Rz. 36

Entscheidend ist bei der Geldleistung zum Ausgleich von Mehraufwand bei Gesundheits- oder Körperschaden, dass die Leistung an einen Gesundheits- oder Körperschaden anknüpft und der Zwecksetzung nach einen dadurch bedingten Mehraufwand pauschal oder konkret ausgleichen soll. Dazu gehören insbesondere die wegen Kriegs- oder Wehrdienstbeschädigungen gezahlten Grundrenten nach dem BVG oder anderen darauf verweisenden Gesetzen. Desgleichen gehören dazu die zumeist pauschal festgelegten Zulagen und Zuschüsse oder Beihilfen für eine besondere Bedarfslage, wie z. B. die Pflegezulage nach § 35 BVG, zum Unterhalt eines Führhunds und als Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung nach § 14 BVG oder die Leistungen wegen eines außergewöhnlichen Verschleißes an Kleidung oder Wäsche nach § 15 BVG. Auch die Kraftfahrzeughilfe nach § 40 SGB VII, die einen Gesundheitsschaden infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit voraussetzt, ist nicht pfändbar. Die Unpfändbarkeit betrifft nach der Systematik des § 54 an sich nur laufende Geldleistungen zum Ausgleich eines Gesundheits- oder Körperschadens (so v. Koppenfels-Spies, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 54 Rz. 34, Stand: Januar 2022; Siefert, in: KassKomm. SGB I, § 54 Rz. 20, Stand: Dezember 2017). Die Regelung ist aber entsprechend anzuwenden, wenn eine einmalige Leistung zum Ausgleich eines Gesundheits- oder Körperschadens vorgesehen ist (so Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 54 Rz. 72, Stand: 16.8.2021; Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 38). Soweit eine an sich vorgesehene laufende Leistungen in eine einmalige Leistung umgewandelt wird, wie z. B. die Kapitalabfindung für eine Rente (§ 72 BVG), ist auch diese von der Pfändbarkeit generell ausgenommen.

 

Rz. 37

Soweit Hinterbliebenen nach den §§ 38 ff. BVG eine Rente gezahlt wird, wird diese nicht wegen eines eigenen Gesundheits- oder Körperschadens gezahlt, sodass diese Leistung pfändbar ist.

 

Rz. 38

Nicht zum Ausgleich eines Körper- oder Gesundheitsschadens gehören dagegen solche Sozialleistungen, die eine Schädigung oder Erwerbsminderung wirtschaftlich ausgleichen sollen wie der Berufsschadensausgleich oder die Ausgleichsrente (§§ 30, 32 BVG). Nicht unter die Regelung in Abs. 3 Nr. 3 fallen Leistungen, die dem Ausgleich einer Vermögenseinbuße dienen. Ob der Ausgleich durch eine einmalige Zahlung oder laufende Zahlung erfolgt, ist nicht entscheidend. Auch eine nach dem SGB VII wegen eines Gesundheitsschadens gezahlte Verletztenrente nach § 56 SGB VII ist nicht nach Nr. 3 von der Pfändung ausgenommen, sondern ist nach § 850c ZPO pfändbar (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.7.2014, L 9 U 847/10; LG Heilbronn, Beschluss v. 20.5.2015, 1 T 5 18/14; BGH, Beschluss v. 20.10.2016, IX ZB 66/15).

 

Rz. 39

Ob sich für das Pflegegeld nach § 37 SGB IX, das an die Stelle von Pflegesachleistungen tritt, die Unpfändbarkeit aus Abs. 3 Nr. 3 ergibt (so die überwiegende Auffassung in der Literatur, z. B. Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 54 Rz. 72, Stand: 16.8.2021; Baier, in: Krauskopf, SozKV SGB I, § 54 Rz. 27, Stand: Februar 2013; Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB I, 2. Aufl., § 54 Rz. 44; Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § Rz. 14; Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 39), erscheint zweifelhaft. Das BSG hatte mit Urteil v. 6.2.1997 (3 RK 8/96) das Pflegegeld (nach §§ 53, 57 SGB V damaliger Fassung) zwar als Geldleistung bezeichnet; dies allerdings im Zusammenhang mit der Frage, ab wann dieser Anspruch entsteht und vererbt werden kann. Das Pflegegeld knüpft zudem nicht an einen durch Gesundheits- oder Körperschaden bedingten Mehraufwand an, sondern an eine körperliche, geistige oder seelische Krankheit oder Behinderung, durch die für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens ein Hilfebedarf entsteht (vgl. § 15 SGB XI und Komm. dort). Daher ist das Pflegegeld wohl eher als unpfändbares Surrogat einer Sach- und Dienstleistung (so Wiegand, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, § 37 Rz. 20, Stand: 15.4.2017; wohl auch Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § Rz. 14) anzusehen. Das Pflegegeld tritt an die Stelle der häuslichen Pflegehilfe (als Dienstleistung). Vorausgesetzt wird weiterhin, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld den Umfang der (nach dem Pflegegrad) erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Würde der Geldleistungsanspruch (zuvor) gepfändet, stände er zur Sicherstellung der Pflege nicht (mehr) zur Verfügung, so dass damit die Anspruchsvoraussetzungen für das Pflegegeld entfielen.

 

Rz. 39a

Wie andere Geldleistungen dürfen auch die nach Abs. 3 Nr. 3 unpfändbaren Leistungen bei der Berechnung der nach den §§ 850c, 850d ZPO pfändbaren Teile anderer laufender Sozialleistungen nicht im Wege der Zusammenrechnung berücksichtigt werden.

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