Rz. 5a

Leistungsvoraussetzung ist neben einer Gefährdungs- oder Notlage (vgl. dazu Rz. 8 ff.), dass die Schuldübernahme zur Behebung der Gefährdungs- oder Notlage gerechtfertigt ist (dazu unten Rz. 10a ff.). Die Rechtfertigung der Schuldübernahme ist also ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 17.1.2014, L 9 SO 532/13 B ER Rz. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.3.2011, L 12 SO 49/09 Rz. 49; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 1.8.2006, L 7 SO 2938/06 ER-B m. w. N.).

 

Rz. 6

Anders als bei den übrigen Leistungen zum Lebensunterhalt ist demgegenüber die Bedürftigkeit des Berechtigten i. S. v. § 19 Abs. 1 keine Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung einer Leistung nach Abs. 1 (so auch Nguyen, in: jurisPK-SGB XII, Stand: 13.7.2017 § 36 Rz. 17 f. m. w. N.;Falterbaum, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 29. Erg.-Lfg. XI/12, § 36 Rz. 9 und 18). Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der Parallelvorschrift des § 22 Abs. 8 SGB II, die einen anderen Wortlaut hat, sowie aus § 21 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, der die Anwendung von § 36 SGB XII gerade bei fehlender Bedürftigkeit vorsieht. Bei den Sachverhalten, die vom Sinn und Zweck der Vorschrift her erfasst sein sollen, dürfte es häufig gerade so sein, dass zwar der Lebensunterhalt grundsätzlich bestritten werden kann, dies aufgrund besonderer Umstände kurzfristig und vorübergehend aber nicht der Fall ist. Allerdings kann im Bereich der Rechtsfolge, also bei der Ausübung des Ermessens (vg. dazu Rz. 11 ff.), beispielsweise vorhandenes Vermögen berücksichtigt werden.

 

Rz. 7

DerBegriff der Schuldenist vom Gesetzeswortlautnicht näher eingegrenzt. Umfasst sind klassische Mietschulden (Grundmiete, Betriebskosten und/oder Heizkosten). Es können aber auch andere Zahlungsrückstände Schulden i. S. v. Abs. 1 sein, z. B. rückständige Grundbesitzabgaben, Stromkosten (dazu noch weiter in Rz. 9 f.) o. ä. Sofern Mietschulden betroffen sind, ist die Abgrenzung zu § 35 zu beachten (vgl. auch die Komm. zu § 35 Rz. 13). Die Abgrenzung von Schulden zu laufenden Leistungen ist unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung danach vorzunehmen, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen, im Zeitpunkt der Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe (§ 18 Abs 1) von der Notwendigkeit der weitergehenden Sicherung der Unterkunft in der Vergangenheit liegenden und bisher noch nicht vom Sozialhilfeträger gedeckten Bedarf handelt, wobei die Verpflichtungen sowohl vor als auch nach Eintritt der Bedürftigkeit entstanden sein können (LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss v. 12.2.2015, L 8 SO 264/14 B ER; BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 8 SO 24/12 R Rz. 21; BSG, Urteil v. 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R Rz. 17 – beide m. w. N., sowie ausführlich LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 17.7.2014, L 9 SO 388/12 Rz. 41 m. w. N.). Forderungen des Vermieters aus einer Nebenkostenabrechnung sind demnach keine Schulden, sondern Kosten der Unterkunft und zwar in dem Monat, in dem die Forderung aus der Abrechnung fällig wird (vgl. BSG, Urteil v. 22.3.2010, B 4 AS 62/09 R Rz. 13 m. w. N. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage im SGB II). Unabhängig davon, um welche Art von Schulden es geht, erfasst § 36 immer nur bereits (in der Vergangenheit) entstandene und nicht zukünftige Schulden oder Mietzinsen (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 8 SO 24/12 R Rz. 21; LSG Bayern, Beschluss, v. 17.9.2009, L 18 SO 111/09 B ER Rz. 20).

2.1.1.1 Gefährdung der Unterkunft oder vergleichbare Notlage; drohende Wohnungslosigkeit

 

Rz. 8

Eine Gefährdung der Unterkunft des Berechtigten (i. S. d. Satzes 1) ist in Abgrenzung zur der engeren Vorschrift des Satzes 2 (drohende Wohnungslosigkeit) typischerweise schon dann gegeben, wenn nennenswerte Rückstände bei der Zahlung des Mietzinses oder der Nebenkosten aufgelaufen sind. Aber auch, wenn der Berechtigte mit der Zahlung von Raten für den Erwerb eines Eigenheimes im Rückstand ist oder wenn Zahlungen für Anschlusskosten oder Anliegerbeiträge ausstehen. Eine Sicherung der Unterkunft i. S. d. Satzes 1 kann auch erforderlich sein, wenn bei bevorstehender Haftentlassung ohne die Schuldenübernahme eine Wohnung nicht beschafft werden kann (Berlit, in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 22 Rz. 253 m. w. N.; SG Münster, Beschluss v. 2.5.2005, S 2 SO 5716/05 ER). Eine Gefährdung der Unterkunft liegt nicht mehr vor, wenn diese bereits verlassen wurde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 9.2.1993, 24 A 870/90; OVG Sachsen, Urteil v. 18.5.1998, 2 S 33/98).

 

Rz. 8a

Wann genau von drohender Wohnungslosigkeit (i. S. d. Satzes 2) gesprochen werden kann, ist letztlich eine Frage des Einzelfalles. Im Ausgangspunkt ist mit Wohnungslosigkeit der Verlust einer bewohnten, kostenangemessenen (vgl. Rz. 10a) Wohnung bei fehlender Möglichkeit, angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten, gemeint (vgl. BSG, Urteil v. 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R Rz. 25 ff.). Dabei ist die Unterbringung in einer Not- oder Obdachloseneinrichtung nicht als angemessener Ersatzwohnraum anzusehen (BSG, a. a. O. Rz. 28). Wie nah der Eintritt von tatsächlicher Wohnungslosigkeit bevorstehen muss, damit von einer droh...

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