0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) mit Wirkung zum 1.3.2015 eingefügt. Eine Vorläufervorschrift gab es hierzu bis dahin im AsylbLG nicht (vgl. aber § 121 BSHG a. F. und § 25 SGB XII für das Recht der Sozialhilfe).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift regelt einen Erstattungsanspruch des sogenannten Nothelfers (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6a Rz. 1). Ebenso wie bei § 25 SGB XII handelt es sich um eine Regelung, die der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) nachgebildet ist (Waldhorst-Kahnau, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6a Rz. 9 und SGB XII, § 25 Rz. 7). Anlass für die Einführung der Regelung war die Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 30.10.2013, B 7AY 2/12 R), wonach entgegen der zuvor herrschenden Meinung (u. a. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 12.12.2011, L 20 AY 4/11) für das Asylbewerberleistungsrecht eine Analogie zu § 25 SGB XII abgelehnt wurde. Es geht um die Ansprüche von Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern, die in einem Eilfall Hilfe geleistet haben und die nach der Rechtsprechung des BSG ansonsten keinen Erstattungsanspruch hätten. Damit soll auch die medizinische Versorgung der Leistungsberechtigten in Notfällen sichergestellt werden (Waldhorst-Kahnau, a. a. O., Rz. 15).

2 Rechtspraxis

2.1 Eilfall

 

Rz. 3

Anspruchsberechtigt ist jede natürliche oder juristische Person, die in einem Eilfall Leistungen erbracht hat. In erster Linie kommen Ärzte und Zahnärzte sowie deren Organisationsformen (z. B. Medizinische Versorgungszentren) und Krankenhausträger in unterschiedlichen Rechtsformen in Betracht. Der Leistungsberechtigte selbst hat keinen Erstattungsanspruch. Der vom Arzt beauftragte Leistungserbringer (z. B. Pharmaunternehmer) hat ebenfalls keinen Erstattungsanspruch, wohl aber der Arzt, wenn er Medikamente oder Hilfsmittel finanziert. Für Analogleistungsberechtigte folgt der Erstattungsanspruch aus entsprechender Anwendung von § 25 SGB XII.

 

Rz. 4

Ein Anspruch des Nothelfers ist nur im sog. Eilfall gegeben. Ein Eilfall i. S. d. § 6a liegt vor, wenn in einer plötzlich auftretenden Notlage sofort gehandelt werden muss und nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Leistung des zuständigen Leistungsträgers nicht zu erlangen ist. Planbare und infolgedessen aufschiebbare medizinische Maßnahmen (z. B. eine Operation) können bereits vom Hilfebedarf her keinen Eilfall begründen (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6a Rz. 11 ff.). Liegt von der Bedarfslage her ein Not- und Eilfall vor, so muss außerdem ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne vorliegen. Danach besteht der Erstattungsanspruch des sog. Nothelfers nur dann, wenn der Leistungsträger bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von dem Leistungsfall hat. Die Kenntnis des Leistungsträgers von der Leistungsberechtigung nach § 1 reicht nicht aus. Ansonsten würde der Erstattungsanspruch nach § 6a von seltenen Ausnahmefällen abgesehen leerlaufen, denn die Leistungsberechtigung des Betreffenden ist dem Leistungsträger regelmäßig schon vor Eintritt eines Eilfalles bekannt (Coseriu/Filges, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6b Rz. 16). Daher erlangt der Leistungsträger erst dann Kenntnis, wenn ihm das Vorliegen einer Bedarfslage dargetan wurde oder auf andere Weise bekannt geworden ist (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6b Rz. 9,mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 28.8.2018, B 8 SO 9/17 R). 

 

Rz. 5

Sobald der Leistungsträger die Kenntnis erlangt, entfällt der Anspruch des Nothelfers und der Anspruch des Leistungsberechtigten aus §§ 3, 4 oder 6 entsteht. Grundsätzlich darf eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sein; der Sozialhilfeträger darf nicht eingeschaltet werden können. Es darf keine Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleiben, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten. Der Anspruch des Nothelfers besteht also in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bildet damit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 8 SO 13/12 R; LSG Hamburg, Urteil v. 28.4.2022, L 4 AY 8/20; Waldhorst-Kahnau, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6a Rz. 9 und SGB XII, § 25 Rz. 18 f.). Der zum gleichen Zeitpunkt wie § 6a vom Gesetzgeber eingeführte § 6b ordnet die entsprechende Anwendung von § 18 SGB XII für die Bestimmung des Zeitpunkts des Einsetzens der Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 an. Nach dieser Vorschrift setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen fü...

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