Rz. 7

Nach Abs. 1 Satz 1 erhält Hilfe zum Lebensunterhalt, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen, bestreiten kann. Die Vorschrift ist eine Konkretisierung des in § 2 Abs. 1 verankerten Nachranggrundsatzes.

 

Rz. 8

Was der notwendige Lebensunterhalt ist, beschreibt § 27a Abs. 1: Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung (Satz 1). Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört dabei – was in besonderem Maße für Kinder und Jugendliche gilt – in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (Abs. 1 Satz 2). Zudem umfasst der notwendige Lebensunterhalt für Schülerinnen und Schülern auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch (Satz 3).

 

Rz. 9

Der notwendige Lebensunterhalt wird im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs in Beziehung zu dem gesetzt, was der Hilfebedürftige aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen kann Als Hilfe wird die Differenz zwischen Soll und Ist geleistet. Der Begriff des Einkommens ist in § 82 umschrieben, der Begriff des Vermögens in § 90. Mit der Wendung "aus eigenen Kräften und Mitteln" wird der Nachranggrundsatz (vgl. § 2) zum Ausdruck gebracht. Das BSG hatte bereits entschieden, dass die sog Strukturprinzipien, die vom BVerwG entwickelt wurden und zu denen auch der Nachranggrundsatz gehört, keine "Supranormen" sind, die eindeutige gesetzliche Regelungen konterkarieren dürfen (Urteil v. 17.7.2008, B 8 AY 5/07 R Rz. 14). Der Nachranggrundsatz stellt nach dem BSG keine isolierte Ausschlussnorm dar. Dazu verweist das Gericht auf den Wortlaut der Norm, der nicht auf bestehende andere Leistungsansprüche, sondern auf den Erhalt anderer Leistungen abstellt (BSG, Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 23/08 R Rz. 20). Dabei hatte das BSG ursprünglich angeführt, dass eine Ausschlusswirkung ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar sei, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar seien (BSG, Urteil v. 29.9.2009, a. a. O.). Nunmehr hat das BSG klargestellt, dass der Nachranggrundsatz generell keine Ausschlussnorm darstellt (Urteil v. 23.3.2021, B 8 SO 2/20 R Rz. 13).

 

Rz. 10

Die Wendung "aus eigenen Kräften und Mitteln" berechtigt den Sozialhilfeträger deshalb nicht, die Leistungen einzustellen, wenn der Hilfesuchende nicht bereit ist, zumutbare Arbeit zu leisten. Das gilt nicht nur angesichts des Umstandes, dass für erwerbsfähige Arbeitslose ohnehin grundsätzlich nicht das Leistungssystem des SGB XII, sondern dasjenige des SGB II vorgesehen ist (vgl. dazu die Komm. zu § 21). Vielmehr sind die Sanktionen für Leistungsberechtigte, die die Aufnahme einer Tätigkeit oder die Teilnahme an einer erforderlichen Vorbereitung ablehnen, in § 39a spezialgesetzlich geregelt, indem dieser eine Einschränkung der Leistung ermöglicht. Das schließt die Versagung der Hilfe unter Berufung auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des allgemeineren § 19 Abs. 1 aus.

 

Rz. 11

Im Rahmen des Einkommens und Vermögens darf – entsprechend den Grundsätzen über den Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1) – nur der Einsatz bereiter Mittel verlangt werden (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 11.12.2007, B 8/9b SO 23/06 R). Die Mittel müssen dem Hilfesuchenden tatsächlich zur Verfügung stehen oder er muss entsprechende Ansprüche kurzfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit realisieren können.

 

Rz. 12

Abs. 1 regelt nur unvollständig, wer zur Einsatzgemeinschaft bei der Hilfe zum Lebensunterhalt gehört, auf wessen Einkommen und Vermögen es also für die Frage der Hilfebedürftigkeit ankommt. Insoweit lässt sich Abs. 1 lediglich entnehmen, dass es auf den Einsatz des Einkommens und Vermögens des Leistungsberechtigten selbst ankommt. Die vollständige Einsatzgemeinschaft ist erst in § 27 Abs. 2 geregelt. Hier ergibt sich aus Satz 2, dass bei nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern das Einkommen und Vermögen beider Ehegatten oder Lebenspartner gemeinsam zu berücksichtigen ist. Diese Regelung würde, wäre sie abschließend, gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen, da Eheleute gegenüber Personen, die wie Eheleute zusammen leben, benachteiligt wären. Der Verfassungsverstoß wird durch § 20 vermieden, der die Einsatzgemeinschaft um die eheähnliche bzw. lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft erweitert. § 27 Abs. 2 Satz 3 wiederum regelt die Einsatzgemeinschaft, wenn es sich bei den Leistungsberechtigten um minderjährige unverheiratete Kinder handelt. Soweit die leistungsberechtigten Kinder dem Haushalt ihrer Eltern oder eines Elternteils angehören und sie ihren notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht bestreiten können, sind vorbehaltlich des § 39 Satz 3 Nr. 1 auch d...

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