, wenn die Eltern über ein Eigenheim verfügen und die laufenden Kosten decken können.

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft und Heizung durch den Sozialhilfeträger nach § 42 S. 1 Nr. 4 SGB 12 setzt einen entsprechenden tatsächlichen Bedarf voraus; die leistungsberechtigte Person muss einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sein. Dies bedarf vor allem dann einer besonderen Prüfung, wenn ein erwachsenes Kind in einer einem Verwandten gehörenden Wohnung lebt (Anschluss BSG Urteil vom 3. 3. 2009, B 4 AS 37/08 R).

2. Ist erkennbar, dass der Abschluss eines Mietvertrags zwischen Eltern und deren hilfebedürftigem Kind einzig und allein von dem Bestreben motiviert gewesen ist, dem Kind einen Leistungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu verschaffen, so ist die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung durch den Sozialhilfeträger ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB XII § 19 Abs. 2, § 22 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 2, § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 41 Abs. 3, § 42 S. 1 Nr. 4, § 43 Abs. 2, 3 S. 1, §§ 45, 82, 90; BGB §§ 117, 133, 138 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2014 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft im Rahmen von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von 220 EUR monatlich im Zeitraum von August 2012 bis Juni 2013.

Die am 00.00.1993 geborene Klägerin ist geistig behindert - bei ihr wurden ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie verschiedene Merkzeichen, u.a. "G" und "H", an- erkannt - und ausweislich einer im April 2012 durch die Deutsche Rentenversicherung Bund getroffenen Feststellung ab dem 01.01.2003 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Sie lebt im Haushalt der Eltern, ihre Mutter ist ihre gesetzliche Betreuerin, der Vater Ersatzbetreuer.

Am 14.10.2011 beantragte die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt noch in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitete, Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 diese Leistungen in Form des Regelbedarfs sowie eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung, nicht aber Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nachdem die Klägerin Ende Oktober 2011 aus der Werkstatt ausschied, hob die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2011 den o.a. Bewilligungsbescheid ab dem 01.11.2011 auf. Mit Bescheiden vom 16.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für die Monate November 2011 bis einschließlich März 2012 in Höhe der jeweiligen Regelbedarfe und wiederum ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung. Gleichzeitig richtete die Beklagte an den o.a. Rentenversicherungsträger ein Ersuchen nach § 45 SGB XII, welches im April 2012 mit der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung der Klägerin seit dem 01.01.2003 endete. Gegen die Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (ohne Kosten für Unterkunft und Heizung) bewilligenden o.a. Bescheide erhob die Klägerin am 07.09.2012 Klage vor dem Sozialgericht Köln (Az.: S 21 SO 383/12). Da die Beklagte der Klägerin sodann mit hier streitgegenständlichen Bescheiden vom 08.10.2012 wiederum Grundsicherungsleistungen anstelle der Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII rückwirkend ab November 2011 (ohne...

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