Rz. 30

Abs. 2 regelt die Übernahme von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung, soweit es sich nicht um Fälle von Abs. 1 Satz 1 handelt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes steht die Übernahme der freiwilligen Beiträge grundsätzlich im Ermessen des Leistungsträgers (Satz 1). In besonderen Fällen muss der Leistungsträger die Beiträge aber übernehmen (Satz 2). Anders als die bis zum 31.3.2007 gültige Fassung beschränkt Abs. 2 die Leistungspflicht jetzt ausdrücklich auf die Tatbestände des § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 8 SGB V und § 6 Abs. 1 Nr. 2 KVLG 1989 (vgl. BT-Drs. 16/3100 S. 189 zu Art. 10). Die Voraussetzungen für die Übernahme von Beiträgen für eine private Krankenversicherung sind nunmehr in Abs. 5 genauer geregelt (vgl. dazu Rz. 44 ff.)

2.2.1 Übernahme freiwilliger Beiträge nach Ermessen (Abs. 2 Satz 1)

 

Rz. 31

Die Voraussetzungen für die genannten Tatbestände der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. im Übrigen die Komm. zu § 9 SGB V).

 

Rz. 32

Nach der zum 1.4.2007 in Kraft getretenen Gesetzesänderung, die zu einer Trennung zuvor gemeinsam in Abs. 2 enthaltener Regelungen zur Übernahme von Beiträgen in der freiwilligen gesetzlichen bzw. der privaten Krankenversicherung geführt hat, ist die Übernahme der Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung (bis zum 31.12.2017, vgl. Rz. 54) nicht mehr von deren Angemessenheit abhängig (anders die Regelung zu den Beiträgen in der privaten Krankenversicherung; vgl. dazu Rz. 44 ff.). Dies ist durchaus konsequent, weil die Beiträge für eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich angemessen sein dürften.

 

Rz. 33

Es ist jedoch als sinnvoll anzusehen, dass der Gesetzgeber die Entscheidung des Leistungsträgers darüber, ob er die Beiträge übernimmt oder nicht, grundsätzlich weiterhin in dessen Ermessen stellt (a. A. Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 32 Rz. 11; kritisch auch Holzhey, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 23.3.2017, § 32 Rz. 38; offen gelassen: BSG, Urteil v. 15.11.2012, B 8 SO 3/11 R Rz. 16). Zwar gilt in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 1.1.2009 ein einheitlicher Beitragssatz (vgl. § 241 SGB V), sodass insoweit eine Differenz zwischen den einzelnen Kassen nicht (mehr) bestehen kann. Von Bedeutung kann aber sein, ob und ggf. in welchem Umfang eine Krankenkasse davon Gebrauch macht, einen Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V zu erheben (vgl. dazu auch Rz. 39 ff. sowie H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, 20. Aufl. 2020, § 32 Rz. 39).

 

Rz. 34

Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens kann der Sozialhilfeträger weitere Erwägungen einfließen lassen. Hierzu zählen insbesondere die Nachteile, die sich aus dem Verlust des Versicherungsschutzes ergeben würden und die Möglichkeit der Erlangung eines anderen, möglicherweise kostengünstigeren Versicherungsschutzes. Im Hinblick auf die neue Rechtslage dürfte auch Berücksichtigung finden können, dass nunmehr fast alle Personen, die Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen, Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Unter Umständen kann das Ermessen im Rahmen von Abs. 1 Satz 1 auf Null reduziert sein (vgl. zu einem solchen Fall etwa BSG, Urteil v. 15.11.2012, B 8 SO 3/11 R Rz. 16).

2.2.2 Gebundene Übernahme von freiwilligen Beiträgen (Abs. 2 Satz 2)

 

Rz. 35

Beiträge zu einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 8 SGB V sind von dem Träger der Sozialhilfe zwingend zu übernehmen, wenn der Berechtigte voraussichtlich nur für kurze Dauer laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht. Nach der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 2 BSHG (BT-Drs. 7/308 S. 10) ist es Sinn der Regelung, die für den Berechtigten mit der Auflösung und späteren Neubegründung eines Versicherungsverhältnisses verbundenen Nachteile (z. B. Verlust der Möglichkeit zur Weiterversicherung und evtl. höhere Beiträge) zu vermeiden. Die von der Rechtsfolge her nach Abs. 2 Satz 2 zwingende Übernahme der Beiträge verpflichtet den Leistungsträger nicht automatisch zur Gewährung eines Zuschusses. Ob anstelle eines Zuschusses die Übernahme der Beiträge (nur) als Darlehen (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1) erfolgt, steht wiederum im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. § 17 Abs. 2; so auch Holzhey, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 23.3.2017, § 32 Rz. 41; Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 32 Rz. 11 a. E.).

 

Rz. 36

Der Begriff der "kurzen Dauer" ist genauso wie in § 38 Abs. 1 Satz 1 zu verstehen (vgl. die dortige Komm.). Danach kann ein Zeitraum von bis zu 6 Monaten noch als "kurz" i. S. d. Gesetzes angesehen werden. Ob die Hilfe zum Lebensunterhalt nur für einen kurzen Zeitraum erforderlich ist, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes ("voraussichtlich") im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu ermitteln. Sofern sich diese Prognoseentscheidung nachträglich als unzutreffend erweist, kann der Beitrag von dem Träger der Sozialhilfe – jedenfalls nicht aus diesem Grund – von dem Berechtigten zurückgefordert werden. Es gelten dieselben Grundsätze wie bei § 33 (vgl. di...

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