Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Abtretung von Ansprüchen auf Verletztenrente. Pfändungsschutz. keine erweiternde Auslegung. Versorgungsansprüche gem BVG/OEG dem Grunde nach

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die rechtsgeschäftliche Übertragbarkeit von Ansprüchen auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich abschließend nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen (§§ 53, 54 SGB 1 iVm §§ 850ff ZPO).

2. Eine erweiternde Auslegung der gesetzlichen Pfändungsschutzbestimmungen ist mit Blick auf die Zweckbestimmung der Verletztenrente als abstrakte Verdienstausfallentschädigung nicht veranlasst. Dies gilt auch, soweit der Versicherte wegen des Arbeitsunfalls zugleich Versorgungsansprüche nach dem BVG/OEG hat, die wegen des Bezuges der höheren Verletztenrente ruhen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Auskehrung eines Teils seiner Verletztenrente nach erfolgter Abtretung.

Der 1940 geborene Kläger wurde am 30.07.1996 im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit auf dem Gelände eines Golfplatzes von einem Geschäftspartner, der deswegen mit Strafurteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Bautzen vom 25.04.1997 rechtskräftig wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, niedergeschossen und erlitt hierbei schwere Verletzungen. Als Opfer einer Gewalttat wurden dem Kläger auf dessen Antrag vom Freistaat Sachsen (Amt für Familie und Soziales C. - Versorgungsamt -) mit Bescheid vom 27.11.1998 Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) unter Anerkennung von Schädigungsfolgen bewilligt (Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ≪MdE≫ [jetzt Grad der Schädigungsfolgen ≪GdS≫] um 100 v. H. und Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V ab Juli 1996, Pflegezulage nach Stufe I, halbe Ausgleichsrente und Kinderzuschlag ab März 1997 sowie Ehegattenzuschlag ab Juli 1997). Anpassungen des Versorgungsanspruches erfolgten mit den Bescheiden vom 22.02.1999 und 15.12.1999.

Die Beklagte gewährte zunächst mit Bescheid vom 01.12.2000 Pflegegeld für die Zeit ab 14.03.1997 (mit Ausnahme von Zeiten stationärer Behandlung) und stellte dann mit Bescheid vom 03.04.2001 “wegen des Versicherungsfalles vom 30.07.1996„ eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 100 v.H. ab 27.01.1998 bis auf weiteres fest. Mit Bescheid vom 10.01.2002 erhöhte die Beklagte die gewährte Rente gemäß § 57 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab Rentenbeginn um 10 v.H. Hieraus sich ergebende Nachzahlungsansprüche des Klägers behielt die Beklagte zur Befriedigung von Erstattungsansprüchen der Versorgungsverwaltung teilweise ein.

Denn die Versorgungsverwaltung stellte mit Bescheid vom 26.11.2001, nachdem sie zuvor mit den Bescheiden vom 17.04.2001 und 08.05.2001 Änderungen in der Höhe der anzurechnenden Verletztenrente berücksichtigt hatte, das Ruhen der Versorgungsbezüge ab dem 01.02.1998 in voller Höhe fest.

In mehreren Rechtsstreitigkeiten gegen die Versorgungsverwaltung blieb der Kläger mit seinem Begehren, die bewilligten Leistungen nach dem OEG an ihn auszuzahlen, ohne Erfolg (vgl. Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.12.2003 [S 6 VG 2246/00], Berufung hiergegen: Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ≪LSG≫ vom 13.05.2005 [L 8 VG 1018/04] und die als unzulässig verworfene Nichtzulassungsbeschwerde [NZB] Beschluss des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ v. 29.08.2005 [B 9a VG 11/05 B] sowie die vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde [1 BvR 2017/05]; ferner Urteil des SG Konstanz ≪SG≫ vom 16.06.2010 [S 1 VG 1130/09], Urteil des LSG vom 10.07.2012 [L 6 VG 3708/10], NZB, Beschluss des BSG v. 29.11.2012 [B 9 V 49/12 B]). Zuletzt legte die Beklagte den Antrag des Klägers, einen 2001 überwiesenen Betrag von der Versorgungsverwaltung zurückzufordern, als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 15.11.2001 aus und lehnte die Rücknahme dieses Bescheides mit Bescheid vom 22.09.2008 ab.

Der vom Senat (Beschluss vom 18.07.2014) beigeladene Bruder des Klägers, Herr A. K. (im Folgenden: A.K.), legte mit Schreiben vom 17.12.2007 die Kopie einer Abtretungsvereinbarung vom 05.12.2006 (insoweit wird auf Blatt 283 und 284 der Akten der Beklagten Bezug genommen) vor, wonach der Kläger eventuell pfändbare Ansprüche auf Verletztenrente gegen die Beklagte zur Sicherung von Darlehen in Höhe von 160.000,00 EUR an ihn abgetreten habe. Er lege diese Abtretung hiermit offen und bitte um Mitteilung, ob und in welcher Höhe die Rentenleistungen pfändbar seien.

Der Kläger widersprach der Aufrechnung und eventuellen Ansprüchen Dritter. Er halte insbesondere und entgegen der bislang ergangenen Rechtsprechung daran fest, dass in der Unfallrente alle OEG-L...

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