Rz. 45

Inhalt und Umfang der Verpflichtung der Leistungsträger auch Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung zu übernehmen, waren früher gemeinsam mit der Verpflichtung zur Übernahme von Beiträgen für eine freiwillige Krankenversicherung in Abs. 2 geregelt. Mit Wirkung zum 1.4.2007 wurden die Regelungen getrennt und auf die Abs. 2 und 5 aufgeteilt.

 

Rz. 46

Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung sind von dem Träger der Sozialhilfe zwingend zu übernehmen, soweit sie angemessen sind (Satz 1). Welcher Beitrag im Einzelfall als angemessen anzusehen ist, richtet sich nach dem Leistungsumfang der jeweiligen Versicherung sowie der Höhe der dafür konkret zu entrichtenden Beiträge. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Versicherungen nach dem Standardtarif i. S. d. § 315 SGB V oder (ggf. nach Umstellung – vgl. § 315 Abs. 4 SGB V) nach dem Basistarif (gemäß § 152 Abs. 1 VAG, bis zum 31.12.2015 § 12 Abs. 1a VAG) in Betracht zu ziehen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit unterliegt jedoch der vollen gerichtlichen Überprüfung.

 

Rz. 47

In Rechtsprechung und Literatur (vgl. hierzu Radtke-Schwenzer/Schicke, ASR 2010 S. 61 m. w. N., sowie z. B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 18.12.2009, L 9 B 49/09 SO ER Rz. 24 ff., und SG Ulm, Urteil v. 27.1.2010, S 2 SO 1156/09 Rz. 18 ff.; Holzhey, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 23.3.2017, § 32 Rz. 62 ff. m. w. N.) wurde ausführlich die Frage diskutiert, ob die Träger der Sozialhilfe berechtigt sind, die Beitragsübernahme im Rahmen von Satz 1 auf den (niedrigeren) Betrag zu begrenzen, der für Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen ist (vgl. § 12 Abs. 1c Satz 6 2. HS VAG i.d. bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung, seit dem 1.1.2016 § 152 Abs. 4 Satz 3 VAG). Die Streitfrage stand im Zusammenhang mit der ähnlichen Problematik im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die sich aus der Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.d. bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung ergab (dazu Spekker, ZfSH/SGB 2010 S. 212; Klerks, info also 2009 S. 139). Dabei war die Problematik dort insoweit verschärft, als § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II ausdrücklich auf § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG verwiesen hat. Im Bereich des SGB II hat das BSG (vgl. Urteil v. 18.1.2011, B 4 AS 108/10 R, Rz. 34 ff. mit Anm. Wolf, SGb 2011 S. 720) die Streitfrage zwischenzeitlich – dogmatisch zweifelhaft – dahingehend entschieden, dass die Leistungsträger im Rahmen einer analogen Anwendung von § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 1. HS SGB II zur Übernahme der von § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG nicht erfassten Beitragsanteile bis zur Höhe des reduzierten Basistarifs (§ 12 Abs. 1c Satz 4 und 6 1. HS VAG) verpflichtet sind.

 

Rz. 48

Nachgehend hat das BSG festgestellt, dass § 12 Abs. 1c Satz 6 HS 2 VAG (a. F.) für den Bereich des SGB XII (von vornherein) keine Anwendung findet (vgl. Urteil v. 10.11.2011, B 8 SO 21/10 R Rz. 16 ff.). Hierfür hat es zu Recht im Wesentlichen den Wortlaut des § 32, seine Entstehungsgeschichte sowie teleologische und systematische Erwägungen für maßgebend gehalten. Die verbleibende Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen auch Beiträge oberhalb des (hälftigen) Basistarifes zu übernehmen sind, ist in aller Regel zu verneinen. Der (hälftige) Basistarif ist als zur Bedarfsdeckung ausreichend und damit angemessen anzusehen (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 24.11.2014, L 9 SO 329/12 Rz. 34 ff. m. w. N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 10.12.2014, L 2 SO 1027/14 Rz. 56).

 

Rz. 49

Beiträge für eine private Krankenzusatzversicherung, welche Leistungen im Krankheitsfall abdecken, die über das Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, sind nie als angemessen anzusehen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.5.2006, L 20 SO 11/05 Rz. 34 ff.). Als angemessen kann eine private Krankenversicherung angesehen werden, wenn sie zu in etwa gleichen Bedingungen (Beiträgen) wie in der gesetzlichen Krankenversicherung, einen entsprechenden Leistungsumfang gewährleistet (LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.; Bay. LSG, Urteil v. 19.7.2011, L 8 SO 26/11 Rz. 26 ff.). Eine zusätzliche private Krankenversicherung ist nicht angemessen i. S. v. Abs. 5 (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 20.11.2009, L 1 SO 36/07 Rz. 58). Im Übrigen kann in die Beurteilung der Angemessenheit auch die Überlegung einfließen, wie sich die Beitragshöhe zum Umfang der stattdessen zu erwartenden Leistungen der Krankenhilfe verhält (Bayerisches LSG, Beschluss v. 9.6.2008, L 8 B 321/08 SO ER Rz. 22 m. w. N.). Die Beurteilung der Angemessenheit von Beiträgen zu einer privaten (Zusatz-)Pflegeversicherung folgt ähnlichen Grundsätzen (vgl. Hess. LSG, Beschluss v. 9.6.2006, L 9 SO 13/06 ER Rz. 32 ff.).

 

Rz. 50

Wenn ein Betroffener voraussichtlich nur für kurze Dauer bedürftig i. S. d. §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 ist, können nach Abs. 5 Satz 2 sogar höhere, also tatsächlich unangemessene Beiträge übernommen wer...

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