0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes v. 10.12.2014 (BGBl. I S. 2187) mit Wirkung zum 1.3.2015 eingefügt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Eine Vorgängervorschrift gab es im AsylbLG nicht. Die Vorschrift ist in engem Zusammenhang mit der zum gleichen Zeitpunkt eingeführten Vorschrift des § 6a zu sehen. Nach dieser Vorschrift sind in einem Eilfall, in dem jemand einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG nicht zu erbringen gewesen wären, dem Nothelfer die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Das BSG (Urteil v. 13.10.2013, B 7 AY 2/12 R) hatte entgegen der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur den Anspruch von Ärzten und Krankenhausträgern als Nothelfer in entsprechender Anwendung von § 25 SGB XII verneint, weil § 25 SGB XII einen Aufwendungsersatzanspruch eines im Eilfall Helfenden nur für solche Leistungen zulässt, die vor der Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Bedarfsfall nach § 18 SGB XII erbracht wurden. Es fehle jedoch eine Vorschrift zum Einsetzen der Hilfen nach §§ 3, 4 oder 6 AsylbLG erst zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Leistungsträgers. Diese Regelungslücke wird durch § 6b geschlossen. Durch den in § 6b geregelten Verweis auf § 18 SGB XII findet der sog. Kenntnisnahmegrundsatz nach dem Sozialhilferecht auch im AsylbLG Anwendung. Ein Asylbewerberleistungsrechtsverhältnis setzt demnach – ebenso wie ein Sozialhilferechtsverhältnis – die Kenntnis des zuständigen Leistungsträgers vom Bedarfsfall voraus. Hieraus folgt, dass Grundleistungen nach den §§ 3 ff. erbracht werden, sobald dem Leistungsträger nach dem AsylbLG – oder einer von ihm beauftragten Stelle – bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (BT-Drs. 18/2592 S. 26).

2 Rechtspraxis

2.1 Entsprechende Anwendung von § 18 SGB XII

 

Rz. 3

Die Vorschrift verweist auf § 18 SGB XII. Damit setzen auch die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe mit der Kenntnisnahme durch den Leistungsträger ein. Dies bedeutet auch, dass die Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 ebenso wie die Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich antragsunabhängig gewährt werden. Für die Analogleistungsempfänger sieht § 2 vor, dass das SGB XII und damit auch 18 SGB XII entsprechend anzuwenden ist. Ein Antrag ist allerdings auch für Grundleistungsempfänger erforderlich, soweit § 3a Abs. 4 i. V. m. § 34a SGB XII einen Antrag bei der Bedarfsdeckung für Bildung und Teilhabe vorsieht.

 

Rz. 4

§ 18 Abs. 1 SGB XII, auf den verwiesen wird, sieht vor, dass die Leistungen nach dem AsylbLG einsetzen, sobald dem Leistungsträger oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Erforderlich ist die positive Kenntnis aller Tatsachen, die der Leistungsträger kennen muss, um die Leistungen zu gewähren. Die Kenntnis des Leistungsträgers von der Leistungsberechtigung nach § 1 reicht nicht aus. Ansonsten würde der Erstattungsanspruch nach § 6a – von seltenen Ausnahmefällen abgesehen – leerlaufen, denn die Leistungsberechtigung des Betreffenden ist dem Leistungsträger regelmäßig schon vor Eintritt eines Eilfalles bekannt (Coseriu/Filges, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 6b Rz. 16). Daher erlangt der Leistungsträger erst dann Kenntnis, wenn ihm das Vorliegen einer Bedarfslage dargetan wurde oder auf andere Weise bekannt geworden ist (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 6b Rz. 9, mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 28.8.2018, B 8 SO 9/17 R). Die erforderliche Kenntnis bezieht sich allerdings nicht auf die Art und den Umfang der zu erbringenden Leistungen.

2.2 Verfahrensrecht

 

Rz. 5

Fraglich ist, ab wann die Sperrfrist bei einer Untätigkeitsklage i. S. d. § 88 SGG abläuft, weil Leistungen nach dem AsylbLG weitgehend ohne Antrag gewährt werden können. Seinem Wortlaut nach setzt § 88 Abs. 1 SGG aber ausdrücklich einen Antrag voraus, sodass hierauf auch unter Berücksichtigung des Kenntnisgrundsatzes nicht verzichtet werden kann. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fristen des § 88 SGG bereits mit Kenntnis der Behörde zu laufen beginnen. Liegt also noch kein Antrag vor oder sind seit der Antragstellung noch keine 6 Monate vergangen, kann daher eine Beschleunigung des Verfahrens ausschließlich durch vorläufigen Rechtsschutz nach § 86b SGG erreicht werden (Coseriu/Filges, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, AsylbLG, § 6a Rz. 26 unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 2.2.2007, L 20 B 127/06 SO).

Da die Kenntnis des Leistungsträgers von der Notlage anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist, trägt die objektive Beweislast hierfür der Antragsteller (so auch Coseriu, a. a. O., Rz. 25).

3 Literatur

 

Rz. 6

Deibel, Das neue Asylbewerberleistungsgesetz, ZFSH/SGB 2015, 117.

Eicher, Anspruch eines Krankenhausträgers gegen Leistungsträger des Asylbewerberleistungsgesetzes wegen medizinischer Beha...

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