0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Der Regelungsgehalt der Vorschrift findet sich bereits in § 7 der Reichsfürsorgepflichtverordnung v. 13.2.1924 (RGBl. I S. 100). Diese galt zunächst nach Art. 74, 125 GG als Bundesrecht weiter und wurde mit Wirkung zum 1.6.1962 von den Regelungen des BSHG abgelöst. Seitdem galt bis zum Inkrafttreten des SGB XII § 97 BSHG in verschiedenen Fassungen (Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 98 Rz. 2 bis 4), deren letzte im wesentlichen inhaltsgleich in § 98 übertragen wurde. Nicht übernommen wurde der bisherige § 97 Abs. 4 BSHG, der die Legaldefinition der stationären Einrichtung enthielt. Die entsprechende Regelung findet sich nunmehr in § 13 Abs. 2. Neu ist Abs. 5, dieser verlängert den Schutz des Einrichtungsortes (Satz 1) für seinerzeitige Neufälle ab 1.1.2005 (Satz 2 eingefügt durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht – Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 9.12.2005, BGBl. I S. 818).

 

Rz. 1a

Die Vorschrift trat als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft.

 

Rz. 1b

Abs. 5 ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 2.12.2006 (BGBl. I S. 2670) mit Wirkung zum 7.12.2006 neu gefasst worden.

 

Rz. 1c

In Abs. 1 wurde Satz 2 durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 20.12.2012 (BGBl. S. 2783) mit Wirkung vom 1.1.2013 aufgehoben (Folgeänderung zu § 46b).

 

Rz. 1d

Durch Art. 4 Nr. 8 des Starke-Familien-Gesetzes v. 29.4.2019 (BGBl. I S. 530) wurde Abs. 1a mit Wirkung zum 1.8.2019 eingefügt.

 

Rz. 1e

Abs. 6 wurde mit Wirkung vom 1.1.2020 infolge der Neuregelung der Eingliederungshilfe (bis dahin 6. Kapitel SGB XII, nunmehr Teil 2 des SGB IX) durch Art. 13 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) eingefügt.

1 Allgemeines

1.1 Regelungszweck

 

Rz. 2

Sozialhilfe dient dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben (BVerwG, Urteil v. 17.11.1994, 5 C 13/92; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2006, L 7 SO 4415/05). Daher ist eine schnelle, möglichst einfache und wenig streitbefangene Zuständigkeitsfeststellung erforderlich. Ferner ist wegen der immer zu berücksichtigenden Besonderheiten des Einzelfalles eine möglichst große Ortsnähe des leistungsgewährenden Sozialhilfeträgers notwendig (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 8); denn der ortsnahe Träger ist grundsätzlich derjenige, der "im Interesse des Hilfenachfragenden eine effektive und schnelle Beseitigung der gegenwärtigen Notlage ermöglichen" kann (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 2; vgl. auch unten Rz. 12 ff.).

 

Rz. 3

Da die Leistung von Sozialhilfe keine förmliche Mitgliedschaft – wie etwa bei der Sozialversicherung – oder bestimmte Statusmerkmale – etwa Kriegsopfer, Arbeitsloser, Erwerbsunfähiger – voraussetzt, die als Anknüpfungspunkt oder als Zuständigkeitsvoraussetzung dienen könnten, ist eine andere Regelung erforderlich. Es bot sich daher seit Bestehen der Sozialhilfe an, den tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungssuchenden zum Anknüpfungspunkt zu machen. Daher ist nach § 98 der tatsächliche Aufenthaltsort im Bereich eines (örtlichen oder überörtlichen, vgl. § 3) Sozialhilfeträgers das Bestimmungsmerkmal für dessen Zuständigkeit. Daher gehört niemand einem besonderen Sozialhilfeträger an. Vielmehr kann dieser je nach Sachlage wechseln.

 

Rz. 3a

Das Prinzip des tatsächlichen Aufenthalts galt bis 1993 auch für stationäre Leistungen. Dem finanziellen Ausgleich dienten die Erstattungsregelungen der §§ 103 ff. BSHG ("Schutz des Anstaltsortes", Steimer, in: Mergler/Zink SGB XII, § 98 Rz. 51). Das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) v. 23.6.1993 (BGBl. I S. 944) führte für stationäre Leistungen das Herkunftsprinzip ("gewöhnlicher Aufenthalt" vor Aufnahme in die Einrichtung) ein (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 3). Damit wurde der nach altem Recht lediglich kostenerstattungspflichtige Träger zum für die Maßnahme zuständigen Träger mit der Folge, dass seitdem die Zahl der (streitanfälligen) Kostenerstattungsfälle erheblich zurückgegangen ist (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 3). Die Änderung hat allerdings auch zur Folge, dass die bis dahin im Kostenerstattungsverfahren zwischen den Sozialhilfeträgern ohne Beteiligung des Leistungsberechtigten ausgetragenen Streitfälle nunmehr die Form eines Zuständigkeitsstreits angenommen haben. Damit wird der Leistungsberechtigte als Partei in diese Konfliktfälle hineingezogen (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 1a). Ferner kann das Herkunftsprinzip dazu führen, dass der örtlich zuständige Träger von dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung weit entfernt liegt. Eine an sich wünschenswerte Fallsteuerung wird dadurch erheblich erschwert (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 R...

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